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WASSER/226: Lebensader Oberrhein - Positive Zwischenbilanz für länderübergreifendes NABU-Projekt (NABU RP)


Gemeinsame Pressemitteilung des NABU Baden-Württemberg und des NABU Rheinland-Pfalz - 17. November 2016

Lebensader Oberrhein: Positive Zwischenbilanz für länderübergreifendes NABU-Projekt

30 neue Amphibiengewässer, 13 Sandbiotope, Infos für viele Tausend Interessierte und zukunftsfähige Konzepte für 640 Deich-Kilometer


Bingen/Stuttgart - Für das auf sechs Jahre angelegte Naturschutzprojekt "Lebensader Oberrhein - Naturvielfalt von nass bis trocken" zieht der NABU jetzt eine positive Zwischenbilanz. An dem rund 2.200 Hektar großen "Hotspot der biologischen Vielfalt", um den es in dem länderübergreifenden Projekt geht, haben mit Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen drei Bundesländer mit einer Vielzahl charakteristischer Lebensräume Anteil. Entsprechend vielfältig ist auch das Paket an Naturschutz- und begleitenden Kommunikationsmaßnahmen, mit denen der NABU die biologische Vielfalt in den nassen Rheinauen und trockenen Binnendünen gleichermaßen erhalten und fördern will.

Zur Halbzeit haben die NABU-Landesverbände Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, die das Projekt für alle drei Länder koordinieren, bereits rund 80 Prozent der geplanten Naturschutzvorhaben zwischen Bingen und Bühl umgesetzt. "Wir haben über 30 Amphibientümpel angelegt, 13 Sandbiotope instand gesetzt und 200 Baumriesen als Lebensraum für Höhlenbrüter, Totholzinsekten und selten Pflanzen gesichert, um nur einige Beispiele zu nennen", berichten Projektkoordinator Robert Egeling und Katrin Fritzsch. "Mit Aktionsständen und Infotischen waren wir auf Messen und anderen Großveranstaltungen präsent. Hier und im Rahmen unserer Ausstellungen hatten mehrere hunderttausend Menschen die Gelegenheit, mit dem 'Hotspot' und dem Thema biologische Vielfalt in Kontakt zu kommen." Die Zusammenarbeit mit regionalen Partnern wie NABU-Gruppen, Kommunen, Institutionen wie ForstBW, Einrichtungen wie dem Naturhistorischen Museum Mainz und dem Naturschutzzentrum Karlsruhe-Rappenwört oder Unternehmen wie der Werner & Mertz GmbH bewähre sich. "Diese enge Kooperation ist auch deshalb wichtig, damit unsere Anstrengungen über die Projektlaufzeit hinaus Wirkung zeigen."

Naturschutz von "nass" bis "trocken"

In vielen "nassen" Bereichen des Hotspots sind die Ergebnisse der Arbeiten im Rahmen des Projekts bereits deutlich sichtbar. So wurden zum Beispiel zahlreiche Feuchtgebiete wiedervernässt. In insgesamt über 30 Tümpeln für bedrohte Amphibienarten konnten schon Moorfrosch, Knoblauchkröte oder Laubfrosch nachgewiesen werden. Zugleich dienen diese Kleingewässer als Best-Practice-Beispiele für andere Akteure im Hotspot, so plant beispielsweise die Stadt Rastatt 15 neue Teiche nach diesem Vorbild anzulegen. Auch der etwa 900 Quadratmeter große neue Lebensraum für den Schlammpeitzger in der Kinzig-Murg-Rinne wird von der außergewöhnlichen, stark bedrohten Fischart gut angenommen. Die Naturschutzarbeiten in den "trockenen" Bereichen verlaufen ebenfalls nach Plan: Sandlebensräume wurden wieder vernetzt oder durch gezielte Baumfällungen aufgewertet. Hier breitet sich etwa die stark gefährdete Graue Skabiose wieder stärker aus, eine von 15 Pflanzenarten, für deren Schutz Deutschland eine besondere Verantwortung hat, weil sie vorwiegend hierzulande vorkommt. Längst verschwunden geglaubte Vogelarten wie die Heidelerche oder stark gefährdete Insekten wie die Grüne Strandschrecke zeigen sich wieder.

