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TOURISMUS/080: Blaues Band - Wassertourismusindustrie ahnt Schlimmes (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1090, vom 24. Aug. 2016 - 35. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Blaues Band: Wassertourismusindustrie ahnt Schlimmes


Im Nov. 2015 war in einer gemeinsamen Veranstaltung von BMUB, BMVI und Bundesamt für Naturschutz in Bonn sozusagen der Startschuss für das Bundesprogramm Blaues Band gegeben worden. Auf der äußerst gut besuchten Veranstaltung war es überraschend zum Eklat gekommen. Die Vertreter der Wassertourismusgewerbes - insbesondere die Motorbootlobby - hatten massiv den zuständigen Abteilungsleiter im Bundesverkehrsministerium angegriffen: Das Blaue Band würde auf Kosten des Wassertourismusgewerbes gehen. Dass ausgerechnet das Bundesverkehrsministerium den Naturschutz im Nebennetz über die berechtigten Interessen der Wasserstourismusindustrie stellen würde, sei ein noch nie dagewesener Affront. Der Abteilungsleiter Wasserstraßen und Schifffahrt aus dem Verkehrsministerium keilte zurück, so dass es zeitweise so aussah, dass die Tagungsregie aus den Fugen geraten würde.

Für die AbonnentInnen des WASSER-RUNDBR. haben wir exklusiv einen ausführlichen Bericht über die denkwürdige Tagung zusammen gestellt. Der zwölfseitige Tagungsbericht kann via nik@akwasser.de angefordert werden.

Nachstehend als Kostprobe ein Auszug in fünf Akten ...


Wassertourismus ist "ein Milliardenmarkt" und eine Wachstumsbranche

Zum Thema "Tourismus und nachhaltige Entwicklung in Deutschland" referierte DIRK DUNKELBERG. Der stellv. Hauptgeschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes e.V. (DTV) wünschte sich wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Tourismusaktivitäten an den Flüssen als dritten Partner im Blauen Band den Bundeswirtschaftsminister. Dunkelberg postulierte, dass sein Verband "den föderal aufgebauten Deuschlandtourismus unter Einbezug der kommunalen Spitzenverbände bis hin zum ADAC repräsentieren" würde. Seine Mitgliedsunternehmen hätten "2,9 Mio. nichtexportierbare Arbeitsplätze" geschaffen. Beim Umsatz liege man vor der Automobilindustrie. Seit Ende der 80er Jahre beschäftige man sich im DTV auch mit der Nachhaltigkeit im Tourismus.

"Wir wissen, was wir der Natur schuldig sind!" Allerdings müsse man konstatieren, dass naturschonender Tourismus "noch ein Nischenprodukt" sei. Um aus der Nische herauszukommen, habe man den Bundeswettbewerb "Nachhaltige Tourismusregionen" ins Leben gerufen. "Das Einzige was die strukturschwache Regionen wie die Uckermark haben, sei der naturschonende Tourismus." Um nachhaltige Tourismusdestinationen zu stärken, sei die Entwicklung von Kriterien und Indikatoren erforderlich. Ein DTV-Leitfaden dazu werde noch im Jahr 2016 veröffentlicht. Gerade in den neuen Bundesländern gelte es den Kulturtourismus in ländlichen Regionen aktiv zu fördern.

Im Folgenden kam der Referent zum Schluss, dass es sich beim "Sondermodul Wassertourismus" um "einen Milliardenmarkt" handeln würde. Das lasse sich auch in folgenden Zahlen ausdrücken: "Sechs Millionen Wassersportler und 100.000 Gäste auf der Weißen Flotte!" Der Wassertourismus sei eine Wachstumsbranche - vor allem im Binnenland. 20 Millionen Menschen würden ihren Urlaub und ihre Freizeit am Wasser verbringen. Auch die Bedeutung der Flussradwanderwege für den Tourismus sei nicht zu unterschätzen.

"Blaues Band versus Wassertourismus?"

Dem Rückzug der Wasserstraßenverwaltung aus dem Nebennetz konnte der Referent wenig abgewinnen - denn dann würden beim Betrieb der Schleusen "alternative Betreibermodelle" drohen, die für die Wassersportler zu höheren Kosten führen könnten. Zudem sei dann auch die Funktionalität des zusammenhängenden Gewässernetzes in Gefahr. Man müsse geradezu die Frage stellen: "Blaues Band versus Wassertourismus?" Die Bedeutung der Ökologie werde im Blauen Band gegenüber den Interessen des Wassersports "zu übergewichtig" formuliert. Man solle deshalb nicht wie bislang nur über, sondern mit dem Wassertourismus reden. Zudem dürfe man die strukturschwachen Regionen in Ostdeutschland nicht hängen lassen. Außerdem solle man künftig nicht mehr von Restwasserstraßen, sondern von touristischen Wasserstraßen sprechen, so das Plädoyer des Tourismus-Lobbyisten.

