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INITIATIVE/358: Tagfalteruntersuchungen - Für mehr Naturschutz und Schmetterlinge in der Stadt (BUND BW)


BUND Landesverband Baden-Württemberg - 16. Juni 2015

Studie: Tagfalteruntersuchungen

Für mehr Naturschutz und Schmetterlinge in der Stadt

Der BUND und die Wilhelma ziehen Bilanz über ihre Kooperation in Stuttgarter Grünanlagen. Ergebnisse über die ersten fünf Jahre liegen vor.


Stuttgart. Immer mehr Menschen leben in Städten. Gleichzeitig geht die Artenvielfalt zurück. Dagegen kann man angehen: Grünflächenämter können durch eine naturnahe Pflege von Gärten und Parks dem entgegen wirken. Wichtig ist, artenreiche Wiesen mit heimischen Blütenpflanzen anzulegen, die Insekten und Schmetterlinge anziehen. Der BUND Baden-Württemberg und der Zoologisch-Botanische Garten Wilhelma engagieren sich seit 2010 für attraktivere Lebensräume für Schmetterlinge. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, welche positiven Entwicklungen das Engagement und die veränderte Grünpflege gebracht haben.


Jutta Schneider-Rapp mit Fangnetz auf blühender Wiese - Foto: © BUND/Angela Koch

Die Ehrenamtliche Jutta Schneider-Rapp zählt und bestimmt Schmetterlinge für den BUND Baden-Württemberg.
Foto: © BUND/Angela Koch

Fast 80 Prozent der Menschen leben in Deutschland heute in Städten. Tendenz steigend. Für sie ist der Kontakt mit dem urbanen Grün oft die einzige Naturerfahrung. Gleichzeitig bleibt Pflanzen und Tieren immer weniger Lebensraum. Trotz Parks, Grünstreifen oder Gärten gibt es beispielsweise für Schmetterlinge zu wenige geeignete Biotope. Die Zukunftsfragen lauten: Wie können wir mit der Natur in der Stadt so umgehen, dass Mensch und Tier sich wohlfühlen? Was können Verwaltung, Grünflächenämter und Bürgerinnen und Bürger unternehmen, um dem Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen?

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e.V., und der Zoologisch-Botanische Garten Wilhelma haben 2010 das Projekt Lebensraum Schmetterlingswiese begonnen, um die "Grünen Wüsten" ausgewählter intensiv gepflegter Parkbereiche zu Tagfalterbiotopen zu entwickeln. Die Kooperationspartner haben acht zentrale Wiesen in Stuttgart ausgewählt, die sich für eine Entwicklung hin zu schmetterlingsfreundlicheren Wiesen eignen. Um die Anzahl und den Artenreichtum von Schmetterlingen zu erhöhen, hat der Fachbereich Parkpflege der Wilhelma ein naturnahes Pflegekonzept eingeführt:


Gefangener Schmetterling in Plastikbehälter - Foto: © BUND/Julia Ellerbrock

Wenn die KartiererInnen nicht gleich die Art erkennen, nehmen sie den Schmetterling genauer unter die Lupe.
Foto: © BUND/Julia Ellerbrock

Neues Pflegekonzept: Seltener Mähen. Wenig Düngen. Mehr Wildblumen

"Die ausgewählten Wiesen mähen wir seit dem Projektstart nur noch zwei Mal im Jahr und düngen sie nicht mehr oder nur noch selten", sagt Micha Sonnenfroh, Fachbereichsleiter Parkpflege der Wilhelma. "Außerdem haben wir in ausgewählten Bereichen Wildblumen ergänzend ausgesät, die Insekten wie Schmetterlinge anlocken. Bei jeder Mahd sparen wir Nektarinseln aus, damit die Blüten nicht auf einmal abwelken und die Falter abwandern müssen. Nun blüht allerlei vom Wiesensalbei, Margerite oder Rotklee im Rosensteinpark.


