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VIELFALT/090: SAVE eNews 3/2009 - Sicherung der Artenvielfalt (SAVE)


SAVE eNews 3/2009 - Freitag, 25. September 2009

Ein vierteljährlicher Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation (Safeguard for Agricultural Varieties in Europe)


"Milina Organic" - Erhaltung der Agrobiodiversität in Serbien

Die Vorgeschichte

Das "Milina" Projekt (serb.: Wohlgefühl) entstand aus einer grosszügigen Initiative zur Erhaltung des serbischen traditionellen Erbes in der Landwirtschaft, ursprünglich ohne jegliche kommerzielle Komponente. Die zwei Belgrader Finanzexperten Milutin Nikolic und Pavle Kavran wollten in eine kleinere Farm Geld zur traditionellen Zucht gefährdeter einheimischer Rassen investieren. Nach zwei Treffen mit Bauern aus der Naturschutzorganisation "Natura Balkanika" wurde beschlossen, dass zwei mittlere Betriebe in der Region Stara Planina Naturpark gekauft werden sollten. In dieser Region in Zentralserbien hatten das serbische Ministerium für Landwirtschaft und "Natura Balkanika" bereits im Jahr 2002 erste Schritte zur Erhaltung der Agrobiodiversität unternommen. Gleichzeitig begann eine neu gebildete "Erhaltungsgruppe Agrobiodiversität" mit der Suche und Identifizierung von Busha Rindern, Balkan Eseln, Pirot Zackelschafen, Karakachanschafen und Balkanziegen. "Natura Balkanika"-Vertreter und Mitarbeiter aus den Gemeinden Dimitrovgrad, Pirot, Babusnica, Trgoviste, Bosilegrad und Bujanovac entdeckten viele Tiere dieser Rassen im letzten Moment, denn oft sollten die Tiere gerade zum Schlachten verkauft werden. Durch die oben genannten Finanzexperten konnten diese Tiere aufgekauft werden und in die "Milina" Betriebe in den Dörfern Gornji Krivodol und Smilovci verstellt werden. Um die finanzielle Nachhaltigkeit der Zucht gefährdeter autochthoner Rassen und lokaler Sorten in organischer Produktion zu gewährleisten, wurde kurz darauf das Unternehmen "Milina Organic" d.o.o. gegründet. Inzwischen ist das "Milina" Projekt die wichtigste Initiative in Zentral-Serbien im Bereich der Erhaltung der Agrobiodiversität (bezogen auf die Zahl beteiligter Rassen und Sorten).

Bauernhöfe unter der Leitung von "Milina Organic"

Es gibt zwei Bauernhöfe, die "Milina Organic" gehören: Mojinsko Farm und Rudina Farm. Einige andere Höfe fungieren als Partner des Projektes. So werden auf der "Vlada Farm" in Zentral-Serbien, nahe Arandjelovac mehr als 100 Moravka- und Mangalitzaschweine gezüchtet. "Milina Organic" besitzt insgesamt 23 ha Ackerland, 10 ha Wiesen, 4 ha Weiden und 167 ha gepachtete Flächen. Die Farmen Rudina und Mojinsko sind in der Gemeinde Dimitrovgrad gelegen.

