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LAIRE/062: Klimawandel, zum Nutzen der Herrschaft (SB)


Klimawandel - die ideale Bedrohung zur besseren Verfügung der Menschen


Wenn Wissenschaftler über Klimawandel in früheren erdgeschichtlichen Epochen sprechen, dann nehmen sie beispielsweise Bezug auf die Ausbreitung von Pflanzenfossilien, die Dicke von Baumringen oder die Mächtigkeit von Korallenriffen. Der Klimawandel an sich ist eine Bedrohung, die sich jeder Anschauung entzieht, solange seine Auswirkungen nicht an konkreten Beispielen aufgezeigt werden. Gerade wegen seiner Abstraktheit bildet er ein sehr wirkmächtiges ideologisches Mittel zur Durchsetzung und Stabilisierung vielfältigster Herrschaftsformen.

Von den vorherrschenden Interessen wird der Klimawandel zu einem apersonalen Feindbild aufgebaut, einem Gegengott, von dem man zwar behauptet, ihn durch die industriellen Verbrennungsvorgänge selbst in die Welt gesetzt zu haben, der aber dennoch als etwas Böses betrachtet wird, das von außen auf die Menschen zukommt und das sie letztlich unter Einsatz ihres Lebens - und Preisgabe ihrer Freiheit! - bekämpfen müssen.

Der Implementierung von Feindbildern kam von jeher eine wichtige Funktion bei der Vergesellschaftung des Menschen zu. Wozu hätten sich vor Jahrhunderten die Bauern verdingen lassen, über den Eigenbedarf ihrer überschaubaren Dorfgemeinschaft hinaus Nahrung für die Städter zu produzieren, wenn nicht nackte Gewalt und zugleich das Versprechen, als Untertan vor Verfolgung durch äußere Feinde geschützt zu sein? Und warum sollte in der heutigen Zeit ein US-Soldat die Bleifüllung seines Gewehrs in ein irakisches Haus entladen, wenn nicht letztlich wegen der Behauptung, daß dies gut sei und ihm bzw. der Gesellschaft, aus der er stammt, andernfalls schlimme Ungemach drohe?

Klimawandel eignet sich als ein perfektes Bedrohungsszenario, eben weil man sich kein Bild von ihm machen kann, sondern immer nur seine Folgen zu sehen und zu spüren bekommt. Die sind natürlich extrem destruktiv. Wie mächtig muß da erst der Ursprung sein, wenn dessen Auswirkungen schon mit derartigen Verheerungen verbunden sind?

Der Klimawandel wird auf vielschichtige Weise instrumentalisiert. Auf globaler Ebene dient er dazu, den technologischen Vorsprung der Industriegesellschaften gegenüber den Ländern des Trikont zu sichern. In diesem Kontext wäre zu fragen: Unterscheidet sich die Überzeugung der früheren Kolonialherren, sie würden den Ländern des Südens Kultur und Zivilisation bringen, wirklich so sehr von der Überzeugung beispielsweise heutiger Entwicklungspolitiker, die glauben, daß Windräder, Solaranlagen und andere technische Erzeugnisse den Menschen des Südens ausschließlich von Nutzen sind?

Wie auch immer man diese Frage beantworten will, unstrittig ist auf jeden Fall, daß die Wirtschaftsmächte ihren Weltführungsanspruch inzwischen auch über den Export von Umwelttechnologien behaupten. Es wird eine technologische Hierarchie aufgebaut beziehungsweise fortgesetzt, die bis in die Frühzeit der Kolonialgeschichte zurückreicht, als sich der Vorsprung des westlichen Kulturkreises vor allem in der Waffentechnologie und natürlich der Fähigkeit, große Entfernungen zurücklegen zu können, ausdrückte. Man kann auch verkürzt sagen: die Europäer sind in die Lebensräume der Asiaten, Afrikaner, Australier und Amerikaner eingefallen, nicht umgekehrt.

Auf zwischenstaatlicher Ebene wiederum dient der Klimawandel dazu, das hegemoniale Projekt der Europäischen Union zu stärken. Die Vereinheitlichung der Gesetzgebung zum sogenannten Klimaschutz erhöht die politische Schlagkraft der EU gegenüber anderen Weltregionen. Der Emissionshandel ist ein Ergebnis dieser Entwicklung, die darauf abzielt, andere Staaten in das System einzubinden.

Bevor damit begonnen wurde, Kohlendioxid-Zertifikate zu handeln, besaß die Luft keinen Wert. Im Unterschied zu Land und Wasser, die geteilt, abgegrenzt und der Eigentumsordnung unterworfen werden konnten - was bedeutete, sie verfügbar zu machen, um sie der Verfügbarkeit entziehen zu können -, blieb Luft ungreifbar, flüchtig. Die CO2-Zertifikate machen Luft zumindest in einem Teilaspekt zum Handelsgut. Auch das wirkt sich systemstabilisierend aus: Die wichtigste Überlebenssource verkommt zur Ware. Sie wird zum Mangel, der nach Verteilung ruft. Die steht am Beginn der Herrschaft.

National gesehen dient die Bedrohung des Klimawandels den Regierungen dazu, den Menschen Verhaltensänderungen aufzunötigen. Wer Fahrrad statt Auto fährt, darf sich klimabewußt wähnen, wer Obst aus der Region kauft, verkleinert damit seinen ökologischen Fußabdruck. Mit dem Kauf eines Kastens Markenbiers wird ein Stück des Regenwalds gerettet, und Flugreisen auf die Malediven gelten als kohlenstoffneutral, wenn nur der Passagier ein Wäldchen pflanzt (oder sich diese Arbeit von einer Firma abnehmen läßt).

Zweifellos erzeugt so etwas gute Gefühle, und ist es nicht besser, man unternimmt etwas gegen den Klimawandel, anstatt die Hände in den Schoß zu legen, Stand-by-Schaltungen zu ignorieren, halb gefüllte Waschmaschinen anzuwerfen und mit dem Auto zum Bäcker um die Ecke zu fahren? Diese Fragen sollen mit einer Gegenfrage beantwortet werden: Unternimmt man etwas gegen den Klimawandel, wenn man diese Dinge unterläßt? Oder müßte nicht alle Energie und alle Kraft dafür eingesetzt werden, um die Gültigkeit sämtlicher Ebenen, auf denen der Klimawandel zwecks Sicherung der vorherrschenden Ordnung instrumentalisiert wird, in Frage zu stellen?

Es liegt in der Logik der Herrschaft, daß sie fähig ist, jegliche widrigen Umstände in einen Nutzwert zu verkehren. Das gilt auch für den Klimawandel. Dessen Bekämpfung zu individualisieren ist ein solcher Nutzwert. Somit bleibt festzuhalten, daß selbstverständlich nichts dagegen spricht, wenn jemand Energie und damit Kohlendioxidemissionen einspart. Bei einer Politisierung des Klimaschutzes müßten allerdings die Voraussetzungen des Klimawandels in Angriff genommen werden, und das geht nicht, solange nicht die Kontinuität der Herrschaft bis zu ihrer heutigen ökoideologischen Verbrämung hinein unterbrochen wird.

19. Juni 2008