Deutsche Umwelthilfe e.V.
Pressemitteilung - Dienstag, 29.04.2025
Meeresnaturschutzgebiete massiv geschädigt: Umweltschutzorganisationen reichen rechtliche Beschwerde bei EU-Kommission gegen Deutschland, Frankreich und Italien ein
• Deutschland, Frankreich und Italien brechen systematisch europäisches Umweltrecht, indem sie zerstörerische Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten zulassen
• 15 europäische Naturschutzgebiete betroffen - darunter vier Schutzgebiete vor den Küsten Schleswig-Holsteins, Niedersachsens und Mecklenburg-Vorpommerns
• Steigender Druck vor UN-Meereskonferenz in Nizza: Umweltschutzorganisationen fordern EU-Kommission mit Beschwerde auf, Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mitgliedsstaaten einzuleiten und Verstöße vor Europäischen Gerichtshof zu bringen
Brüssel, 29.4.2025: Eine Koalition aus Umweltschutzorganisationen,
darunter die Environmental Justice Foundation (EJF), Blue Marine
Foundation, ClientEarth, Défense des Milieux Aquatiques (DMA) und die
Deutsche Umwelthilfe (DUH) haben heute bei der Europäischen Kommission
eine Beschwerde gegen Deutschland, Frankreich und Italien eingereicht.
Nach Ansicht der Organisationen verstoßen die drei EU-Mitgliedstaaten
schwerwiegend und systematisch gegen europäisches Umweltrecht, indem
sie es versäumen, empfindliche marine Ökosysteme effektiv zu schützen
und Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten nicht verbieten.
Die Umweltschutzorganisationen fordern die Europäische Kommission auf,
ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten und die aufgeführten
Fälle vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bringen.
Obwohl EU-Umweltschutzgesetze - darunter die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) - eigentlich dem Schutz mariner Arten und Lebensräume dienen sollen, sieht die Realität anders aus: In ganz Europa erlauben Regierungen weiterhin zerstörerische Fischereimethoden in Meeresschutzgebieten, insbesondere die Grundschleppnetzfischerei. Diese schleift den Meeresboden großflächig ab und zerstört dabei empfindliche Lebensräume. Das Ausmaß ist alarmierend: In 85 Prozent der deutschen, 77 Prozent der französischen und 44 Prozent der italienischen Natura-2000-Gebiete im Meer findet weiterhin Grundschleppnetzfischerei statt - obwohl diese Gebiete eigentlich Rückzugsräume für Flora und Fauna sein sollen.
Die gemeinsame Beschwerde konzentriert sich auf 15 marine Natura-2000-Gebiete, in denen industrielle Grundschleppnetzfischerei weiterhin ungehindert betrieben wird - mit verheerenden Folgen für empfindliche Lebensräume wie Riffe, Seegraswiesen und Sandbänke. In mehreren Ländern laufen bereits nationale Klageverfahren wegen anhaltender Grundschleppnetzfischerei - obwohl klare rechtliche Verpflichtungen nach der FFH-Richtlinie und weiteren EU-Vorgaben bestehen.
Marie Colombier, Senior Ocean Campaigner bei EJF: "Wir fordern die Europäische Kommission auf, entschlossen und unverzüglich zu handeln: Leiten Sie ein Vertragsverletzungsverfahren ein, setzen Sie EU-Recht durch und beweisen Sie, dass der derzeit entwickelte 'Ocean Pact' mehr ist als nur ein leeres Versprechen. Diese rechtlichen Verpflichtungen sind kein Wunschkonzert. Wenn wir sie nicht durchsetzen, bedeutet dies die Zerstörung unserer Meeresfauna, der Gesundheit unserer Ozeane und der Zukunft der Küstenfischerei in ganz Europa."
Svane Bender, Leiterin Naturschutz bei der DUH:
"Grundschleppnetzfischerei beschädigt das fragile Ökosystem des
Wattenmeeres - in klarem Widerspruch zum offiziellen Schutzstatus.
Deutsche Behörden haben bereits im vergangenen Jahr bestätigt, dass
Grundschleppnetzfischerei die größte Beeinträchtigung für marine
Lebensräume in der Nordsee ist - handeln aber nicht entsprechend. Auch
in der Ostsee hat diese Methode wesentlich zum Zusammenbruch
kommerzieller Fischbestände beigetragen und findet nach wie vor statt.
Das behindert die Erholung von Natur und der lokalen Fischerei
gleichermaßen."
Philippe Garcia, Präsident von DMA:
"Obwohl die entsprechenden Gesetze seit 1992 gelten, befinden sich 90
Prozent der marinen Schutzarten und -lebensräume in Frankreich
aufgrund der fehlenden Umsetzung dieser weiterhin in schlechtem
Zustand. Es ist offensichtlich, dass die bisherigen Maßnahmen nicht
ausreichen. Die Behörden müssen jetzt dringend und konkret handeln, um
den fortschreitenden Verlust von Biodiversität und Produktivität in
der Fischerei zu stoppen."
Dr. Giulia Bernardi, Senior Italy Projects Manager bei Blue Marine
Foundation:
"Es ist höchste Zeit, unseren Meeresschutzgebieten eine echte Chance
zur Erholung zu geben. Grundschleppnetzfischerei ist mit geltendem
Recht unvereinbar - wir brauchen dringend Klarheit und die konsequente
Umsetzung durch die italienischen Behörden. Das schützt die
biologische Vielfalt und ermöglicht gerade kleinen Fischereibetrieben,
langfristig von der Erholung dieser entscheidenden Lebensräume zu
profitieren."
Link:
Weitere Informationen zur gemeinsamen Beschwerde und den beteiligten
Umweltschutzorganisationen
https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Naturschutz/Fischereipolitik/Anhang_PM_Complaint_Grundschleppnetze.pdf
Die englische Pressemitteilung finden Sie hier:
ejfoundation.org/news-media/eu-faces-legal-complaint-as-france-germany-italy-leave-protected-marine-areas-open-to-destruction
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Quelle:
Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)
Pressemitteilung, 29.04.2025
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Tel.: 030/25 89 86-0, Fax.: 030/25 89 86-19
Internet: www.duh.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 2. Mai 2025
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