Die Rudina Farm ist 30 km von Dimitrovgrad entfernt, nahe dem Dorf Gornji Krivodol, im Stara Planina Naturpark - dem grössten serbischen Naturschutzgebiet, 2 km von der Grenze zwischen Serbien und Bulgarien entfernt. Das Dorf, vor 50 Jahren eines der serbischen Schafzuchtzentren mit mehr als 12'000 Schafen, hat heute nur noch 14 Einwohner. Auf der Rudina Farm werden Busha Rinder gezüchtet. Es gibt hier mehr als 90 Mutterkühe und mehr als 30 Kälber. Das sind ca. 20% des Busha Bestandes in Serbien. Für 2010 wird der Bestand auf mehr als 110 Mutterkühe anwachsen. Nahezu alle bekannten Varietäten dieser Rasse sind vertreten: es gibt schwarze, braune, rote, graue, gelbe, weisse und getigerte (seltenster Typ) Varietäten. Derzeit gibt es nur zwei Bullen (ein schwarz-brauner und ein getigerter). Für die nächsten zwei Jahre ist der Aufbau einer Zucht innerhalb der Varietäten geplant. Die Hofanlage, vor 60 Jahren gebaut, wurde in den letzten Monaten im traditionellen Stil unter Verwendung natürlicher Materialien wie Lehm, Stroh, Holz und Stein renoviert. Ein Gebäude des Hofes wurde vor 30 Jahren als Molkereigenossenschaft genutzt. Dieses 200m2 grosse Gebäude wird nun zur Unterbringung von Gruppen und Gästen eingerichtet, die mehr über traditionelle Landwirtschaft und seltene Rassen des Balkans lernen möchten. "Milina Organic" sieht vor, auch im ländlichen Tourismus aktiv zu werden und damit zusätzliche Wertschöpfung für die gefährdeten Rassen zu schaffen. Die Mojinsko Farm ist 14 km von Dimitrovgrad entfernt, nahe dem Dorf Smilovci und dem Stara Planina Naturpark. Die früher staatseigene Schafzuchtkooperative wurde 1983 gebaut. Es gibt vier gefährdete Rassen auf dem Betrieb: Balkan Esel, Karakachanschafe, Pirot Zackelschafe und Balkanziegen. Derzeit gibt es 75 Balkan Esel auf dem Hof, was der zweitgrössten serbischen Eselpopulation nach dem Zasavica Naturreservat entspricht. Mit 120 Schafen, 4 Böcken und 25 weiblichen Jungtieren besteht hier die grösste Herde von Karakachanschafen (90% der Gesamtpopulation) in Serbien. Bis 2005 war diese Schafrasse in Serbien nicht offiziell registriert, bis "Natura Balkanika" eine Karakachan-Schafherde in einem abgelegenen Dorf der Gemeinde Crna Trave in den Chemernik Bergen entdeckte. Das Karakachanschaf ist die ursprünglichste Schafrasse Südosteuropas. Es wurde von den Karakachen, einem Nomaden- und Hirtenvolk gezüchtet, das bis zum 1. Weltkrieg in den Sommermonaten die Weiden des Zentral-Balkans nutzte. Die Karakachan Schafe auf der "Mojinsko Farm" entsprechen dem schwarz-wolligen Typ des Karakachan-Schafes. Die Farm züchtet ferner den am meisten gefährdeten Typ des Zackelschafes in Serbien, das Pirot Zackelschaf, das aus der Region Pirot und Dimitrovgrad stammt. Derzeit gibt es 110 Schafe, 4 Böcke und 25 weibliche Jungtiere. Leider ist dies die einzige Herde dieser Schafrasse in Serbien. Die Mojinsko Farm züchtet auch die Balkanziege. Es gibt 75 Ziegen and 4 Böcke des roten, schwarzen und grauen Typs. Das entspricht 30% der offiziell registrierten Balkanziegen in Serbien.

Aktuelle und zukünftige Produkte von "Milina Organic"

Das "Milina Organic" Projekt ist in einem frühen Stadium des Zuchtaufbaues. Trotzdem konnten bereits einige Produkte ausgeliefert werden. Die wichtigsten Produkte sind:

Fleischerzeugnisse: Lamm- und Ziegenfleisch der Karakachan- und Pirot Zackel-Schafe, Rindfleisch der Busha Rinder; Fleisch von Balkan Zicklein, Wurst vom Balkan Esel sowie Mangalitza- und Moravka Schweinefleisch;
Milchprodukte: weisser Käse von Schafen und Ziegen; Eselmilch (für Kosmetik- und ethno-medizinische Zwecke);
Wollprodukte: Handgestrickte Wollsocken, Jacken usw.;
Dienstleistungen: vorgesehen ist die Verwendung der Esel zur Hippotherapie; sowie Nutzung der Schafherden zur Offenhaltung der Stara Planina Naturpark Bergwiesen.

