naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 2/2021
Neue Perspektiven
Moorschutz in Brandenburg
von Lukas Landgraf
Landesamt für Umwelt
Ein Morgen im Moor. Vor einem Schöpfwerk stehen im Kreis zwölf Frauen und Männer mit Corona-Abstand natürlich. Landwirt*innen, Leute aus Behörden und vom Wasser- und Bodenverband. Sie lauschen den Worten der Redenden, die sich reihum abwechseln. Manche schauen gespannt, andere sorgenvoll. Mal wieder ein 'Projekt', was sich die 'da oben' ausgedacht haben und auf unsere Kosten geht - mögen einige von ihnen denken. Über Trockenheit wird gesprochen, über Bewirtschaftungsalternativen und gemeinsame Interessen. Und auch über Klimaschutz. Das Moor soll nass werden - soweit wie immer, ein Moorschutzprojekt also. Doch dieses Mal scheint etwas anders zu sein, es folgen kein fertiger Plan, keine Appelle, keine Zurechtweisungen und keine versteckten Botschaften - nein: die tatsächliche Hilfe für jede*n Beteiligte*n steht im Vordergrund. Um Existenzsicherung geht es. Nasse Moore und wirtschaftender Mensch?
Drei extrem trockene Sommer von 2018 bis 2020 haben sich eingeprägt im Bewusstsein, haben uns sensibilisiert für den Erhalt von Wasserressourcen. Wir brauchen die Moore, Seen und Auen und die Grundwasserspeicher zur Bevorratung für Dürrephasen, die sicher wiederkommen werden.
Auch wenn es absurd klingt, auf lange Sicht steht auf entwässerten Mooren das Wasser, weil es nicht mehr in den Boden eindringen kann. Vor allem Moore mit Mächtigkeiten ab 50 Zentimeter dürften ihr Ende für die konventionelle Nutzung erreichen, da sich die schwindende Mooroberfläche dem Grundwasser annähert. Das sind immerhin über 120.000 Hektar. Die flacheren Moorflächen wandeln sich zu Mineralboden um, bleiben aber nass. Doch noch ist bei den Brandenburger*innen die Angst vor Wasser in Verbindung mit Schäden und Existenzverlusten sehr präsent. Ein geflügeltes Wort ist die 'nasse Enteignung', das im Umfeld von Projekten in Feuchtgebieten schnell gezogen wird. Daraus entwickeln sich Fronten und ein Gegeneinander, wo Miteinander für alle Beteiligten angesagt sein sollte.
Nun könnte man im Geist manch altvorderer Wasserwirtschaftler all
diese Standorte mit Pumpwerken versehen. Abgesehen von den Kosten für
Bau, Betrieb und Unterhaltung wäre ein Vorhaben dieser Art vor allem
deshalb kaum durchführbar, weil der Schaden für den großräumigen
Wasserhaushalt, die angrenzenden Nutzungen, Gebäude und Infrastruktur
unkalkulierbar wäre. Aus welcher Sicht man es auch betrachtet, ob
Klimaschutz, Wasserrückhalt, Gewässerschutz, Erhalt von Moorboden oder
Existenzsicherung: an nassen Mooren führt in Zukunft kein Weg
vorbei.
Moorhöhenverluste infolge fortwährender Entwässerung über 200
Jahre.
Grafik: © Lukas Landgraf
Früher waren in der Wasserwirtschaft hohe Abflüsse besonders wichtig. Das ist auch heute noch nicht ganz überwunden. Abflüsse allerdings, die erst im Ergebnis von Wasserüberschüssen in den Speichern der Landschaft entstehen. Diese Speicher sind allen voran unsere Grundwasserleiter, aber auch Moore, Seen und Auen. Wenn sich die Speicher leeren, verringern sich auch die Abflüsse in Fließgewässer. Man kann also mit geringen Füllständen der Wasserspeicher nicht die gleichen Abflüsse erreichen.
Der wasserwirtschaftliche Blick sollte statt auf die Abflüsse immer erst auf die Füllstände der Speicher gerichtet sein. Wird das Gewässernetz auch bei Niedrigwasser auf hohe Abflüsse ausgerichtet oder die Auffüllung der Speicher gestört, gerät das Gleichgewicht im Landschaftswasserhaushalt aus den Fugen. Zu wenig gefüllte Speicher und künstlich hochgehaltene Abflüsse führen zu selbstverschuldeten Dürresituationen.
