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WASSER/195: Umweltposse - Niedersächsische Flüsse und Seen schlechtgeredet (BUND NI)


BUND Landesverband Niedersachsen e.V., Wassernetz Niedersachsen/Bremen - Bremen/Hannover, 19. März 2009

Umweltposse: Niedersächsische Flüsse und Seen schlecht geredet

BUND und Wassernetz NI/HB kritisieren aus Anlass des Weltwassertages am 22. März 2009:


Absurdes Umgehen mit Gewässerqualität macht Niedersachsen zum wasserökologischen Schlusslicht - europaweit herrscht Unverständnis über "niedersächsischen Sonderweg" "Ein echter Skandal und eine absurde Umweltposse!", so kommentiert Moritz Busse, der Beauftragte des Wassernetzes, dass Niedersachsen in den Bewirtschaftungsplänen nach Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) den Großteil seiner Gewässer, beispielsweise auch die ökologisch intakten Bäche in der Lüneburger Heide, in ihrer ökologischen Qualität schlechter darstellt als sie tatsächlich sind. "Das tut das Land vermutlich, um Kosten für eine nach europäischem Recht anstehende Verbesserung der niedersächsischen Flüsse, Bäche und Seen zu umgehen. Während derzeit auf dem Weltwasserforum 2009 in Istanbul noch bis zum Sonntag, dem "Weltwassertag", über die weltweit drängenden Wasserprobleme beraten wird, stiehlt sich Niedersachsen klammheimlich aus der Verantwortung für seine Flüsse und Seen.", sagte Busse heute in Hannover.

Eigentlich sind für alle niedersächsischen Gewässer umfangreiche ökologische Verbesserungen fällig - ausgelöst durch die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Die darin vorgegebenen Ziele und Maßnahmen der ökologischen Verbesserung von Gewässern sind nur damit (weitgehend) zu umgehen, dass eine Ausnahmeregelung in Kraft gesetzt wird, die dann greift, wenn Flüsse und Seen vorher als "erheblich veränderte Gewässer" ("heavily modified water bodies" - HMWBs) kategorisiert sind. Dafür sind freilich eindeutige Kriterien für eine solche Ausweisung abzugleichen. (siehe auch beigefügtes Hintergrundpapier)

Eine veränderte Grundlage für die absurde, systematische flächendeckende HMWB-Ausweisung hat sich Niedersachsen kurzerhand selbst geschaffen. Dafür wurden vorhandene, fachlich belastbare und transparente Bewertungsgrundlagen über Bord geworfen und durch neue, fachlich nicht nachvollziehbare ersetzt. Das Ergebnis: 84 Prozent der niedersächsischen Gewässer gelten nun als "in ihrem Wesen erheblich verändert", auch sämtliche Heideflüsse (bis auf zwei Ausnahmen).

Das Wasserland Niedersachsen enthält seinen Gewässern mit diesem Schritt die angemessene Aufwertung vor. Das Bundesland, das mit seinem Wasserreichtum touristisch wirbt, mit seinen ökologisch prominentesten "Perlen", wird so deutschlandweit zum Schlusslicht. Moritz Busse dazu: "Gerade an den weitgehend intakten Bächen könnten beispielsweise, in dem man die Durchgängigkeit für wandernde Fischarten wie Forelle und Lachs an Wehren und anderen Querbauwerken verbessert, erhebliche ökologische Effekte erzielt werden, die auf benachbarte Ökosysteme ausstrahlen würden."

Auf einer Veranstaltung der Europäischen Kommission in der vergangenen Woche ("Water Framework Directive and Heavily Modified Water Bodies - Common Implementation Strategy Workshop") wurde dieser "niedersächsische Sonderweg", der in krassem Widerspruch zum deutlich transparenteren Vorgehen in den meisten anderen Bundesländern und EU-Mitgliedstaaten steht, scharf verurteilt. "Dieses Vorgehen ist keinesfalls konform mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und muss deswegen im Zweifel auf rechtlichem Weg korrigiert werden", lautete die einhellige Einschätzung aus verschiedenen EU-Ländern, auch von Behördenseite.

"Sollte Niedersachsen für die Aushöhlung der Vorgaben tatsächlich zur Rechenschaft gezogen werden, würden, wie schon im Fall der "FFH-Richtlinie", erhebliche Strafzahlungen drohen.", mahnt Busse. "Eine rechtzeitige Investition in nachhaltige Gewässerverbesserungen ist in jedem Fall weniger aufwändig als im Nachhinein vor einem ökologischen Malheur zu stehen, das dann mit viel Aufwand wieder in Ordnung gebracht werden muss. Und es ist allemal im Sinne künftiger Generationen.", meint der Biologe.


