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INITIATIVE/312: Lokale Bevölkerung auf Sumatra im Kampf gegen Papiergiganten (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

tropenwald
Gewalt für Papier auf Sumatra

Von Peter Gerhardt


Dede Kunaif ist Campaigner der indonesischen Nichtregierungsorganisation Kabut. Kabut informiert über die Auswirkungen der Papier- und Palmölindustrie in der Provinz Riau in Sumatra. Außerdem ist Dede Ansprechpartner in Südostasien für das Environmental Paper Network ( EPN).

? Hast du noch Hoffnung, dass wir einige Wälder in Indonesien vor dem Kahlschlag retten können?

! Manchmal könnte man in unserem Kampf tatsächlich die Hoffnung verlieren. Aber ich habe noch nicht aufgegeben, sonst würde ich mich nicht für den Waldschutz engagieren. Letztendlich sollte man etwas machen, an das man glaubt. Und ich glaube, dass es wichtig ist, für den Erhalt der letzten Wälder, ja sogar der letzten Bäume, zu kämpfen. Wir haben einen längeren Atem als Regierung und Konzerne, die nur auf kurzfristige Gewinne zielen und die Nutznießer der Zerstörung sind. Ich werde weiter kämpfen und alles tun, was in meiner Macht steht, um diesen Wahnsinn zu stoppen.

? Mit welcher Strategie können Umweltorganisationen den Kampf der Menschen gegen die Palmöl- und Papierkonzerne am besten unterstützen?

! Die indonesischen Umweltorganisationen sind sich einig, dass der lokalen Bevölkerung eine Schlüsselrolle bei der Erhaltung der Wälder zukommt. Deshalb versuchen wir, wo immer es in unserer Macht steht, die Menschen vor Ort bei Auseinandersetzungen gegen die großen Waldzerstörer zu unterstützen. Wir entwickeln mit ihnen gemeinsam unabhängige Einkommensquellen, denn letztendlich ist es doch so: Nur mit einem vollen Magen lässt sich über Waldschutz nachdenken.

? Wie können wir von Europa aus euer Engagement unterstützen?

! Es gibt viele Möglichkeiten. Zunächst könnt ihr uns bei unseren Recherchen vor Ort unterstützen, denn nur wenn wir die Übeltäter auch kennen, können wir effektive Kampagnen entwerfen. Und dann sollten wir gemeinsam den Kunden, z.B. in Deutschland, von dem schmutzigen Geschäft mit Palmöl oder Papier aus Indonesien berichten. Ich weiß, dass klingt ein bisschen naiv - aber ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn wir unsere Botschaft wiederholen und wiederholen, uns die Unterstützung der Käufer von diesen Produkten gewiss ist.

? Wie ist die Situation in der Provinz Riau, dort wo du auf Sumatra lebst?

! Früher hatten wir zwei Jahreszeiten: Regen und Trockenzeit. Heute sind noch zwei weitere dazu gekommen: Feuerzeit und Flut. Von 6,4 Millionen Hektar Wald, die wir 1982 noch hatten, sind uns 25 Jahre später nur noch 2,2 Millionen Hektar geblieben. Keine Region in Indonesien verliert schneller ihren Wald. Die Papiergiganten APP und APRIL und die vielen Palmöl-Konzerne fressen unseren Wald auf. Riau gilt als reiche Region. Durch die großen Konzerne sind die Steuereinnahmen gut, bei uns gibt es Bodenschätze, z.B. Erdöl. Aber dieser Reichtum kommt bei weiten Teilen der Bevölkerung nicht an. Wir lösen mit unserem Palmöl eure Energieprobleme und haben selbst nur drei Stunden Strom am Tag. Das soll gerecht sein?

Wir zahlen einen hohen Preis für diese Art der Entwicklung, kämpfen gegen Überflutungen, Rauch erstickt unsere Lungen und eine nie da gewesene Hitze von 40 Grad macht das Leben im Freien unerträglich. Der Wald als Klimaanlage und Wasserpuffer ist eben nicht mehr da. Und manche verlieren im Kampf gegen die Industrie sogar ihr Leben. Investoren, Konzernchefs und Banker schert das einen Dreck, sie sitzen derweil in klimatisierten Räumen und freuen sich über ihre Profite.

? Die Papier- und Palmölkonzerne sind die Haupttäter bei der Waldzerstörung. Sind diese überhaupt zu zähmen?

! Wir sollten die Globalisierung für unsere Ziele nutzen. Ein Boykott bei euch erhöht nicht nur den Druck auf die Konzerne, sondern auch auf unsere Regierung. Diese wird dann hoffentlich gezwungen sein, den Tropenwaldzerstörern die Nutzungsgenehmigungen zu entziehen.

? Vor kurzem sind Menschen getötet worden, die sich gegen den Papier-Giganten APRIL widersetzt haben. Kannst du uns von diesem traurigen Ereignis berichten?

! Die Menschen dort kämpfen um 1.000 Hektar Ackerfläche, die sich SSL, eine Tochterfirma von APRIL, unter den Nagel gerissen hat. Der Konzern reagierte auf den Widerstand des Dorfes am 28. Mai 2009 mit Geiselnahmen durch seine Sicherheitskräfte.

Weil die DorfbewohnerInnen sich diesen Terror nicht gefallen lassen wollten, kam es noch am gleichen Tag zu einer Auseinandersetzung. Drei Stunden später versammelten sich die Menschen wieder in ihrem Dorf und bemerkten, dass 16 Menschen verletzt waren und drei Mitstreiter fehlten. Zwei davon trieben am folgenden Tag tot auf einem Wasserversorgungs-Pool von SSL. Die dritte Person wurde schwer verletzt aufgefunden und starb am folgenden Tag. SSL spricht von einem Unfall und behauptet, die beiden Männer seien wahrscheinlich in dem Pool ertrunken. Zur Darstellung der Firma passt aber nicht, dass die Leichen schwerste Verletzungen aufwiesen und ausgeschlagene Zähne hatten.

Auch die nationale indonesische Menschenrechtskommission widerspricht nach einem Bericht der Zeitschrift "Tempo" vom 15. Juni 2009 der Darstellung von SSL und stützt damit die Darstellung der Dorfbewohner, dass die Opfer von SSL-Leuten getötet wurden.

? Eine furchtbare Vorstellung. Wie sollen wir jetzt handeln?

! Die Kunden in Deutschland sollen wissen, mit welcher Gewalt die Papierindustrie gegen Menschen und Umwelt in unserem Land vorgeht. Bitte verzichten Sie auf Papier aus Indonesien!

Peter Gerhardt ist Tropenwaldreferent von ROBIN WOOD in Hamburg, Tel.: 040/38089218, tropenwald@robinwood.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
• Dede Kunaif von der indonesischen NGO Kabut im Gespräch mit Peter Gerhardt, ROBIN WOOD
• Raubbau für Papier in der Provinz Riau auf Sumatra. Die Papiergiganten APP und APRIL schrecken auch vor Gewalt nicht zurück, um ihre Interessen gegen die Bevölkerung durchzusetzen


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 102/3.2009, S. 36-37
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2009