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LAIRE/153: Dioxinskandal - ein treffendes Beispiel für die klimaschädliche Produktionsweise (SB)


Vom Klimawandel bis zur Tierbefreiung

Der aktuelle Dioxinskandal regt Grundsatzfragen zur Produktionsweise und des gesellschaftlichen Zusammenlebens an


Wieder einmal wurde in Deutschland krebserregendes Dioxin in Lebensmitteln nachgewiesen, und wieder einmal weitet sich der Vorfall aus. Offenbar wurde das mit dem Umweltgift belastete Futter wochen-, wenn nicht monatelang an Legehennen- und andere landwirtschaftliche Betriebe in mehreren Bundesländern ausgeliefert und dort vermutlich größtenteils verfüttert. Nordrhein-Westfalen (NRW) hat daraufhin vierzehn Legehennen-Betriebe vorübergehend geschlossen; Niedersachsen machte zunächst 20 Betriebe dicht und hat die vorübergehende Schließung inzwischen auf rund 1000 Legenhennen-, Schweine- und Putenzuchtbetriebe ausgeweitet.

Bei der Verfolgung der Frage, wie das Dioxin ins Futter und damit in die Nahrungskette gelangt ist, offenbart sich ein treffender Blick auf die überaus aufwendige, klimaschädliche Produktionsweise, die ein Geflecht an Handelsströmen hervorgebracht hat. Das Wirtschaftssystem ist so angelegt, daß jeder einzelne an der Dioxinverseuchung beteiligte Betrieb "vernünftig" wirtschaftet. Das bedeutet im wesentlichen, daß er Schulden machen kann, die von der Bank gedeckt werden. Der Gesamtaufwand der finalen Verwertung nicht-menschlicher Tiere jedoch, der wegen der unterschiedlichen Verkehrsströme selbstverständlich auch unter dem Gesichtspunkt der Klimarelevanz bewertet werden muß, ist gewaltig.

Die nachweislich an Betriebe in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen gelieferte, mit Dioxin belastete Ware stammt vom schleswig-holsteinischen Futtermittelhersteller Harles & Jentzsch in Uetersen und vermutlich auch von Futtermittelherstellern in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Hamburg. Harles & Jentzsch seinerseits hat das Futter nicht selbst hergestellt, sondern einen Teil des Futters, nämlich Mischfettsäure, bei einem holländischen Händler geordert und direkt an einen Betrieb im niedersächsischen Bösel schicken lassen. Auch dieser hat noch nicht das vollständige Futtermittel hergestellt. Vielmehr wanderte bei ihm das Material in die Produktion von Futterfett-Rohware, die dann endlich von den Futtermittelherstellern zu einem Tier-Mischfutter verarbeitet und an die Massentierhaltungsbetriebe ausgeliefert wurde.

Wer jetzt glaubt, daß jener holländische Händler versehentlich oder absichtlich das Dioxin in die Fette eingebracht hat, sieht sich möglicherweise getäuscht. Der Händler bezog die Ware wiederum von der Petrotec AG in Emden, die aus Altspeisefetten Biodiesel produziert. Jene Altspeisefette stammen jedoch ...

Lassen wir es dabei bewenden. Bedenkt man nun, daß beim Dioxinskandal nur ein kleiner Ausschnitt der gesamtgesellschaftlichen Produktion unter die Lupe genommen wird, läßt sich allein an der dichten Verflechtung der Betriebe wie auch allgemein der arbeitsteiligen Gesellschaft ablesen, daß hier enormer Mangel generiert wird. Die permanent erzeugten Verluste müssen entsprechend umgelastet werden und treten als fremdbestimmte Arbeit, klimaschädliche Technologien und Zerstörung ökonomischer Strukturen in den sogenannten Entwicklungsländern in Erscheinung.

Klimatechnisch betrachtet hat uns die profitgetriebene Produktionsweise dahin gebracht, daß ein erheblicher Teil der Menschheit in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aus ihrem angestammten Lebensraum fliehen muß, entweder weil der Meeresspiegel steigt, Ernten verdorren, das Grundwasser versiegt oder die Felder von Wassermassen überschwemmt werden. (Der Vollständigkeit halber sei hier angemerkt, daß sich, was die Folgen für das Klima betrifft, die staatskapitalistische Produktionsweise nicht von der marktwirtschaftlichen unterscheidet.)

Fristen sogenannte Umweltfragen innerhalb der sich gegenüber der vorherrschenden gesellschaftlichen Produktionsweise kritisch gebenden Linken bereits ein Schattendasein, so gilt dies um so mehr für den Umgang mit Tieren. Man muß sich fragen, wie die vielen linken Theoretiker, die sich für die Befreiung des Menschen starkgemacht haben, die Tiere vergessen konnten? Was ihr Überlebensinteresse betrifft, unterscheiden sie sich in keiner Weise von Menschen. Der Dioxinskandal ist auch ein Skandal der Tierverwertung.

3. Januar 2010