Zur Abflussverstärkung haben insbesondere der Ausbau der Fließgewässer und die Errichtung tausender Entwässerungsgräben beigetragen. So wurden Quellgebiete künstlich vergrößert und Entwässerungen bis dicht an die Hochflächenränder herangeführt. Das führte zur Ausblutung der großen Grundwasserspeicher in den Hochflächen. Alle Speicher zusammen, also Grundwasserspeicher, Moore, Auen und Seen ergeben ein Speichersystem, dass uns zukünftig besser vor den Folgen des Klimawandels schützen kann.
Die Bedienung von Stauanlagen richtete sich viele Jahre an festen Winter- und Sommerstauhöhen aus. Mit Ausnahme von extremen Hochwassersituationen wurden die Stauziele auch selten angepasst. Sommerstauziele sind in der Regel tiefer, weil sonst grundwassernahe Flächen mit schwerer Technik nicht bewirtschaftet werden können und weil nur so frühe Bewirtschaftungszeiträume möglich sind. Dadurch verlieren unsere Wasserspeicher jährlich gigantische Füllmengen an Wasser. Wasser, das im Sommer die Flächen feucht halten könnte, ist weg.
Die Speicherauffüllung im Winter sollte möglichst nicht oder nur kurz unterbrochen werden. Dadurch entsteht für Brandenburgs Staubewirtschaftung ein sehr enges Fenster, in dem ohne größeren und weitreichenderen Schaden Wasserspiegel noch reguliert werden können. Starre Stauvorgaben haben allerdings einen Nachteil: die Situation im Wasserhaushalt ist in jedem Jahr anders. In Frühjahren mit niedrigen Füllständen der Wasserspeicher sinkt der Wasserspiegel klimatisch bedingt rasch. Jede Stauabsenkung könnte dann eine Dürrephase im Sommer nach sich ziehen. Das Fenster für die Staubewirtschaftung verschiebt sich also in der Abhängigkeit vom Dargebot und kann in manchen Jahren auch ganz geschlossen sein.
Ein behutsamer und vorausschauender Umgang mit Stauanlagen ist daher
dringend notwendig, wofür es flächendeckend erfahrene Stauwärter*innen
oder intelligente Stausysteme braucht. Es sollte immer im Blick
behalten werden, dass die Wasserstände ab Mai natürlicherweise fallen.
Wenn es jetzt noch gelingt, die Landnutzung in den Niederungsgebieten
an den bestehenden Wasserhaushalt anzupassen, sind wir für den
Klimawandel besser gerüstet.
Grundlagen einer zukünftigen Staubewirtschaftung für Brandenburg.
Grafik: © Lukas Landgraf
Zurück zum Ausgangspunkt. Die Leute vom Klimamoorteam sind vor Ort. Die Männer und Frauen aus den Bereichen Wasserwirtschaft, Moorkunde, Planungsbüros und Landwirtschaft haben seit Anfang 2021 die Aufgabe, in Moorgebieten gemeinsam mit den Beteiligten Lösungen zu finden, sodass Moore und Auen nass sein dürfen, ohne die Existenz von Menschen zu gefährden.
Was hat sich nun seit der Zeit der Grabenkämpfe geändert? Statt
übereinander wird miteinander geredet, weil ein Ziel alle Seiten eint:
Das Wasser in der Landschaft zu speichern und den Torf zu erhalten.
Dadurch ist der Blick frei für konstruktive Lösungsfindungen, die für
jede*n Beteiligte*n anders aussehen können. Dafür nimmt sich das Team
Zeit. Schaut sich die jeweilige Situation aller Nutzer*innen an,
spricht Lösungen durch, berät und packt bei der Abstimmung von
Bewirtschaftungsmethoden und Verwertungskonzepten mit an und ist immer
erreichbar.