Marketing Ansätze

"Milina Organic" bereitet einen speziellen Laden im Zentrum von Belgrad vor, in dem die oben erwähnten sowie Produkte weiterer Nutztierrassen Serbiens dem Konsumenten angeboten werden sollen. Kurz nach der Etablierung der Busha Rinderherde sowie den Herden von Karakachan und Pirot Zackel-Schafen, organisierte "Milina Organic" eine viel versprechende Präsentation der autochthonen Rassen in Zusammenarbeit mit der Slow-Food-Bewegung in Belgrad im Restaurant "Zaplet". Das war die erste öffentliche Veranstaltung, die durch Slow Food in Serbien organisiert wurde. Es handelte sich um ein besonderes Abendessen, an dem führende Persönlichkeiten der serbischen Finanz-, Lebensmittel- und Medienbranche eingeladen wurden. Die "SVA" Belgrad Marketing Agentur sicherte den Erfolg der Veranstaltung. Mehr als 80 Teilnehmer hatten Gelegenheit, erstmalig mehr als 10 verschiedene Speisen aus Produkten der gefährdeten autochthonen Rassen, zubereitet vom erfahrenen Küchenchef des Restaurants Zaplet zu degustieren. Die Herkunft des jeweiligen Produktes konnte jeder Gast auf einem Menuplan mit Landkarte (Betrieb und seine Position auf der Karte) nachvollziehen. Der Inhalt der jeweiligen Speise und die Beschreibung der Rasse zum entsprechenden Produkt auf dem Tisch wurde ebenfalls erläutert. Darüber hinaus gab es ein einfaches Auswertungsformular für jede Mahlzeit. Bemerkenswert ist, dass die Gerichte aus Busha Rindfleisch mit Höchstnoten bewertet wurden. Viele Artikel in Zeitschriften und Zeitungen betonten die Notwendigkeit dieser Art von Veranstaltungen zur Erhaltung der autochthonen Nutztierrassen. Wenn Sie jemals Belgrad besuchen, die serbische Hauptstadt, fragen Sie nach dem Restaurant "Zaplet" - dem Ort, wo Sie schmackhafte Gerichte der autochthonen Rassen (Karakachan oder Pirot Lammfleisch, Busha Rindfleisch, Balkan Zicklein Fleisch etc.) probieren können, oder besuchen Sie einfach die Milina Betriebe.

mit Dank an Dr. Sergej Ivanov


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Jahrestreffen der SAVE Foundation und des europäischen SAVE Netzwerkes, 20.-23. August 2009 in Gent, Belgien

Das Treffen wurde von der SAVE Partnerorganisation "Steunpunt Levend Erfgoed", SLE, in Gent, Belgien, organisiert. Im historischen Ambiente des Hotels "Monasterium PoortAckre" wurden die Sitzungen der SAVE Gremien abgehalten. Am Jahrestreffen nahmen mehr als 25 Personen aus 11 Ländern teil. Vor dem eigentlichen SAVE Meeting fand eine Führung und Präsentation beim Europäischen Parlament in Brüssel statt. Die Teilnehmer konnten hier einen konkreten Eindruck des sonst sehr abstrakten Begriffes "Europäische Union" gewinnen.

Ein internationales Agrobiodiversitäts-Seminar zum Thema "Innovative Aspects for In-Situ Conservation" bildete den Startpunkt der SAVE Sitzungen. In diesem Seminar wurde der Stand der Erhaltungsarbeit in verschiedenen Projekten und Ländern vorgestellt: Die Vielfalt der Rassen in Rumänien, besonders in der Region Banat, wurde erläutert und mit historischen Bildern ergänzt. Das "Milinia" Projekt in Serbien ist ein Beispiel für gut durchdachte Erhaltungsarbeit und Produktevermarktung in der Balkanregion. Der Stand der europaweiten konzertierten Aktion ELBARN wurde erläutert, Perspektiven und mögliche Folgeprojekte vorgestellt. Die Notwendigkeit, sich auch den semi-wilden Populationen von Nutztieren in Europa zuzuwenden wurde in einer weiteren Präsentation dargelegt. Als Übergang zu den Sitzungen der SAVE Gremien wurde der Stand der verschiedenen SAVE Projekte, Bestehendes und Zukünftiges vorgestellt Die Präsentationen können unter http://www.save-foundation.net/Conferences/Ghent.htm abgerufen werden.

Bei strahlendem Sonnenschein fand am Mittag des 21. August dann eine offizielle Begrüssung durch Delegierte der Provinz Ost Flandern sowie des Bürgermeisters von Gent statt. Die SAVE Partner waren sehr erfreut zu hören, dass zumindest in Flandern die autochthonen Rassen auch von offizieller Seite Wertschätzung geniessen. Das SAVE Netzwerk dankt für den herzlichen Empfang und den mittäglichen Apero.