Drohen Befahrungseinschränkungen für den Kanu- und Motorsport?

DUNKELBERG stellte weitergehend die Frage: "Was passiert mit weitergehenden Befahrungsregelungen für den Kanu- und Motorbootsport? Der Wassersport muss unbedingt als Partner in die Blaue Band-Aktivitäten eingebunden werden!"

Das Referat von DUNKELBERG provozierte umgehend eine Klarstellung von Abteilungsleiter REINHARD KLINGEN aus dem BMVI: Es drohe keinerlei Privatisierung des Nebennetzes. Dazu habe sich der Minister bereits mehrfach und eindeutig positioniert. Die vorgebrachten Befürchtungen seien "reiner Quatsch"! KLINGEN regte sich erkennbar wegen der Behauptung vom Rückzug des Bundes aus dem ostdeutschen Wasserstraßennetz auf. Der Zornausbruch von Klingen führte wiederum zu einer Entgegnung eines weiteren Vertreters des Wassertourismusgewerbes. Bislang habe der Auftrag bei der Ausarbeitung des Bundesprogrammes Blaues Band "Gewässerökologie und Naturschutz" gelautet. Wassertourismus sei ärgerlicherweise nicht im Auftragspaket gewesen.

Blaues Band: Beim Kanuverband läuten die Alarmglocken

Auch ULRICH CLAUSING, Geschäftsführer beim Deutschen Kanuverband sah sich zu einer Intervention veranlasst. Die Zielsetzung des Blauen Bandes werde grundsätzlich unterstützt - "aber die heutigen Vorträge lassen bei uns alle Alarmklocken läuten". Das Blaue Band dürfe keinesfalls zu Befahrungsverboten führen. Und wenn die Naturschutzverbände eingebunden werden, müssten auch die Wassertourismusverbände eingebunden werden. Befahrungsverbote würden heute schon auf der kommunalen Ebene verhängt - mit grotesken Folgen in den Fällen, wenn Kreis- und Kommunalgrenzen entlang der Flussmitte verlaufen. Dann könne es passieren, dass links und rechts der Flussmitte unterschiedliche Befahrungserlaubnisse bzw. -verbote zu beachten seien. Das Fazit von CLAUSING: Die menschliche Nutzung der künftigen Blaue Band-Gewässer müsse gewährleistet bleiben. CLAUSING ärgerte sich auch, dass man die Kanuten "nicht mal gezielt eingeladen" habe. Dabei habe man an der Lahn bewiesen, dass die Kanuten in der Lage gewesen wären, mit allen anderen Akteuren zusammen ein Wassersportkonzept zu entwickeln.

Bundesverkehrsministerium: "Wir tasten uns ganz schön weit vor!"

BMVI-Abteilungsleiter KLINGEN sah sich angesichts der artikulierten Besorgnisse der Wassersportler genötigt, erneut das Wort zu ergreifen:

"Wir arbeiten in der finalen Phase am Wassertourismuskonzept der Bundesregierung. Wir sagen Ihnen zu, dass wir Sie einbinden. Wir sagen aber nicht zu, dass es auf keinen Fall auf keinem Meter Befahrungsverbote geben wird. Als Verwaltung sind wir auf die verkehrlichen Aspekte beschränkt, beim Tourismus agieren wir im rechtsfreien Raum. Und wir bekommen dafür bisher auch kein Geld - auch nicht für Renaturierung. Angesichts dieser Restriktionen und Unsicherheiten, tasten wir uns ganz schön weit vor!"

Das von Klingen in Aussicht gestellte Wassertourismuskonzept liegt bis jetzt nur als Entwurf vor. Wir sind derzeit dabei den Entwurf zu analysieren. Ggf. wollen wir uns mit unseren Vorschlägen auch an die Obleute der Fraktionen im Sportausschuss des Deutschen Bundestages wenden. Wer von unserer Leserschaft im Wassertourismus engagiert ist, kann uns gerne seine Eindrücke von dem Konzeptentwurf übermitteln!

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1090
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2016

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