Info Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)

Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist eine europäische Verordnung, die 2002 und 2004 in Bundes- und Länderrecht überschrieben wurde und im Wesentlichen die ökologische Aufwertung der Gewässer und einen nachhaltigen und schonenden Umgang mit der Ressource Wasser auf allen Ebenen vorgibt. Längst ist bekannt, dass eine langfristig gesicherte Wasserversorgung nur mit ökologisch intakten Süßwasserökosystemen gewährleistet werden kann - beispielsweise um die biologische Selbstreinigung der Gewässer sicherzustellen. Gewässerschutz ist Naturschutz und Naturschutz ist Gewässerschutz - nur so kann etwa die massive Belastung vieler niedersächsischer Grundwasserkörper mit Nitrat wirksam bekämpft werden.

Die Richtlinie verpflichtet die EU-Mitglieder daher, konkrete Zielvorgaben durch die Entwicklung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen zu erreichen. Entscheidend hierbei ist die für alle Schritte der Umsetzung vorgeschriebene aktive Beteiligung der Öffentlichkeit.


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Hannover, im März 2009

Wasser-Understatement in Niedersachsen

Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und wie Niedersachsen "undichte Stellen" schafft, um das Großprojekt der ökologischen Verbesserung auszubremsen


Vor gut acht Jahren hatte es für die niedersächsischen Flüsse und Seen so Erfolg versprechend begonnen: Das neue EU-Recht, die Wasserrahmenrichtlinie von 2000, schrieb für alle deutschen Gewässer eine erhebliche ökologische Verbesserung fest, die bis zum Jahre 2015 erreicht werden soll - den "guten ökologischen Zustand". Hindernisse wie Wehre und Staustufen sollten, wo nicht unbedingt benötigt, entfernt oder umgestaltet werden, um Fischen und anderen Wasserbewohnern die für ihr Überleben notwendigen Wanderungen zu ihren Laichplätzen zu ermöglichen. Die Flussauen wollte man renaturieren, um den Gewässern Raum für Überflutungen zu geben. Das hätte zudem einen besseren Schutz der Unterlieger vor Hochwasserereignissen bedeutet. Gleichzeitig wären auf diese Art wichtige Auenlebensräume für die zahlreichen dort lebenden seltenen Tier- und Pflanzenarten wie den Schwarz- und Weißstorch oder den Kranich entstanden. Die Flussverbauungen sollten zurückgenommen werden und einer natürlichen Ufergestaltung weichen, um Fischotter, Biber und Co. das Überleben zu ermöglichen und die natürliche Flussdynamik, die ständig neue Kleinstlebensräume schafft, sicherzustellen.


Chronologie

Mitte 2002 wurde die Richtlinie in das Wasserhaushaltsgesetz übernommen und so in nationales Recht überschrieben, im Jahre 2004 wurde das Niedersächsische Wassergesetz entsprechend angepasst. Es konnte losgehen. Es hätte losgehen können, doch der Startschuss für das Großprojekt zur nachhaltigen Sicherung der natürlichen Wasserressourcen war kaum hörbar. Den neuen Herausforderungen durch die europäischen Gesetze sollten zunächst Einsparmaßnahmen vorausgehen. Durch die Fusion von Niedersächsischem Landesamt für Ökologie und der Wasserwirtschaft zum Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) wollte man von den ursprünglich insgesamt 1238 Stellen bis zum Jahr 2008 immerhin 363 Stellen abbauen - trotz zu erwartendem erheblichem Mehraufwand für die Umsetzung der neuen europäischen Vorgaben.

Ein zweites, ebenfalls irritierendes Signal sendete der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander selbst: Seine "Kettensägenaktion" im Biosphärenreservat Elbtalaue Ende 2006 ließ die Hoffnungen der Umwelt- und Naturschutzverbände auf eine engagierte Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, die neben wasserwirtschaftlichen auch maßgebliche Naturschutzziele für die Gewässer festlegt, weiter schwinden. Das größte Problem des Umweltministeriums: Die ökologische Aufwertung der Flüsse und Seen kostet Geld. Geld, das Niedersachsen offensichtlich nicht auszugeben bereit ist, obwohl man sich in seinem Wassergesetz selbst dazu verpflichtete.


