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MOOR/33: Torfverbrauch - Raubbau beenden (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 2/2011
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

TITELTHEMA
Torfverbrauch
Raubbau beenden

von Hans Joosten


Um unser Klima und die biologische Vielfalt dauerhaft zu schützen, dürfen wir nicht länger gedankenlos hochwertigen Torf verschwenden. Im industriellen Erwerbsgartenbau sind rasch Alternativen gefragt. Für die Landschaftspflege und den Hobbybereich gibt es sie schon.


Ein größerer Kontrast ist nicht vorstellbar: hier helle Glashäuser mit der farbigsten Blumenpracht, dort schwarze, tote Torfabbauflächen bis zum Horizont. Auf der einen Seite eine urbanisierte Hochzivilisation, auf der anderen Seite eine Torfwirtschaft, die als der letzte Jäger und Sammler des Planeten von einem erschöpften Moor zum nächsten zieht.

Es ist die Massenhaltung von Menschen, die wir Städte nennen, die diese Kontraste nährt. Menschenmengen mit hohen Ansprüchen an immer verfügbare Nahrungsmittel und Schmuckgrün fordern eine Industrie, die - ebenso auf kleinstem Raum - eine beständige Massenproduktion von frischem Gemüse und Topfpflanzen verwirklicht. Die Pflanzen werden in einer derart industrialisierten »Land«-Wirtschaft in künstlichen Substraten gezogen, weil natürlicher Boden nicht verlässlich genug ist.


Schäden ausgeblendet

Momentan ist Hochmoortorf in Deutschland der bedeutendste Rohstoff für solche Substrate. Nichts eignet sich besser, denn Hochmoortorf ist eigentlich nichts. Feine Leerräume, zusammengehalten von schwer abbaubarem organischem Material, schaffen eine Porenstruktur, die die gleichzeitige Anwesenheit von Wasser und Luft im Wurzelraum garantiert. So können die Pflanzen weder vertrocknen noch ertrinken.

Die fast inerte, reaktionsträge Substanz erlaubt es für jede Pflanzenkultur optimale Bedingungen zu schaffen. Gutes (Nährstoffe, Kalk kann in der richtigen Menge zugefügt werden, ohne Schlechtes (zu viele Nährstoffe, Giftstoffe it viel Aufwand entfernen zu müssen. Hochmoortorf ist einheitlich, standardisierbar, leicht zu verarbeiten, reichlich vorhanden und billig. Zu reichlich vorhanden, zu billig.

Und darum werden Klimaschäden, die Endlichkeit des Torfs und die Naturvernichtung bei seinem Abbau ignoriert und ausgeblendet. Es gibt kaum Antrieb, nach einer hochwertigen Alternative zu suchen. Vereinzelt gibt es zwar Möglichkeiten, den Torf zu ersetzen. Doch die Mengen sind für die Industrie zu gering, oder die Alternativen haben ihre eigenen betriebs- und umwelttechnischen oder ökonomischen Nachteile.

Die Nachfrage nach Torf jedenfalls hält an. Denn die Menschen ernähren sich und dekorieren ihre Wohnungen mit Grün, ohne sich bewusst zu sein, dass an fast jedem Gemüse, fast jeder Zimmerpflanze Torf klebt.


Strategie für den Ausstieg

Eine industrielle Pflanzenproduktion erfordert hochwertige Substrate. Somit kann der Torfschleier, der wie eine Sucht durch unsere Gesellschaft gewoben ist, nicht von einem Moment auf den anderen entfernt werden. Wir brauchen eine Strategie für den Ausstieg, die letztlich die Verwendung von Torf beendet. Eine beschleunigte Entwicklung von Alternativen für den Erwerbsgartenbau - wie Torfmoos-Biomasse oder hochwertiger Kompost. Eine Beschränkung der Torfverwendung auf das Allernötigste. Und eine Begrenzung der Torfgewinnung auf schon stark vorgeschädigte Flächen. Bereits abgetorfte Flächen müssen wiedervernässt und restauriert werden.

Und wir müssen sofort damit aufhören, hochwertigen Torf für minderwertige Zwecke zu verschwenden. In der Landschafts- und Gartenpflege sowie bei unseren Zimmerpflanzen können wir völlig auf Torf verzichten. Es gibt dort gute Alternativen. Ansonsten sollten wir unsere Ansprüche niedriger schrauben. Jeder Sack torfhaltige Blumenerde, jeder Laster Torf, auf den in Deutschland verzichtet wird, trägt dazu bei, dass Hochmoore im Baltikum und sonstwo in der Welt wieder mehr Zukunft haben.

Hans Joosten leitet als Professor die Arbeitsgruppe Moorkunde und Paläoökologie an der Universität Greifswald.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Für deutsche Beete und Topfblumen werden in Osteuropa - im Bild: Weißrussland - riesige Moore abgetorft, auch von deutschen Großbetrieben.


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Quelle:
BUNDmagazin 2/2011, S. 22
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2011