Die Projektkommission und der Rat der Kooperationspartner führten in diesem Jahr ihre Sitzungen gemeinsam durch. So konnten Doppelspurigkeiten verhindert werden und es blieb mehr Gelegenheit zu Austausch und Kommunikation. Diese Kombination soll auch in zukünftigen Treffen beibehalten werden. Am Jahrestreffen 2009 standen die Erneuerungswahlen der Gremien für die nächste dreijährige Amtsdauer an: Neu für den Stiftungsrat wurden Pauline Wolters (Europ. Federation of City Farms, EFCF) und Dr. Andras Gaspardy (DAGENE und Vet.-Uni. Budapest, Ungarn) vorgeschlagen. Gabi Blümlein, Bonn, Deutschland, Imré Bodo, Szentendre, Ungarn; Jean-Emmanuel Eglin, Dasle, Frankreich und Prof.Dr. Andreas Georgoudis, Thessaloniki, Griechenland waren aus dem Stiftungsrat zurückgetreten. Die beiden noch nicht besetzten Plätze sind für eine Vertretung aus Südosteuropa und aus Südwesteuropa vorgesehen. Aus der Projektkommission verabschiedet wurden Joerg Bremond, Bonn, Deutschland; Dr. Boris Krska, Lednice, Czech Republic; Dr. Wieslaw Podyma, Blonie, Poland und Dr. Borut Stumberger, Circulane, Slovenia. Wir danken den zurückgetretenen Kolleginnen und Kollegen herzlich für ihr Engagement. Das Rahmenprogramm in Gent war sehr abwechslungsreich und kulinarisch interessant gestaltet: Anlässlich einer Stadtführung mit Degustationen wurde nicht nur die Geschichte der Stadt Gent humorvoll durchleuchtet, sondern auch Köstlichkeiten aus der Region degustiert. Den krönenden Abschluss bildete hierbei die "Gentse Waterzooi", eine aromatische Suppe mit Geflügel.

Belgische autochthone Nutztierrassen konnten am Samstag, 22.8. 2009 besichtigt werden: Ein Züchter der alten Flämischen Pferde führte die geschmeidige Eleganz dieser Riesen unter den Kaltblutpferden vor. Die Tiere wurden zum Teil von den Amish People in Kanada wieder repatriiert. Frans Vandenhende zeigte uns schliesslich die Flämische und die Kempens Ziege, autochthone Rassen Flanderns. Im Dorf Balegem schliesslich konnte die letzte in ganz Benelux noch aktive Bauernbrennerei von Genever, dem typischen Schnaps der Region besichtigt werden. Bereits zum 13. Mal fand am 23. August 2009 die Ausstellung "Levend Erfgoed Expo" in der Domein Puyenbroeck in Wachtebeke statt.

Diese Ausstellung, in der die belgischen autochthonen Nutztierrassen, Geflügel und Kleintiere wie Taubenrassen und Kaninchen sowie Hunderassen ausgestellt und verkauft werden, findet grosse Beachtung in der belgischen Bevölkerung. Es werden jedes Jahr tausende Besucher gezählt. Auch dieses Mal war der Andrang entsprechend gross. Mit einem Glas Champagner wurden die Teilnehmer des SAVE Jahrestreffens schliesslich in Wachtebeke durch den Vorsitzenden der SLE, Jan Martens, verabschiedet. Ein herzliches Dankeschön an Steunpunt Levend Erfgoed für die hervorragende Bewirtung und Betreuung bei diesem Jahrestreffen. Das SAVE Jahrestreffen 2010 wird voraussichtlich in Berlin-Brandenburg zusammen mit dem SAVE Partner VERN (Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg e.V.) stattfinden.


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Access and Benefit Sharing [ABS] der genetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft

Diese Rezension wurde im Hinblick auf das bevorstehende FAO Special Information Seminars "Policies and Arrangements for Access and Benefit-Sharing for Genetic Resources for Food and Agriculture" FAO, Rom, 17. Oktober 2009 (http://www.fao.org/fileadmin/templates/nr/documents/CGRFA/Programme_e.pdf) vorgenommen. Bestehen auf dem Sektor pflanzengenetische Ressourcen (PGR) schon weitgehend rechtliche Regelungen, so fehlen diese für tiergenetische Ressourcen (AnGR) bisher weitgehend.