Trick Understatement

Um dieser Pflicht dennoch zu entgehen, bediente sich das Umweltministerium eines Tricks: Die viel versprechenden Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung der Flüsse wurden ausgehebelt, indem man die geringe Zahl der verbleibenden, noch relativ gesunden und gut erhaltenen Flüsse zu "erheblich veränderten" Gewässern erklärte. Erstaunliche Begründung: Irgendwie verändert sei ja praktisch jedes Gewässer. Das Ergebnis: 83,5 Prozent der niedersächsischen Flüsse und Seen wurden als "erheblich verändert" oder "künstlich" klassifiziert. Das Kalkül: Für derart deklarierte Gewässer existiert bislang keine Vorgabe, kein konkretes Ziel für die (eigentlich) vorgeschriebenen Verbesserungsmaßnahmen. Solche Ziele zu formulieren, wurde bisher versäumt.

Diese ökologische Bewertung der niedersächsischen Gewässer hatte man im Jahre 2004 schon einmal vorgenommen - damals mit einem ganz anderen Ergebnis. 2004 waren lediglich 44 Prozent der niedersächsischen Gewässer als "erheblich verändert" deklariert worden. Für diese erste Einschätzung bildete ein sehr verlässliches Kriterium die Grundlage: die so genannte Strukturgüte eines Gewässers, die landesweit bekannt war. Da die Ausweisung "erheblich veränderter Gewässer" eigentlich als Ausnahme vorgesehen war, wurde die Regel eingeführt, dass Flüsse, deren Fließstrecke nach der Strukturgütekartierung zu mehr als 70 Prozent als "sehr stark verändert" oder "vollständig verändert" eingestuft worden waren, als "erheblich verändert" anzusehen seien. Daraufhin bemerkte man, dass für den Großteil der niedersächsischen Gewässer weitreichende (und kostspielige) Maßnahmen anstehen würden und nahm - ein Schelm, wer Böses dabei denkt - die Bewertung der Gewässer ein zweites Mal vor.


Erheblich verändert?

Da die Bewertung der einzelnen Wasserkörper in so genannten "Gebietskooperationen" erfolgte, (das sind regionale Zusammenschlüsse von Unterhaltungsverbänden, Landwirtschaft, Fischerei und Naturschutz) und das Umweltministerium diese nur sammelte und auswertete, wurden kurzerhand die Vorgaben geändert. Eine bislang nicht näher bekannte "Arbeitsgemeinschaft" des Niedersächsischen Umweltministeriums gab die Bewertungsbögen, die den Gebietskooperationen für die Einschätzung der Gewässer vom Umweltministerium zugeleitet worden waren, im Juli 2006 geändert heraus. Und um eine folgenreiche Frage erweitert: "Erfolgte eine bedeutende, anthropogene Veränderung gegenüber dem Urzustand?" Dies darf man im Industrieland Deutschland mit seiner praktisch flächendeckenden Kulturlandschaft sicher als mindestens "seltsam" bewerten. Zumal es sich bei den ursprünglichen Bewertungsbögen um Vorgaben handelte, die im Rahmen der gemeinsamen Umsetzungsstrategie (Common Implementation Strategy - CIS) europaweit als Leitfaden für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erarbeitet worden war. Bei Bejahung dieser Frage fiel das Gewässer automatisch in die Kategorie "erheblich verändert". Proteste von Naturschützern versickerten bisher ohne Reaktion der verantwortlichen Behörden. So kam es zu dem grandiosen "Understatement" bei der Bewertung der Gewässer. Denn im Gegensatz zu den "erheblich veränderten" Gewässern bestehen für die als "naturnah" eingeschätzten Flüsse und Seen klar umrissene ökologische Zielvorgaben, die durch geeignete Maßnahmen an den entsprechenden Wasserläufen bis zum Jahr 2015 erreicht werden müssen. Diesen sich abzeichnenden Aufwand wollte man, diese Vermutung scheint zulässig, möglichst gering halten.


Signifikant

Die Begründungen für die Gewässer-Einstufungen funktionieren weitgehend nach dem Selbstbedienungsprinzip: Jedwede bestehende Nutzung oder Verbauung an einem Gewässer wird in den Protokollen als "signifikant" bewertet. Landwirte sprechen von einzelnen Entwässerungsgräben als "signifikant" für die angrenzenden Äcker, Gemeinden von vereinzelten Uferbefestigungen, die für das gesamte Gewässer "signifikant" seien; sogar kleine Abfallsammelstellen am Gewässerrand seien für die Anlieger "signifikant". Eine nähere Erläuterung bzw. Abwägung des Begriffes "signifikant" unterblieb hingegen.

