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VERBAND/157: Erklärung des DBV-Präsidiums zur UN-Konferenz "Rio+20" (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 7. Juni 2012

Sichere und finanzierbare Lebensmittelversorgung ist zentrale Herausforderung

Erklärung des DBV-Präsidiums zur UN-Konferenz "Rio+20"



Anlässlich der Konferenz der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung, der "Rio+20 Konferenz" vom 13.-22. Juni 2012 in Rio de Janeiro (Brasilien), betont das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes den entscheidenden Beitrag der Land- und Forstwirtschaft für grünes Wachstum und eine nachhaltige Entwicklung. Für die Landwirtschaft besteht die zentrale Herausforderung der Nachhaltigkeit weltweit in einer sicheren und finanzierbaren Lebensmittelversorgung durch eine wirtschaftlich tragfähige Landwirtschaft, in der Gewährleistung einer hohen Produktqualität bei gleichzeitiger Reduzierung von Umweltauswirkungen. Die weitere Steigerung der Effizienz der landwirtschaftlichen Produktion ist der zentrale Hebel, um den globalen Herausforderungen einer wachsenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen einerseits und der Ressourcenschonung andererseits gerecht zu werden.

Im Einzelnen erklärt das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes:

1. Die deutschen Landwirte stehen zum Prinzip der Nachhaltigkeit, bei dem die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales ausgewogen in Einklang zu bringen sind. Eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft ist ökologisch tragfähig, ökonomisch existenzfähig, sozial verantwortlich, ressourcenschonend und dient als Basis für künftige Generationen. Sie muss also neben ökologischen auch ökonomischen und sozialen Anforderungen gerecht werden. Das dem Begriff der Nachhaltigkeit innewohnende Prinzip des generationenübergreifenden Denkens ist in der Landwirtschaft seit jeher tief verwurzelt.

2. Die moderne deutsche Landwirtschaft wirtschaftet nachhaltig im Sinne der Agenda 21, dem Programm der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung, indem Erträge auf vorhandenen Flächen gesteigert und gleichzeitig unerwünschte Umweltwirkungen reduziert werden. Mit einer prognostizierten Weltbevölkerung von über 9 Milliarden Menschen im Jahr 2050 muss die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität oberste Priorität haben, damit die Nachfrage nach Lebensmitteln, Futtermitteln und nachwachsenden Rohstoffen erfüllt werden kann.

3. Einseitige, ökologische Zielsetzungen vermeiden und europäischen Gleichklang halten. Nur in Deutschland oder Europa höhere Standards im Tier-, Natur- und Umweltschutz umzusetzen, wird der Herausforderung an eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft nicht gerecht. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland ist ein europäischer Gleichklang bei den Anforderungen des Tier-, Natur- und Umweltschutzes an die Produktion sowie die Berücksichtigung von Sozial- und Umweltstandards im Welthandel erforderlich.

4. Mehr mit weniger produzieren: Eine nachhaltige Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion ist aus Sicht der FAO, der Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft, der zentrale Hebel und muss in den Schlussfolgerungen der "Rio+20 Konferenz" Berücksichtigung finden. Es gilt, mehr Getreide pro Liter Wasser, pro Kilogramm Nährstoff und pro Hektar Fläche zu produzieren. Stilllegungs- bzw. Extensivierungsstrategien im Agrarsektor werden dem Auftrag der Agenda 21 nicht gerecht, würden die Abhängigkeit von Importen steigern und die Produktion in Regionen verlagern, in denen die Produktionsstandards niedriger sind als in Europa.

5. Nachhaltigkeit ist nicht normierbar, sondern ein dynamischer Prozess. Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung sind die Eigenverantwortung der gut ausgebildeten Landwirte in Verbindung mit umfangreichen gesetzlichen Vorgaben des Fachrechts sowie des Umwelt-, Lebensmittel- und Agrarrechts auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene. Die Landwirte sichern im Sinne der Nachhaltigkeit eine hohe Produktqualität, die weitgehende Reduzierung von Umweltauswirkungen sowie eine sichere und finanzierbare Lebensmittelversorgung durch eine wirtschaftlich tragfähige Landwirtschaft. Wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung ist ferner das Bestreben der Landwirte, zugleich ressourcenschonend und produktiv in Verantwortung für zukünftige Generationen zu wirtschaften. Durch die bisher erreichten Effizienzsteigerungen in der Produktion konnten erhebliche Verbesserungen im Bereich des Gewässer-, Boden-, Klima- und Naturschutzes erreicht werden. Die deutschen Bauern werden auch weiterhin ihre Produktion kontinuierlich verbessern und hierdurch negative Umweltwirkungen der Landbewirtschaftung weitgehend minimieren.

6. Landwirte müssen sich seit jeher an natürliche Bedingungen anpassen. Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Klimawandels erlangt dies besondere Bedeutung. Höhere Investitionen in die Agrarforschung, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, sind dringend geboten. Beratungsdienste zum Transfer von Innovationen in die Praxis - nicht nur in den Entwicklungsländern - sind weiterzuentwickeln.

7. Die Minimierung der Verluste von Nahrungsmitteln ist weltweit eine enorme Herausforderung. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern sind die sogenannten Nachernteverluste besorgniserregend. Diese werden auf eine Größenordnung von 10 bis 30 Prozent der Welternte geschätzt. Dringenden Bedarf gibt es dort an Investitionen in verbesserte Technik, Lagerhaltung, Schutz vor Schädlingsbefall und eine durchgehende Kühlkette. In den Industrieländern ist ein gestärktes Bewusstsein für die Werthaltigkeit von Lebensmitteln bei den Verbrauchern und Lebensmittelhändlern erforderlich.