Die wichtigsten Akteure und ihre Interessen in diesem Zusammenhang sind:
- Nationale Regierungen: Verpflichtungen gegenüber internationalen Systemen
- Agrobusiness: große Gewinn-Anteile in der Tierzucht
- Forschungsinstitute: wissenschaftliche Forschung auf vielen Ebenen
- Zivilgesellschaft und Tierhalter: zukünftige Lebens- und Einkommenssicherung

Die Letztgenannte Interessengruppe ist am stärksten von dieser Diskussion betroffen. Sie ist am wenigsten gesetzlich geschützt, aber für sie steht am Meisten auf dem Spiel. Daher ist es wichtig, dass Zivilgesellschaft und Tierhalter sich an der Diskussion um den Zugang zu den genetischen Ressourcen und gerechten Vorteilsausgleich [ABS] beteiligen, bevor neue Regelungen eingeführt werden.

Die wichtigsten Anliegen

Intellectual Property Rights - Recht am geistigen Eigentum zu PGR

Bei der Zucht neuer Pflanzensorten investieren Züchter Zeit und Geld. Daher sind sie daran interessiert, die Ergebnisse durch verschiedene Regelungen zu schützen. Ein Beispiel dafür ist der Sortenschutz (Plant Breeders' Right [PBR]), der die Exklusivrechte über eine entwickelte Sorte sichert. Bis 1991 wurde dieser Sortenschutz stets verlängert, zusammen mit einem "Rechte der Bauern"-System (Farmers' Rights), welches das Lagern von Saatgut und dessen Aussaat erlaubt. Unter dem Internationalen Vertrag für pflanzengenetische Ressourcen werden diese Rechte eingeschränkt.

Zugang und gerechter Vorteilsausgleich (Access and Benefit Sharing ABS)

Der Zugang (Access) sollte verstanden werden als der umfängliche Zugriff auf tiergenetische Ressourcen [AnGR] für alle Beteiligten - vom Landwirt bis hin zum Forscher. Vorteilsausgleich (Benefit Sharing) bedeutet eine Aufteilung aller durch AnGR geleisteten Vorteile - von wirtschaftlichen bis hin zu ökologischen - durch alle Beteiligten. Das Konzept des [ABS] wird in der Konvention über die biologische Vielfalt [CBD] als drittes Ziel genannt, das die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile der biologischen Vielfalt durch Maßnahmen wie Prior Informed Consent (vorgängige Zustimmung) und einvernehmlich festgelegte Bedingungen sicherstellt. ABS war ein vorrangiges Anliegen in dem Prozess, der zum internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen führte. Die Festlegungen wurden aufgrund der Tatsache getroffen, dass die Unterzeichnung des Artenschutz-Übereinkommens im Jahr 1992 eine Änderung der Souveränitätsrechte bewirkte. Dies bedeutete, dass PGR nicht mehr nur durch das sui generis Sortenschutzrecht geregelt wurde und führte zu oft zu strittigen Diskussionen, vor allem um die Rechte der Bauern. Diese Rechte sind jetzt in den Vertrag eingebunden, aber Regierungen sind verantwortlich für die Durchführung (s. FAQ Plant Treaty Website). (basierend auf Hiemstra, S.J. et al 2006 p23 NCCR workshop Präsentation durch Mäki-Tanila, MTT Agrifood Research, Finland)

Patentierung

Generell war das Patentrecht bisher nicht auf lebende Organismen bezogen. Allerdings wurden Pflanzenpatente in den USA bereits seit den 1930er Jahren gewährt. Nach den neuen Handelsgesetzen und im Licht der genetischen Modifizierung [GM] ist es möglich geworden, biologisches Material patentieren zu lassen. Die genetische Modifizierung ist ein technisches Verfahren und somit patentierbar. Ein Patent kann nur auf etwas Innovatives gewährt werden. Im Zusammenhang mit dem traditionellen Wissen über Tier- und Pflanzenzucht wurden viele Fragen zum Thema "Innovation nachweisen" aufgeworfen, und es wird befürchtet, dass Versuche unternommen werden, Wissen patentieren zu lassen, das Bestandteil der über 10'000 Jahre alten Zuchtgeschichte der Landwirtschaft ist. Lücken im rechtlichen Rahmen

Die o. a. wichtigsten Anliegen fallen unter drei internationale Regelungen:
- Landwirtschaft: durch das UN-FAO-System: Plant Treaty, GPAs
- Umwelt: durch die CBD und die "Bonn Guidelines"
- Handel: durch WTO / SPS / WIPO / TRIPS

Bezeichnenderweise gibt es für ANGR keinen Schutz unter einem auf menschliche Entwicklung basierten Regime wie die 2008 unterzeichnete "Konvention zum Immateriellen Kulturerbe" der UNESCO.