Auch der Blick in andere Bundesländer zeigt den Sprung von der ersten zur zweiten Ausweisung.

In Schleswig-Holstein stieg der Anteil "erheblich veränderter" Gewässer von 15 Prozent im Jahr 2004 auf etwa 60 Prozent im Jahr 2007. In Nordrhein-Westfalen stieg der Anteil von 25 Prozent auf ca. 60 Prozent. Allerdings lässt sich in den übrigen Bundesländern eine Vielzahl besserer Beispiele finden: In Schleswig-Holstein mit seinem hohen Anteil an stark vom Menschen geprägten Marschengewässern und Entwässerungsgräben wurden immerhin 25 Prozent weniger veränderte Gewässer ausgewiesen, obwohl der Anteil faktisch deutlich höher als in Niedersachsen liegen müsste. Auch Nordrhein-Westfalen kommt mit deutlich weniger "erheblich veränderten Gewässern" aus. Eine Art bundesweite Vorreiterrolle bei der Umsetzung der WRRL nimmt Baden- Württemberg ein, ohne einen verdächtigen "Ausweisungs-Sprung": Hier werden nur rund 25 Prozent der Gewässer als erheblich verändert ausgewiesen. Vor allem aber blieb man bei der "Strukturgüte" als objektivem und nachvollziehbarem Kriterium als Grundlage für die Einstufungen. Und nur so, da sind sich die Fachleute einig, kann der Anspruch der WRRL erfüllt werden, transparente und vergleichbare Grundlagen für die Gewässerbewertung und -verbesserung zu schaffen.

Auch bei den Verbesserungsmaßnahmen ist man in Stuttgart weiter als in Hannover: Im Gegensatz zu Niedersachsen wurden dort schon konkrete Maßnahmen entworfen, die an konkreten Gewässern für eine ökologische Aufwertung sorgen sollen; sie werden teilweise sogar schon umgesetzt. Dies geht freilich nur mit einem verlässlichen Finanzierungsrahmen - zu einem solchen macht Niedersachsen keine Angaben. Heidebäche - heavily modified Dass diese Vermeidungsstrategie bizarre Blüten treibt, zeigt das Beispiel der südlichen Heidebäche. Sie sind die letzten noch weitgehend ursprünglichen - und für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten entsprechend wichtigen - Fließgewässer Niedersachsens. Auch in der norddeutschen Heideregion, dort findet man die natürlichsten Flüsse, die Niedersachsen zu bieten hat, sind die Gewässer als "heavily modified" eingestuft. Auch sie hat man, bis auf zwei Ausnahmen, zu "erheblich veränderten" Gewässern erklärt, um, diese Vermutung liegt nahe, sich vor anfallenden Verbesserungsmaßnahmen weitgehend zu drücken. Lediglich die Lutter und der Jafelbach wurden als "natürlich" eingestuft. Angesichts des Naturschutzgroßprojektes zum Schutz und zur Wiederausbreitung der nordwesteuropäischen Flussperlmuschel, das vom Bundesamt für Naturschutz und dem Land Niedersachsen seit 1989 an der Lutter durchgeführt wird, hatte man hier auch keine andere Wahl.

Während es in Deutschland sicher zahlreiche Flüsse gibt, die nicht mehr als naturnah bezeichnet werden können, wie etwa Bereiche in Stadtnähe oder in landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen, gehören die Heidebäche, die durch eine nach wie vor recht dünn besiedelte Landschaft fließen, sozusagen zur Premium-Liga des Norddeutschen Tieflandes. Naturnähere Gewässer gibt es in der BRD schlichtweg nicht mehr, von einigen Gebirgsbächen abgesehen. Jeder der schon mit dem Boot auf Örtze, Böhme und anderen unterwegs war, hat eine Vorstellung von der Schönheit dieser einzigartigen Fließgewässer, die aufgrund ihrer natürlichen Nährstoffarmut oft glasklares Wasser führen.