8. Konsequente Investitionen in die Entwicklung der einheimischen Landwirtschaft in den Entwicklungsländern dienen nicht nur der Beseitigung der akuten Hungerprobleme, sondern sind auch Ausgangspunkt für ein umfassendes gesamtwirtschaftliches "Grünes Wachstum". Der Deutsche Bauernverband unterstützt nachdrücklich eine auf die Bauern vor Ort fokussierte Entwicklungsperspektive in Afrika, Asien und Teilen Mittel- und Südamerikas. Dazu ist es nicht nur notwendig, einen Erfahrungs- und Wissenstransfer zu organisieren, sondern es muss auch gelingen, die Eigeninitiative in den Dörfern der Entwicklungsländer durch die Gründung von unabhängigen Bauernverbänden, Erzeugergemeinschaften und Genossenschaften sowie sonstigen Selbsthilfeorganisationen der Landwirtschaft vor Ort zu fördern. Das erfordert eine deutliche Schwerpunktsetzung in der Entwicklungspolitik, damit Kleinlandwirte aus der reinen Subsistenzwirtschaft herauskommen können.

9. Auch die Handels- und Agrarpolitik der Industrieländer muss diesen Ansatz unterstützen. Das in der Doha-Runde der WTO vorgesehene Regelwerk zur direkten Unterstützung der Entwicklungsländer sollte deshalb auch dann in Kraft treten, wenn es nicht zu einem Abschluss in dieser Handelsrunde kommt. Der europäische Binnenmarkt ist mittlerweile für Produkte aus Entwicklungsländern weit geöffnet (z. B. durch AKP- und EBA-Abkommen). Andere Industriestaaten müssen jetzt nachziehen. Die Europäische Union hat die Exporterstattungen bereits in hohem Maße abgebaut. Der Deutsche Bauernverband akzeptiert, dass diese im Rahmen der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union ab 2013 vollständig abgebaut werden, vorausgesetzt auch andere Industriestaaten bauen ihre verzerrende Exportförderung ebenfalls ab.

10. Der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen und Bioenergie leistet einen Beitrag zum Klimaschutz, zur Versorgungssicherheit bei Energie, für Investitionen und Arbeitsplätze und damit auch für die wirtschaftliche Entwicklung gerade in ländlichen Räumen. Es geht nicht um ein "entweder oder", sondern um ein vernünftiges "sowohl als auch" bei Nahrungsmitteln und Bioenergie. Die Produktion von Nahrungsmitteln steht jedoch heute und in Zukunft an erster Stelle. Der Ausbau der Bioenergie und die Steigerung der Energieeffizienz gehören zu den zentralen Pfeilern der klima- und energiepolitischen Agenda der EU und der deutschen Bundesregierung.

11. Nachhaltigkeit muss auch für die Preisgestaltung von Nahrungsmitteln gelten. Landwirte können zusätzliche Anforderungen an die Nachhaltigkeit der Produktion nur realisieren, wenn sich diese auch im Preis widerspiegeln. Am Prinzip der Nachhaltigkeit vorbei läuft die häufig vom Handel verfolgte Strategie des "billiger", wenn gleichzeitig Marktsegmente mit gesonderten Umwelt- und Nachhaltigkeitsanforderungen beworben werden. Die Mehrkosten von handelseigenen Produktionsstandards dürfen nicht alleine zu Lasten der Bauern gehen. Eine nachhaltige Strategie ist vielmehr, wenn Qualität und Preise auch für die Bauern zusammenpassen. Zudem muss der Gefahr entgegengewirkt werden, dass handelseigene, subjektive Anforderungen im Verbraucher- und Umweltschutz den auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden gesetzlichen Standard in Frage stellen.

12. Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Aufgabe der landwirtschaftlichen Urproduktion, sondern auch eine Verantwortung für die gesamte Produktionskette. Jeder Marktpartner in der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln sowie nachwachsenden Rohstoffen in der Kette vom Acker bis zur Ladentheke ist gefordert, für seinen Verantwortungsbereich Verbesserungen im Sinne von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zu realisieren. Dabei kommt auch der Zertifizierung und Dokumentation der Nachhaltigkeit von Produkten eine zunehmende Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang gilt es, eine enge Abstimmung zwischen den Marktpartnern zu gewährleisten und vorhandene Dokumentationen und gesetzliche Anforderungen anzuerkennen. Zusätzliche Bürokratie gilt es zu vermeiden.

Bei der Konferenz der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung "Rio+20" muss die zentrale Bedeutung einer hochproduktiven Landwirtschaft für ein grünes Wachstum berücksichtigt werden. Die Landwirtschaft ist sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern die treibende Kraft, um die weltweite Versorgungssicherheit und die Hungerbekämpfung sicherzustellen. Deshalb unterstützt der DBV die Umsetzung der Ergebnisse der 17. Konferenz der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung über die Landwirtschaft und fordert, diese als Basis für ein Ergebnis in Rio de Janeiro im Juni 2012 zu verwenden. Größere Investitionen in den Agrarsektor, eine nachhaltige Intensivierung der Agrarproduktion und eine Verstärkung der Agrarforschung sind dringend geboten, um die Ernährungssicherheit sowie die Ressourcenschonung weltweit und damit eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 7. Juni 2012
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
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Mail: presse@bauernverband.net
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2012