Unterschiede PGR und AnGR

Man könnte die Übertragung des bestehenden Systems von Pflanzen auf Tiere als eine sinnvolle Lösung sehen. Die Tabelle zeigt die wesentlichen Unterschiede zwischen PGR und AnGR und auch, warum die Diskussionen über den Zugang und gerechten Vorteilsausgleich [ABS] für den Vertrag über PGR nicht direkt auf einen Vertrag über AnGR übertragbar sind.

Tiergenetische Ressourcen

AnGR existieren in einem derzeit rechtlich unregulierten Status. Die Interlaken Deklaration und der Global Plan of Action [GPA] für ANGR wurden durch die Mitgliederstaaten der UN-FAO im September 2007 unterzeichnet. Es gibt bisher keinen Vertrag für AnGR.

Der laufende Prozess umfasst Verhandlungen über eine Finanzierungsstrategie für den GPA, einen möglichen Vertrag und, hier von grösserem Interesse, eine Regelung zum "Access and Benefit Sharing". Die Bonner Leitlinien (der CBD) sind mehr freiwillige Leitlinien als ein praktisches Werkzeug für Nationalstaaten, die ein ABS System einrichten wollen. Sie beziehen sich auf alle Arten von genetischen Ressourcen (auch wildlebende). Stellen diese auch einen nützlichen Rahmen dar, so beziehen sie sich nicht auf die spezifischen Fragen im Zusammenhang mit AnGR.

Daher ist es wichtig, sich hier auf die Hauptanliegen der AnGR zu konzentrieren:
- Interessengruppen im Bereich Nutztiere haben wenig Bewusstsein für ABS
- Viele Betroffene sehen keine Notwendigkeit und Dringlichkeit für die das Thema
- Die Stakeholder fürchten, dass neue Regelungen alles noch komplizierter machen
- Die Unterschiede zwischen Interessenvertretern "Industrie" und "Tierhalter" sind gross

(Hiemstra, 2008, Präsentation am NCCR Workshop "Rights to Animal Genetic Resources", Nov. 2008, World Trade Institute, Berne)

Die Eigentumsverhältnisse der AnGR sind auf subtile Weise anders als die der PGR. Die genetischen Ressourcen eines Tieres sind in ihm selbst enthalten und somit auch im Marktwert jedes einzelnen Tieres. Pflanzensorten werden durch Klonen oder Hybridisierung exakte Kopien der Mutterpflanze. Damit wird das Eigentum an der genetischen Ressource besser nachvollziehbar. Das trifft teilweise auch für Geflügel zu. Ansonsten ist aber jedes Tier eine völlig einzigartige Kombination von genetischen Ressourcen, was die Eigentumsverhältnisse komplex macht. Innerhalb von Weidehaltungssystemen werden AnGR gemeinsames Eigentum, in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft sind die Landwirte selbst Eigentümer dieser AnGR - nur in der Zucht industriellen Maßstabes ist der Zuchtbestand Eigentum der Unternehmen und nicht der Bauern selbst.


Nützliche Adressen für weitere Informationen:

Convention on Biological Diversity http://www.cbd.int/
Ivankovic, M., Analysis of applicability of ABS principles on AnGR, MSc thesis, Centre for Genetic Resources, Wageningen University, 2008
"Leipzig: make or break?", Seedling, March 1996 http://www.grain.org/seedling/?id=149
State of the World's Animal Genetic Resources for Food and Agriculture, FAO 2007
The Plant Treaty Website (esp. FAQs) http://www.planttreaty.org
UNESCO Convention on Intangible Heritage, http://www.unesco.org/culture/ich
Wolff, F., Legal Factors Driving Agrobiodiversity Loss, Environmental Law Network International, 1/2004

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Kurznachrichten

7. Sitzung der Deutschen ECPGR Kerngruppe

Am 12.Mai 2009 fand die 7. Sitzung der Kerngruppe der Expertengruppe zum Europäischen Kooperationsprogramm pflanzengenetischer Ressourcen (ECPGR) des Beratungs- und Koordinierungsausschusses für genetische Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflanzen (BEKO) im Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, in Quedlinburg statt.

- Beschluß der letzten Sitzung des ECPGR Steering Committee: Die Arbeit der Task Forces des In-situ and On-farm Conservation Network als Arbeitsgruppen zu Wild Species Conservation in Genetic Reserves und On-Farm Conservation and Management wird weitergeführt.

