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FORSCHUNG/542: Rund ein Viertel weniger Feuchtgebiete in 300 Jahren (idw)


Georg-August-Universität Göttingen - 08.02.2023

Rund ein Viertel weniger Feuchtgebiete in 300 Jahren


Die Trockenlegung von natürlichen Feuchtgebieten hat die Nutzung durch Land- und Forstwirtschaft sowie den Torfabbau begünstigt, allerdings auch großen Einfluss auf Treibhausgasemissionen, Hochwasserschutz, Nährstoffflüsse und Biodiversität. In einer globalen Studie hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Stanford University rekonstruiert, wo und wann zwischen den Jahren 1700 und 2020 Feuchtgebiete umgewandelt wurden und für welchen Zweck dies geschah.


Foto: © Kirill Shakhmatov

Das Orshinski Mokh-Feuchtgebiet in der Provinz Tver in Russland. Ein Viertel des Feuchtgebietes wurde zwischen 1950 und 1990 trockengelegt für den Abbau von Torf, der als Brennstoff zur Energieversorgung einer benachbarten Siedlung genutzt wurde.
Foto: © Kirill Shakhmatov

Die Universität Göttingen war an der Studie unter anderem mit Informationen zu landwirtschaftlichen Entwässerungsvorhaben sowie zu Drainagen im Bewässerungslandbau beteiligt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature erschienen.

Das Team konnte zeigen, dass in dem untersuchten Zeitraum mindestens 3,4 Millionen Quadratkilometer Feuchtgebiete meist für die Nutzung als Ackerland umgewandelt wurden: eine Fläche, die etwa der Größe Indiens entspricht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schätzen, dass Feuchtgebietsökosysteme in den vergangenen 300 Jahre durch menschliche Eingriffe um etwa 21 bis 35 Prozent zurückgegangen sind. Das ist weit weniger als die in früheren Studien geschätzten Verluste von 50 bis 87 Prozent. Die niedrigere Schätzung ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass sich die Studie nicht nur auf Stichproben aus Regionen mit historisch hohen Feuchtgebietsverlusten konzentriert. Der Verlust von Feuchtgebieten war am stärksten in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit regionalen Schwerpunkten in Europa, den USA und China. Mehr als 80 Prozent der ehemals vorhandenen natürlichen Feuchtgebiete wurden in Irland, Ungarn, Litauen, Deutschland und Italien trockengelegt. Generell sind die ehemaligen Feuchtgebiete in den gemäßigten Breiten besonders stark betroffen, während die abgelegenen boreal-arktischen Torfgebiete vergleichsweise unversehrt geblieben sind.


Weltkarte mit farbigen Einträgen - Grafik: © Universität Göttingen

Verlust der Feuchtgebiete weltweit in den vergangenen 300 Jahren.
Grafik: © Universität Göttingen

"Die Ergebnisse dieser ersten systematischen, datenbasierten Erfassung des Ausmaßes des Verlustes von Feuchtgebieten weltweit für einen so langen Zeitraum sind sehr bedeutsam", sagt Prof. Dr. Stefan Siebert vom Department für Nutzpflanzenwissenschaften der Universität Göttingen, der an der Studie beteiligt war. "Sie tragen einerseits zum besseren Verständnis der Ursachen bei. Andererseits ermöglichen uns die neuen Daten, in Folgestudien die Wirkung dieser Landnutzungsänderungen zum Beispiel auf den Klimawandel, den Verlust an Biodiversität aber auch auf Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft besser zu quantifizieren." Damit wird eine weitere bisher vorhandene Lücke zum Einfluss von Landnutzungsänderungen geschlossen. "In vielen Ländern verzeichnen wir einen dramatischen Rückgang natürlicher Feuchtgebiete, auch wenn der Gesamtverlust global geringer ist als zuvor vermutet", so Siebert. "Dies sollte unsere Motivation noch einmal erhöhen, die noch verbliebenen Feuchtgebiete zu schützen und zu erhalten."

Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Agrarwissenschaften
Department für Nutzpflanzenwissenschaften
Abteilung Pflanzenbau
Internet: http://www.uni-goettingen.de/pflanzenbau

Originalpublikation:
Etienne Fluet-Chouinard et al. Extensive global wetland loss over the past three centuries.
Nature, DOI 10.1038/s41586-022-05572-6,
https://doi.org/10.1038/s41586-022-05572-6.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Georg-August-Universität Göttingen - 08.02.2023
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 10. Februar 2023

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