Grundlagen für langfristige Effekte

Parallel erarbeiten die Naturschützerinnen und Naturschützer zusammen mit Fachleuten aus Behörden sowie Praktikern zukunftsfähige Konzepte. Dabei geht es zum Beispiel um die Deichpflege, die sowohl dem Hochwasserschutz als auch der Rolle der Deiche als Lebensraum zahlreicher gefährdeter Tier- und Pflanzenarten gerecht werden soll. "Das Besondere daran ist, dass Naturschutz- und Wasserbehördenvertreter länderübergreifend zusammen an einem Tisch sitzen und so vom Wissen und den Erfahrungen aller profitieren", berichtet Egeling. "Wir haben die Chance die Weichen zu stellen, damit zum Beispiel künftig beim Mähen der Deiche der Erhalt der Artenvielfalt eine größere Rolle spielt. 640 Rheinhauptdeich-Kilometer mit mindestens 175 Pflanzenarten und vielen seltenen und geschützten Insekten bedeuten ein enormes Potenzial." Auch neu geschaffene Datenbanken sind eine wichtige Grundlage, um den Naturschutz im Hotspot voranzubringen. So werden etwa Informationen zur Sandflora zusammengestellt, damit man bei künftigen Renaturierungsprojekten weiß, wo man gebietsheimisches Saatgut beziehen kann.

Einbindung der Menschen als Erfolgsfaktor

"Großen Teilen der Bevölkerung war zum Projektstart 2013 neu, dass sie in einem Hotspot der biologischen Vielfalt zu Hause sind", sagt Fritzsch. "Um das Bewusstsein für die Besonderheiten vor der eigenen Haustür zu stärken und die Menschen für deren Schutz zu begeistern, sind wir auf vielen Ebenen aktiv und gehen dabei auch neue Wege." So hat der NABU bereits mehr als 200 Botschafterinnen und Botschafter ausgebildet, die zum Beispiel Führungen anbieten. Online verfügbare Tourentipps laden dazu ein, den Hotspot auf eigene Faust zu erkunden. An einem Fotowettbewerb im ersten Projektjahr und einem noch bis Ende November laufenden Malwettbewerb haben sich insgesamt bereits über 260 Menschen beteiligt.

Gute Aussichten für die zweite Halbzeit

In den kommenden drei Projektjahren stehen in dem vom Bundesamt für Naturschutz sowie den Umweltministerien der Länder geförderten Projekt unter anderem weitere Naturmanagement-Maßnahmen auf dem Programm. In Baden-Württemberg rücken dabei unter anderem Trittsteinbiotope, die verschiedene Lebensräume miteinander verbinden, in den Fokus. Davon sollen etwa in der Saalbachniederung eine Vielzahl an Vogelarten wie Feldlerche, Grauammer oder Schwarzstorch profitieren. Ein Schwerpunkt in Rheinland-Pfalz wird auf der Entwicklung des Naturerlebnisgebiets bei Bingen liegen. Auf diesem modellhaften Gelände soll künftig die biologische Vielfalt am Oberrhein ganzheitlich erlebbar sein. "Natürlich kümmern wir uns parallel um die Bereiche, in denen wir die Entwicklung in den letzten drei Jahren angestoßen haben", betonten Egeling und Fritzsch. Auch die Konzepte etwa für Deichpflege oder Beweidung sollen weiterentwickelt sowie Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung fortgeführt werden.

Hintergrund: Projektstruktur "Lebensader Oberrhein - von nass bis trocken"

Drei Bundesländer (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen) haben Anteil am Projektgebiet im Biodiversitäts-"Hotspot" am nördlichen Oberrhein. Zur Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen haben sich die NABU-Landesverbände Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zusammengeschlossen. Das Projektvolumen beträgt insgesamt rund fünf Millionen Euro. Die Kosten werden zu 75 Prozent vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit über das "Bundesprogramm Biologische Vielfalt" und zu 15 Prozent von den Umweltministerien in Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg getragen. Zehn Prozent der Kosten übernimmt der NABU selbst. Weitere Informationen: www.lebensader-oberrhein.de

Video-Clips - "Lebensader Oberrhein" in 2 Minuten:
www.lebensader-oberrhein.de/film

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Quelle:
NABU Rheinland-Pfalz 34/16, 17.11.2016
Frauenlobstraße 15-19, 55118 Mainz
Telefon: 06131/14039-26, Telefax: 06131/14039-28
E-Mail: Kontakt@NABU-RLP.de
Internet: www.NABU-RLP.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2016

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