- Zum Stand des AEGIS-Projektes (A European Genebank Integrated System) und 7. Forschungsrahmenprogramm: Im Arbeitsprogramm 2010 des 7. Forschungsrahmenprogrammes ist ein Thema zu "Plant Genetic Resources Centres" enthalten, unter dem ein Projektantrag zur Etablierung von AEGIS eingebracht wird.

- Der Stand zu EPGRIS 3 (siehe SAVE eNews 3/2007) wurde besprochen: aufgrund der speziellen Natur ist die Dokumentation in diesem Bereich schwierig. Im Rahmen von EPGRIS 3 soll ein Vorschlag erarbeitet werden, wie künftig eine Verbesserung erreicht werden kann. Hierzu fand am 7. Mai 2009 ein Workshop in Bonn statt. Weitere Informationen unter http://www.epgris3.eu/.

- European Conference on Ensuring Seed Availability in the 21st Century vom 18. März 2009 in Brüssel: Ziel der Konferenz mit ca. 200 Teilnehmern aus ganz Europa war es, die Ergebnisse den verschiedenen betroffenen Akteuren vorzustellen, die Empfehlungen aus der Evaluierung zu diskutieren und Hinweise für eine Modifizierung zu erhalten. http://ec.europa.eu/food/plant/propagation/evaluation/index_en.htm

mit Dank an Ullrich Schulze


Reformierung der Saatgutgesetzgebung in Europa

Die europäische Saatgutgesetzgebung wird reformiert. Es ist zu hoffen, dass die Vielfalt bei der neuen Gesetzgebung berücksichtigt wird. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass Themen wie landwirtschaftlich gewonnenes Saatgut ausreichend angesprochen werden.Quelle: Bioversity Newsletter for Europe, issue no. 38: http://ec.europa.eu/food/plant/propagation/evaluation/index_en.htm


Charles Darwin (1809-1882)

2009, dem 150. Jahrestag der Veröffentlichung des Buches "Über die Entstehung der Arten", kann der Name Charles Darwin nicht ignoriert werden. Charles Darwin hat die Evolutionstheorie aufgestellt und uns inspiriert, die Welt auf neue Weise zu betrachten. Von 1831-1836 umsegelte Darwin die Weltmeere mit der HMS Beagle. Er reiste von England nach Brasilien, Patagonien, Tierra del Fuego, Chile, Peru und dann weiter zu den Galapagos Inseln, Australien, Neuseeland und Südafrika bevor er nach England zurückkehrte. Als Darwin von seiner Reise heimkam, testete er seine Theorien über die Selektion an der Zucht von Tauben und pflanzte verschiedene Gemüse in seinem Garten. Er korrespondierte auch mit vielen Züchtern von Nutztieren und Landwirten, die Getreide und Kohl anbauten.

In seinem Buch "Über die Entstehung der Arten", gibt Darwin ein Beispiel über die Ergebnisse bei der Selektion von Kohl. Aus wild wachsenden Pflanzen wurden durch Zuchtauswahl Sorten entwickelt. Beim Weisskohl sind es die Blätter, beim Rosenkohl die Seitenknospen und beim Blumenkohl ist es die Blüte, die den essbaren Teil bildet und überentwickelt groß ist. Zunächst selektierten die Menschen die essbaren Pflanzen in der Natur, aber sie pflanzten sie nicht an. Mit Beginn des Ackerbaus, nutzten sie die Selektion zur Zucht.

Gemäss Darwin, ist der Anbau von Pflanzensorten und die Zucht verschiedener Haustierrassen eine Möglichkeit aufzuzeigen, dass die Evolutionstheorie in der Natur vorkommt. Variation unter Domestizierung ist nicht wirklich anders als Variation in der Natur. Es ist alles eine Frage des Überlebens und der Anpassung an die Umwelt. Das Schlüsselwort heißt Überleben. Auswahl wird verwendet, um zu überleben. An die Umgebung angepasste Pflanzen und Tiere entwickeln sich gut. Der Mensch hat gelernt, dass Pflanzen und Tiere eine Quelle für Nahrung, Kleidung, Medizin, Energie usw. sind und so selektierte er und züchtete Tiere oder Pflanzen mit besonderen Eigenschaften. Aber bis vor kurzem tat dies der Mensch auf Kosten des natürlichen Gleichgewichtes. Landwirtschaft wurde zu einer Monokultur mit hohem Output. Durch Zucht degenerierten Tiere. Die Vielfalt der Arten verschwand und damit auch viele Sorten und Rassen. Es ist wichtig, die Vielfalt der Natur neu zu entdecken. Selektion ist nur möglich, wenn es etwas zum Auswählen gibt. Nachhaltige Landwirtschaft gibt natürlichen Prozessen eine Chance und erhält die biologische Vielfalt - das steigert die Möglichkeiten des Überlebens.