Anfang Texteinschub
INFO
Die Kohlendioxidfreisetzung reduzieren
Aus brandenburgischen Mooren werden laut Greifswald Moor Centrum in
jedem Jahr ungefähr 6,2 Millionen (Mio.) Tonnen (t) CO2-Äquivalent pro
Jahr (Äq/a) an Klimagasen frei. Der Großteil dieser jährlichen
Treibhausgas-Freisetzung geht an erster Stelle auf entwässertes
Moorgrünland mit 4,3 Mio. t CO2-Äq/a und an zweiter Stelle auf
Ackerflächen mit immerhin noch 1,3 Mio. t CO2-Äq/a zurück. Erstmalig
wird es in 2021 durch eine Bund-Länder-Zielvereinbarung
Moorbodenschutz eine klare Zielstellung für den Klimaschutz auf Mooren
in Deutschland geben. Hiernach soll es bis 2030 von insgesamt 44
Millionen Tonnen CO2-Äq pro Hektar und Jahr Treibhausgasemissionen aus
Mooren und sonstigen organischen Böden in Deutschland infolge
Entwässerung eine Einsparung um fünf Mio. t CO2-Äq pro Hektar und Jahr
geben. Danach sind auf brandenburgischen Mooren in dieser Zeit 712.000
t CO2-Äq pro Hektar und Jahr einzusparen. Dafür müssen in dieser Zeit
in Brandenburg auf ca. 50.000 Hektar Moorfläche die Wasserstände bis
nahe an die Geländeoberfläche gebracht werden."
Ende Texteinschub
Anteile der Treibhausgase (THG) auf organischen Böden in
Brandenburg
(nach GMC 2021, Moorkarte 2013)
THG in t CO2-Äq/ha*a
Alle wichtigen Schritte werden gemeinsam besprochen. Eigentlich - so
denkt man - sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Wir haben als
Moorschützer*innen aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, in der
wir in den Behörden manchmal etwas selbstgefällig und für
Außenstehende undurchschaubar agiert haben. Zu viel Vertrauen ist
dadurch verspielt worden. Das soll sich jetzt ändern.
Das Klimamoorteam (ARGE Klimamoor) wird mindestens bis ins Jahr 2026 Nutzer*innen bei der Umstellung auf eine nasse Moorbewirtschaftung unterstützen. Das Land will vor allem auf Landesflächen zeigen, dass es nicht nur redet, sondern mit gutem Beispiel vorangeht. Hierzu gehören Moore an der Mittleren Havel, bei Potsdam, in Märkisch Oderland und in der Uckermark.
Das Land Brandenburg arbeitet an einem Moorschutzprogramm und legt zum Ende 2021 eine große Klima-Moorschutzrichtlinie auf. Diese Richtlinie wird in ihrem Umfang alles Notwendige beinhalten, wenn Wasserspiegel in Mooren angehoben werden müssen. Dazu gehört die Anschaffung von gebrauchter und neuer Bewirtschaftungstechnik und Verwertungsanlagen einschließlich deren Entwicklung, der Aufbau von Verwertungsketten, die Beratung, Entschädigung, die Moorrenaturierung und vieles mehr. Diese Richtlinie setzt den Start in die Umstellung auf nasse Moornutzung, nasse Moore überhaupt. Weiterhin will das Land mit einem gesonderten vom Bund geförderten Vorhaben für nasse Moorbewirtschaftung Demonstrationsflächen einrichten und eine landwirtschaftliche Beratung aufbauen.
Es ist der Blick über die bedrohten Tier- und Pflanzenarten, die
Torfverluste und die Nährstoffausträge entwässerter Moore hinaus auf
die Gemeinsamkeiten aller Beteiligten. Das Ziel, Torfsubstanz als
wichtigen Wasserspeicher zu erhalten und zu zeigen, dass Moor- und
Klimaschutz kein Gegensatz zur Moornutzung sein müssen. Und es sind
die ernsthaften Unterstützungsleistungen. Taten statt Worte eben.
Bleibt zu hoffen, das entschlossenes Handeln, endlich auch auf den
Klima- und Moorschutz übergreift. Die Konsequenzen für
Unentschlossenheit möchte man sich nicht ausmalen.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
*
Quelle:
naturmagazin, 35. Jahrgang - Nr. 2, Juni bis August 2021, S. 9-12
Herausgeber:
Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband Brandenburg
NaturSchutzFonds Brandenburg, Stiftung öffentlichen Rechts
Natur+Text GmbH
Anschrift der Redaktion:
Natur+Text GmbH
Friedensallee 21, 15834 Rangsdorf
Tel.: 033708/20431, Fax: 033708/20433
E-Mail: verlag@naturundtext.de
Internet: www.naturmagazin.info
Das naturmagazin erscheint vierteljährlich und kostet 4,30 Euro
oder 16,50 Euro im Abonnement (4 Ausgaben).
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 13. August 2022
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang