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LAIRE/200: Offshore-Windparks - Energie-Oligopol kommt Bürgern teuer zu stehen (SB)


Stromkunden sollen Einnahmeverluste der Netzbetreiber für Offshore-Windparks bezahlen



Die Bundesregierung will die Netzbetreiber, welche die teuren Offshore-Windparks anbinden, von einigen Risiken und Kosten entlasten und diese auf die Kunden umwälzen. Das Beispiel könnte eine Mahnung an die Wolkenkuckucksheim-Träumereien mancher Umweltschützer sein, daß auf der bevorstehenden Umweltkonferenz Rio+20, wo die Green Economy als eine Art Weltrettungskonzept propagiert wird, der kapitalistischen Verwertungsdynamik im gestreckten Galopp Zügel angelegt werden.

Laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) [1] sieht ein Verordnungsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums eine neue Umlage auf die Stromrechnung vor. Kann der in Offshore-Windparks erzeugte elektrische Strom beispielsweise aufgrund eines Leitungsschadens oder mangelnder Anbindung an das landseitige Stromnetz nicht abgeführt werden, sollen die Netzbetreiber entschädigt werden. Diese müssen solche Ausfallkosten bislang selbst begleichen, was die allgemeine Investitionsbereitschaft der Industrie in die Offshore-Windenergie schmälert. Dem will die Regierung nun entgegenwirken, indem sie an der anscheinend unsichersten Stelle, der Netzanbindung, Unterstützung leistet.

Die Förderung des von vielen Unsicherheiten behafteten, offshore generierten Windenergiestroms geht auf eine klare Richtungsentscheidung der Bundesregierung zurück. Sie sichert damit die oligopolen Strukturen der Energiewirtschaft auch in Zeiten der sogenannten regenerativen Energien aus Wind, Sonne, Biomasse, etc.

Der wahltaktische Ausstieg aus dem Atomenergie-Ausstieg der Bundesregierung im vergangenen Jahr in Folge der Havarie des japanischen Atomkraftwerkkomplexes Fukushima Daiichi bedeutet nicht, daß sich die Regierung von wirtschaftlichen Großprojekten generell verabschiedet hätte. Im Gegenteil. Auf der einen Seite werden die Einspeisevergütungen für meist kleinteilig aufgebaute Solaranlagen drastisch ausgebremst, auf der anderen wird die nur von großen Kapitaleignern zu betreibende Offshore-Windparkgigantomie gefördert.

Aus der Darstellung der FAZ läßt sich herleiten, daß die Bundesregierung mit der geplanten Verordnung auf Druck seitens der Wirtschaft reagiert hat. Die Verwaltung des deutschen Stromnetzes teilen sich wenige Betreiber. Das für die Nordseeanbindung zuständige Unternehmen Tennet hatte gedroht, den Ausbau einzustellen. Die Risiken mit einem bis zu dreistelligen Millionenbetrag seien nur teilweise versicherbar, das verschlechtere die Wirtschaftlichkeit der Investitionen, gibt die Zeitung die Ansicht der Netzbetreiber wieder. Noch vor der Sommerpause solle die Haftung begrenzt werden. Vorgesehen ist ein Ausgleich der Einspeisevergütung um bis zu 80 Prozent ab dem 15. Tag der Unterbrechung.

Sollte der Netzbetreiber grob fahrlässig gehandelt haben und es zu einer Unterbrechung der Stromabnahme kommen, beträgt der Eigenanteil des Unternehmens 25 Prozent, bei Vorsätzlichkeit darf gar nichts auf die Stromrechnung umgelegt werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, daß die Netzbetreiber eine Versicherung abschließen. In dem Maß, wie diese einspringt, würde sich der Anteil der auf die Stromkunden umgewälzten Kosten verringern. Die "Offshore-Anbindungs-Umlage" würde auf der Stromrechnung separat ausgewiesen. Daran könnten die Kunden die Höhe der Umlage ablesen.

Die Bundesregierung subventioniert die Industrie - das schließt die Windenergiebranche ein - insbesondere wenn sie Großstrukturen hervorbringt. Vielleicht wird dann der eine oder andere Kritiker über die fortgesetzte Subventionierung der Windenergie lästern. Aber er würde dabei offenbar vergessen, daß er aus seiner Stromrechnung oder seinem Steuerbescheid ebenfalls nicht die Subventionierungskosten für die Atom- und Kohleenergie herauslesen kann. Deshalb griffe eine solche Kritik zu kurz.

Das bedeutet nicht, daß die Nutzung von Windenergieanlagen keinem kritischen Blick unterworfen werden sollte. Im Gegenteil. Insbesondere mit Blick auf die in den Medien häufig kolportierten phantastischen Erntefaktoren von 40 oder gar 70 stellen sich Fragen und zeigen sich Offenlassungen und Widersprüche, die nach einer genaueren Berechnung verlangen [2], wollte man die mit den "Erneuerbaren" überwunden geglaubte technologische Sackgasse der Energieproduktion ernsthaft verlassen.

Wie gesagt, die Regierung bremst die kleinteilige Photovoltaik aus und unterstützt den Aufbau von Offshore-Windparks. Das ist kein Zufall, sondern Kalkül. Die Photovoltaik könnte den Kunden ein wenig energetische Autonomie verleihen. Die ist zwar durch eine Reihe von Faktoren begrenzt. So befinden sich die Stromnetze in Hand der Wirtschaft, und der Gesetzgeber reguliert den Bau und Betrieb von Solaranlagen. Für die Betreiber von Photovoltaikanlagen tut sich also nur ein kleiner Freiraum innerhalb seiner umfassenden Verfügbarkeit auf. In diesem Zusammenhang von Autonomie zu sprechen, wirkt deshalb übertrieben.

Aber die Photovoltaik vermag im Einzelfall, unter der Voraussetzung, daß genügend große Flächen und ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, durchaus eine relativ Unabhängigkeit von der zentralistischen Energieversorgung herzustellen. Wobei hierzu wiederum einschränkend gesagt werden muß, daß Stromversorgungskonzepte, bei dem der Betreiber einer Photovoltaikanlage den selbst produzierten Strom verbraucht, ohne entsprechend leistungsfähige Speicherkapazitäten allenfalls auf eine energetische Teilautonomie hinauslaufen.

Als alleinstehendes, gesamtgesellschaftliches Energiekonzept taugen Photovoltaikanlagen nicht. Deshalb werden sie immer als Teil einer diversifizierten Energieproduktion und des Aufbaus von Speicherkapazitäten gehandelt. Wenn nun die Bundesregierung die Subventionierung von Solaranlagen ausbremst, hat das zu einem kleinen Teil auch damit zu tun, daß sie unter bestimmten Bedingungen partielle Autonomie erzeugen können. Das macht die Administration in diesem kleinen Bereich überflüssig.

Das Problem der Netzanbindung für Offshore-Strom ist schon länger bekannt. Im wesentlichen scheint es der Regierung jedoch darum zu gehen, die heimischen Energiekonzerne und damit auch den Aufbau von Großstrukturen zu unterstützen. Die geplante Verordnung, nach der die Netzbetreiber für Offshore-Anbindungen etwaige Verluste größtenteils auf die Stromkunden abwälzen dürfen, ist die Entscheidung einer energetischen Hegemonialpolitik, also einer Politik zur Sicherung und zum Ausbau der vorherrschenden Verfügungsgewalt, in der partielle Autonomie der Einwohner oder ihre Emanzipation von der zentralistischen Versorgung mit Energie und anderen existentiell wichtigen Waren nicht erwünscht ist.


Fußnoten:

[1]‍ ‍"Energiewende - Regierung plant neue Umlage auf Strompreis", Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Mai 2012
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/energiewende-regierung-plant-neue-umlage-auf-strompreis-11752566.html

[2]‍ ‍LAIRE/192: Über die unvollständige Energiebilanz von Windkraftanlagen (SB) - Offene Fragen zur Berechnung von Aufwand und Verlusten der Energieproduktion am Beispiel der Windkraftanlage, 25. Januar 2012
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/meinunge/umme-192.html

16.‍ ‍Mai 2012