mit Dank an Dr. Ank Zegwaard, SZH


Spenden-Aufruf zur Rettung der Wasserbüffel in Transkarpatien

Die Karpaten-Büffel sind in Europa etwas ganz besonderes, weil sie sich an raues Klima und steinigen Boden angepasst haben. In Transkarpatien gibt es nur noch 38 Tiere! Zusammen mit der dortigen Initiative zum Erhalt seltener Haustierrassen in den Karpaten e.V. bauen wir die Zucht neu auf. Danke, dass Sie uns dabei helfen! Jeder Betrag, ob gross oder klein, hilft (Spendenbestätigung ab 100). Näheres siehe: www.save-foundation.net/deutsch/spenden.htm


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Veranstaltungen (Auszug)

29. Sept.: Europäischer Tag der AgroBiodiversität (EAD). PR-Anlass zur Förderung der AgroBiodiversität. Verschiedene Aktivitäten der SAVE Netzwerk-Organisationen und anderer Stakeholder, dieses Jahr zum Thema "Arche-Einrichtungen" in ihren jeweiligen Ländern. eMail: info@monitoring.eu.com

1.-3. Oktober: Konferenz "Alte Sorten und Rassen - Erhaltung und Biodiversität in der Landwirtschaft" in Bachotek, Polen (zwischen Torun und Olsztyn). Contact: info@ddoir.org.pl, Web: http://www.ddoir.org.pl

2.-3. Okt.: Erstes Obst-Festival in den rumänischen Karpaten mit internationalen Workshops, in Odorheiu Secuiesc, Rumänien. www.civitas.ro, Kontakt: istvanmar@civitas.ro

2.-4. Oktober: Internat. Konferenz "Die Esel- und Maulesel-Kultur: Kampf ums Überleben in der modernen Zeit". Insel Hydra (bei Athen), Griechenland. arsenosg@vet.auth.gr,

10.-12. Oktober: Europom 2009 in Bilzen (Limburg), Belgien; http://www.europom.be Kontakt: info@boomgardenstichting.be,

12.-16. Oktober: Konferenz "Pflanzenerhaltung im nächsten Jahrzehnt", royal Botanical Gardens, Kew, Grossbritannien. Web: http://www.kew.org

28.-29. Okt.: TERRA MADRE Österreich: Internat. Biodiversitäts-Kongress und "Markt der Vielfalt" in Wien, Österreich. info@arche-noah.at, Web: http://www.slowfoodwien.at

7. November: Fachkurs Erhaltungszucht gefährdeter Nuttierrassen, Aarau Schweiz. Kontakt: philippe.ammann@prospecierara.ch

9.-13. November: 2009 TDWG Jahreskonferenz "e-Wissen über Biodiversität und Landwirtschaft". Montpellier, Frankreich. Kontakt: tdwg2009@agropolis.fr, Web: http://www.tdwg.org/conference2009

13. November: SWIFCOB 9-Tagung "Vielfalt statt Einfalt: Biodiversität wirkt", in Bern, Schweiz. Kontakt: pauli@scnat.ch

13.-15. November: Internationales Pomologentreffen auf dem Arenenberg TG, Schweiz. Kontakt: klaus.gersbach@gmx.ch, Web: http://www.fructus.ch


Sie können die SAVE eNews auch von folgender URL als PDF herunterladen:
http://www.save-foundation.net/deutsch/PDF/news/SAVE_eNews_09_3de.pdf

Den Inhalt des Newsletters finden Sie zudem auf der Aktualitätenseite unseres Webauftrittes:
http://www.save-foundation.net/deutsch/aktuell.htm


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Quelle:
SAVE eNews 3/2009, 25.09.2009
Elektronischer Infodienst der SAVE Foundation
Herausgeber:
SAVE Foundation, Head Office
Joseph-Belli-Weg 5, D-78467 Konstanz, Deutschland
E-Mail: office@save-foundation.net
Internet: http://www.save-foundation.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2009