Sylvia Pilarsky-Grosch (BUND) im SWR-Interview - Foto: © BUND/Julia Ellerbrock

Sylvia Pilarsky-Grosch (BUND) und Micha Sonnenfroh (Wilhelma) ziehen Bilanz über das Kooperationsprojekt "BUND-Wilhelma-Schmetterlingswiesen."
Foto: © BUND/Julia Ellerbrock

Diese Wiesen hat die Biologin Claudia Kricke in Auftrag des BUND Baden-Württemberg wissenschaftlich untersucht. Freiwillige Kartiererinnen und Kartierer haben die Falter auf den acht Projekt- und acht Vergleichswiesen beobachtet, gezählt und bestimmt. So wie Jutta Schneider-Rapp, die mit ihrem Sohn eine Wiese in Stuttgart-Vaihingen regelmäßig abschreitet: "Wir laufen immer denselben 200 Meter langen Zickzack-Kurs über die Wiese und schauen links und rechts, ob und welche Falter wir erspähen. Allerdings können wir nur bei gutem Wetter raus. Es darf wenig wolkig und windig sein. Sonst fliegen die Falter nicht", sagt Schneider-Rapp.

Ergebnisse der Tagfalter-Studie

"Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, wie wichtig eine extensive Grünflächenpflege ist, um die Artenvielfalt und den Naturschutz zu fördern. Auf den naturnah gepflegten Wiesen summt und brummt es wieder. Die Vielzahl an Blumen lockt Insekten an und Schmetterlinge finden hier vermehrt Schutz und Nahrung", sagt Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesgeschäftsführerin des BUND.

Durch ein modifiziertes Mahdregime, vielfältigere Ansaat und Altgrasinseln kann man Artenvielfalt fördern. Auf allen Projektflächen war sowohl die Artenvielfalt als auch die Anzahl der Falter höher als auf den Vergleichsflächen. Es konnten 20 Tagfalter-Arten nachgewiesen werden, darunter fünf Arten, die in Baden-Württemberg auf der Vorwarnliste stehen - also Arten, die zwar noch nicht vom Aussterben bedroht sind, die aber bei Verschlechterung der Umweltbedingungen künftig gefährdet sein könnten. (Weitere Ergebnisse/Hintergrundinformationen s. unten.)

Kooperationsprojekt für private Gärten und Kommunen

Andere Städte und Gemeinde können ebenfalls von den Erfahrungen profitieren und etwas für den Naturschutz in der Stadt tun: Die Wiesenpflege sollte sich auf ein bis drei Schnitte im Jahr beschränken und das Mähgut sollte abgeräumt werden. Auch Bürgerinnen und Bürger können heimische Pflanzen in ihren Gärten und Balkons aussäen und ein wenig mehr Wildnis zulassen. "Wir wünschen uns, dass mehr kommunale Grünflächenämter im ganzen Land ihre Verantwortung für die biologische Vielfalt erkennen und der Natur in der Stadt mehr Raum geben. Zwar gibt es Flächen, wo der häufig gemähte Sportrasen sinnvoll ist. In Parks und auf Straßenböschungen brauchen wir aber wieder Wiesen mit Salbei und Knautie, wo Schmetterlinge Nektar finden. In Stuttgart haben wir gezeigt, dass dies geht und dass es sich lohnt, Naturschutz mitten in der Stadt umzusetzen", sagt Sylvia Pilarsky-Grosch.

Ehrenamtliche Gesucht

Der BUND Kreisverband Stuttgart sucht Ehrenamtliche, die gerne Schmetterlingswiesen kartieren lernen und später für den BUND kartieren möchten.

Kontakt:
Silvia Hämmerle, info@bund-stuttgart.de

Entdecken - Spaziergang mit Falterkunde

Der BUND Kreisverband Stuttgart bietet Spaziergänge zum Entdecken und Kennenlernen der Schmetterlingswiesen und Falter an.

