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LAIRE/083: Warnung vor Antibiotikaresistenz durch Reinigungsmittel (SB)


Britische Forscher entdeckten weit verbreitete
Antibiotikaresistenz-Gene


Flüsse, Seen und Felder in Großbritannien sind verseucht mit Chemikalien, die über Haushaltsreiniger, Shampoos oder Detergentien in die Umwelt gelangen und die Antibiotikaresistenz von Mikroorganismen stärken. Diese Beobachtung ist nicht neu (und das Phänomen beschränkt sich nicht auf unseren EU-Partner), doch warnte eine Forschergruppe der Universitäten Warwick und Birmingham vor kurzem vor den gefährlichen Folgen dieser Entwicklung, da die Resistenz inzwischen flächendeckend verbreitet sei.

Die Forscher haben zahlreiche Bodenproben aus verschiedenen Regionen Großbritanniens untersucht und herausgefunden, daß sie eine überraschend große Menge an Bakterien enthalten, die bereits antibiotikaresistente Gene trugen. Möglicherweise wurden die Gene bereits von Menschen aufgenommen, befürchten Dr. William Gaze und Prof. Liz Wellington von der Universität Warwick sowie Prof. Peter Hawkey von der Universität Birmingham.

Jedes Jahr produziere Großbritannien 1,5 Millionen Tonnen Klärschlamm, das meiste davon werde auf die Felder verteilt, sagte Gaze laut einem Bericht der britischen Zeitung "The Observer" (29.3.2009). Und der Schlamm enthalte antibiotikaresistente Bakterien, deren Vermehrung durch die Chemikalien aus den Reinigungsmitteln verstärkt werde. Dem noch nicht genug, aus Fabriken und Haushalten würden jährlich elf Milliarden Liter Wasser in Flüsse und ins Meer geleitet, auch auf diesem Wege breiteten sich Resistenzen aus.

Die Forscher hatten nach sogenannten QACs (quaternary ammonium compounds), die in vielen Haushaltsreinigern enthalten sind, gefahndet. Entsprechend große Mengen werden ständig in die Umwelt entlassen. Zwar sterben Bakterien ab, wenn sie einer hohen Konzentration von QACs ausgesetzt werden, aber da die Reiniger verdünnt werden, können die Keime daran ihre Resistenzen weiterentwickeln. Verstärkt wird dieser Prozeß dadurch, daß im Falle einer höheren Konzentration zwar manche Bakterien sterben, andere dagegen nicht. Durch diesen Mechanismus wird ausgerechnet für die abgehärteteren Gesellen in der Mikrowelt der Weg zur Vermehrung freigemacht.

Über die Nahrungskette können die Antibiotikaresistenz-Gene in die Nahrungskette und damit auch in den menschlichen Organismus gelangen, schrieben die Forscher. Zumal sich auch auf andere Weise Resistenzen entwickeln könnten. Berichtet wird von Schweinemist, in dem ebenfalls Gene, die Bakterien unempfindlich gegenüber Antibiotika machen, nachgewiesen wurden.

"Wir denken vielleicht an besondere Maßnahmen, die uns helfen, medikamentenresistente Bakterien in Krankenhäusern zu kontrollieren oder zu lokalisieren. Aber das Problem ist viel weiter verbreitet. Es ist nun da draußen, in der Umwelt", sagte Prof. Wellington. Er und seine Kollegen befürchten, daß es zu einem sogenannten horizontalen Gen-Transfer kommt. Damit wird der Austausch von (genetisch bedingten) Eigenschaften der Bakterien untereinander beschrieben.

Eine schlüssige Ursachenverknüpfung zwischen der Aufnahme von antibiotikaresistenten Bakterien aus der Umwelt und dem Versagen eines Antibiotikums bei der Behandlung einer Patientin oder eines Patienten ist kaum möglich. Das bedeutet aber nicht, daß deswegen keine Gefahr besteht. Auch ohne daß die Forscher auf diesem Gebiet einen Nachweis erbringen müßten, ist ihre Warnung gerechtfertigt. Die von den britischen Forschern aufgezeigten Verbreitungswege für resistente Bakterien sind bei weitem nicht die einzigen. Überall da, wo Bakterien bekämpft werden, wachsen die Chancen, daß einige von ihnen die Behandlung überleben und ihre Fähigkeit an die Nachkommen oder andere Bakterien weitergeben.

Forscher arbeiten ständig an verbesserten Antibiotika, suchen nach neuen Antibiotikaklassen oder völlig neuen Bekämpfungsmethoden. Dabei geraten sie eigenem Bekunden zufolge zunehmend ins Hintertreffen. Die hier erwähnte Studie ist eine von vielen, in denen Forscher vor den Folgen des wachsenden Antibiotikagebrauchs in Krankenhäusern, der Tiermedizin, der Landwirtschaft und eben auch Haushalten warnen.

Was also tun? Auf die Antibiotika in Reinigungsmitteln gänzlich verzichten? Vermutlich wären die wenigsten Menschen bereit, in die Prä-Antibiotikazeit zurückzukehren. Am besten wäre es, wenn es gelänge, das Eskalationsniveau im Kampf Mensch gegen Bakterien so niedrig wie möglich zu halten, um im Ernstfall über ausreichend wirksame Waffen zu verfügen. Das hieße, abgesehen vom Verzicht von Antibiotika in der Tiermast und die Abschaffung der Grünen Gentechnik, in der ebenfalls mit Antibiotikagenen gearbeitet wird, einen behutsameren, das heißt zielgerichteteren Einsatz von antibakteriellen Mitteln in Haushalten zu pflegen.

1. April 2009