Folgende positive ökologische Eigenschaften bedingen die Attraktivität der Heidegewässer:
- Weitgehend unverbaute Uferkanten mit frei verlaufender Fließstrecke und "wandernden" Uferlinien
- Flussbegleitende Feuchtgebiete, die es in ganz Deutschland meist nur noch in kleinen zerstreuten Restbeständen gibt

(*) Bild links: Flussbegleitender Feuchtwald an der Böhme nahe dem Ort Dorfmark
Bild rechts: Niedermoor mit angrenzendem Erlenwald - ein wichtiger Rückzugsraum für viele seltene Vogelarten
Bild links: Naturnaher Flussverlauf mit Wasservegetation als "Kinderstätte" der Fische an der Böhme
Bild rechts: Der natürliche Uferabbruch schafft neue Lebensräume, bspw. als Nistplatz für den Eisvogel

- Gut ausgebildete Bestände von Wasserpflanzen, ohne die andere Organismen sich z.T. gar nicht ansiedeln können Typische Unterwasservegetation mit Igelkolben (links) und Wasserhahnenfuß (rechts)
- Die meisten der größeren Heidebäche wie bspw. Böhme und Örtze stehen z.T. in ihrem gesamten Lauf unter Naturschutz, auch wegen ihrer Vorkommen von seltenen und geschützten Fließgewässerbewohnern wie Lachs, Bachneunauge oder Groppe


Glasklar

Ihre landschaftliche Schönheit hat die Region zu einem beliebten touristischen Ziel und zu einem der bekanntesten "Kanu-Spots" Norddeutschlands gemacht. Hierzu wird die Gegend nicht nur durch regionale Touristikanbieter, sondern sogar durch diejenigen Behörden (bis hin zum niedersächsischen Umweltministerium) beworben, die die Gewässer jetzt als "erheblich verändert" ansehen. So heißt es in einer vom Umweltminister unterzeichneten Broschüre etwa:
"[...] Zum Teil sind die Bäche von so großer Bedeutung für seltene und vom Aussterben bedrohte Arten, dass sie unter Naturschutz stehen. [...] Die Örtze ist einer der attraktivsten Gewässerläufe Norddeutschlands. [...] An den kleineren Bächen hat der Naturschutz Vorrang [...] und wir entdecken einen ursprünglichen glasklaren Heidebach (Örtze) [...]."

Ist man sich ganz offiziell mit sich selbst also nicht einig? "Erheblich verändert" oder "ursprünglich"? Ein sehr widersprüchlicher Umgang selbst mit unseren wertvollsten Gewässern - vermutlich mit dem Ziel der Vermeidung von Aufwand und Kosten, aber auf Kosten von Biodiversität, Artenschutz und Gewässerökologie - wird offensichtlich. Gerade wegen ihres verhältnismäßig guten Zustands würden Verbesserungsmaßnahmen an diesen weitgehend gesunden Heidegewässern zu erheblichen ökologischen Effekten mit großer Strahlkraft führen: Das "Ursprüngliche" könnte sich wieder ausbreiten. Dafür müsste man nachhelfen. Denn auch an den Heidebächen gibt es Wehre und Stauungen, die Wanderungen von Lachs, Forelle und anderen Fischarten noch vielerorts behindern. Angelsportvereine verzeichnen in ihren Fanglisten bereits seit Jahren einen deutlichen Rückgang der Weißfische in der Aller und ihren Zuflüssen. Dazu Ryszard Szewenko, 1. Vorsitzender des Angelsportvereins Winsen: "Wir fangen seit Jahren kaum noch Weißfische. Woran das genau liegt, ist noch schwer zu sagen. Wir gehen, neben anderen Ursachen, aber davon aus, dass ein Großteil der Fische auf ihren Wanderrouten an den zahlreichen Hindernissen hängen bleiben". Vor allem das Wirtschaften "bis in das Gewässer hinein", durch intensiven Ackerbau und intensive Viehhaltung, belastet auch die Heidebäche zunehmend und nimmt Örtze und Co. vielerorts entscheidende Teile des Gewässers: Ufer und Aue.

Fazit: Die Heidebäche sollten das bleiben dürfen, was sie zum Glück bis heute (weitgehend) geblieben sind: Eine der wenigen Beispiele einer Landschaft, wie es sie anderswo schon seit Jahrzehnten nicht mehr gibt. Für deren Erhalt dürfen sich die Behörden ihrer Pflicht nicht entziehen.

Moritz Busse und Gerd Wach Wassernetz Niedersachsen/Bremen (Vertretung der nds./brem. Natur- und Umweltschutzverbände/-vereine zum Thema Wasser) c/o BUND Landesverband Niedersachsen Goebenstr. 3a, 30161 Hannover Fon: + 49 511 96569-32 Fax: + 49 511 662536

(*) Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation


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Quelle:
Presseinformation vom 19.03.2009
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Niedersachsen
Goebenstr. 3a, 30161 Hannover
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2009