• 19. Juli 2015, 14:00 - 17:00
Treffpunkt: Treffpunkt S-Bahn Uni Vaihingen

• 13. Sept. 2015, 14:00 - 17:00
Treffpunkt: Unterer Eingang Wilhelma

• 11. Oktober 2015, 14:00 Uhr - 17:00 Uhr
Treffpunkt: Treffpunkt Grabkapelle Rotenberg

Anmeldung:
Silvia Hämmerle, info@bund-stuttgart.de

Raute


Hintergrundinformationen zur Schmetterlings-Kooperation von BUND und Wilhelma in Stuttgart

Projektbeginn: Frühjahr 2010
Projektlaufzeit: mind. bis Ende 2015

Projektbeteiligte:
- BUND Landesverband Baden-Württemberg e. V.
- Wilhelma, Zoologisch-Botanischer Garten Stuttgart, Fachbereich Parkpflege
- Erwin Rennwald, Biologe, Rheinstetten

Projektflächen in Stuttgart:
- Wilhelmapark, Wiese bei Geieranlage
- Rosensteinpark, Wiese unter Bäumen
- Rosensteinpark, Extensivfläche an der Meierei
- Unterer Schlossgarten, Wiese am Karlsgarten
- Unterer Schlossgarten, Wiese unterhalb Kastanienallee
- Sondergärten, Wiese auf dem Rotenberg an der Grabkapelle
- Sondergärten, Wiese am Hang des Polizeipräsidiums (Hahnemannstraße 1)
- Universität Stuttgart-Vaihingen, Wiese Neue Grüne Mitte

Genaue Lage und weitere Infos:
www.schmetterlingsland.de

Kooperationsprojekt
Kartiererinnen und Kartierer

Kartierung

Acht Kartiererinnen und Kartierer beobachten auf den Wiesen in der Sommerjahreshälfte Schmetterlinge, zählen sie und bestimmen die Art.
An circa 10 Wochenenden in der Sommerjahreshälfte findet die Kartierung bei mindestens 13 Grad Celsius, Windstille und Sonnenschein statt


Ergebnisse der Tagfalteruntersuchung:

Verfasserin:
Claudia Kricke, Biologin, Freiburg

Auf allen acht Schmetterlingswiesen / Projektflächen war sowohl die Arten- als auch die Individuenzahl / Stetigkeit der Tagfalter höher als auf der jeweiligen Vergleichsfläche.

Im Rahmen der Untersuchung konnten insgesamt 20 Tagfalter-Arten nachgewiesen werden, darunter zwei Arten, die in Baden-Württemberg auf der Vorwarnliste stehen.

Von den 12 Tagfalter-Arten kamen acht ausschließlich auf den Schmetterlingswiesen vor und fehlten auf den Vergleichswiesen.

Von den restlichen 12, die auch auf intensiv gepflegten Vergleichswiesen vorkamen, konnten weitere 5 nur auf der Vergleichswiese der Grabkapelle nachgewiesen werden, welche sich durch eine Ansaat und ein deutlich extensiveres Mahdregime von den anderen Vergleichswiesen unterscheidet. Sie bietet ein reiches Nektarangebot und wird zumindest in Zeiten, in denen die Mahd länger ausbleibt von vielen Tagfaltern genutzt.

Insgesamt konnten auf den intensiv gepflegten Vergleichsflächen (die an der Grabkapelle ausgenommen) also nur 7 Arten nachgewiesen werden.

2014 Erfasste Tagfalterarten:
Admiral
Aurorafalter
C-Falter
Distelfalter
Faulbaum-Bläuling
Großes Ochsenauge
Grünader-Weißling
Hauhechel-Bläuling
Kleines Wiesenvögelchen
Kleiner Fuchs
Kleiner Kohl-Weißling
Kurzschwänziger Bläuling
Mauerfuchs
Rotkleebläuling
Schachbrett
Schwalbenschwanz
Ulmem-Zipfelfalter
Waldbrettspiel
Weißklee-Gelbling
Weißlinge

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Quelle:
Presseinformation, 16.06.2015
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Landesverband Baden-Württemberg e.V.
Marienstraße 28, 70178 Stuttgart
Tel.: 0711 620306-17, Fax: 0711 620306-77
E-Mail: presse.bawue@bund.net
Internet: www.bund.net/bawue


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2015

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