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LAIRE/289: Palmöl - reklamiert und konsumiert ... (SB)



Die EU-Kommission spricht mit gespaltener Zunge, wenn sie einerseits erklärt, daß Biodiesel aus Palmöl nicht den EU-Standards für nachhaltig produzierten Biosprit entspricht, da die Palmenplantagen das Abholzen tropischen Regenwalds befördern, sie andererseits jedoch breite Schlupflöcher in ihre Bestimmungen einbaut, so daß doch wieder Palmöl in die EU importiert werden darf. Die Konsequenz dieser Gesetzgebung wird sein, daß in die EU so viel Palmöl eingeführt wird wie eh und je. Auf diese Weise wird die Union ihre Klimaschutzziele aus dem Abkommen von Paris niemals einhalten.

Auch wenn die EU-Kommission am 8. Februar in einem sogenannten delegierten Rechtsakt [1], mit dem die Directive (EU) 2018/2001 [2] um den Aspekt der indirekten Landnutzungseffekte ergänzt werden soll, anerkannt hat, daß für Biodiesel aus Palmöl tropischer Regenwald gerodet wird und deshalb von "nachhaltigem" Biosprit aus Palmöl keine Rede sein kann, hinterfragt sie ihre Biospritpolitik nicht grundsätzlich. Dabei war es von Anfang an eine Schnapsidee, fossile Brennstoffe durch biologische ersetzen zu wollen und davon ernsthaft zu erwarten, der globalen Erwärmung entgegenwirken zu können. Biodiesel aus Palmöl ist dreimal so klimaschädlich wie Diesel aus fossilen Quellen, Biodiesel aus Soja immerhin noch zweimal so schädlich, berichtet die Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) [3] unter Berufung auf die im Oktober 2015 für die EU-Kommission erstellte GLOBIOM-Studie [4].

Selbst jene Nischenprodukte unter den Biotreibstoffen, die rechnerisch klimafreundlicher sind als ihre fossilen und nichtfossilen Vettern, wären an anderer Stelle besser einzusetzen, um den organischen Anteil der nach jahrzehntelanger Intensivlandwirtschaft degradierten Böden in vielen Ländern der Europäischen Union anzuheben und zudem die Verwendung von Kunstdünger einzusparen. Das hätte dann sogar einen positiven Klimaeffekt, weil sowohl bei Herstellung als auch Verwendung von Kunstdünger Treibhausgasemissionen produziert werden.

Bei dem Schlupfloch der EU-Kommission handelt es sich eher um ein Scheunentor. Das ist so groß, daß sogar die Forstmaschinen bequem hindurchpassen, mit denen in Ländern wie Indonesien und Malaysia weiterhin Tropenwald gerodet werden wird, sollten EU-Rat und -Parlament die Vorschläge der Kommission akzeptieren. Diesen zufolge soll die Einfuhr von Palmöl, das von (vermeintlich unabhängigen) Plantagen von bis zu fünf Hektar Größe erzeugt wird, ebenso erlaubt bleiben wie die von Öl aus dem Anbau von Palmen auf ungenutzten Flächen, auf denen mindestens fünf Jahre lang kein landwirtschaftlicher Anbau betrieben wurde. Um nur eine von zahlreichen Möglichkeiten anzudeuten, wie der Zweck der Bestimmungen umgangen werden kann: Anscheinend will die EU-Kommission den Wanderfeldbau neu beleben ...

Laut T&E ist die Abholzungsgefahr überhaupt nicht von der Größe einer Plantage abhängig. Im Gegenteil, als Beispiel nennt die Organisation das Unternehmen FELDA/FGV aus Malaysia, das bereits heute die Hälfte seines Palmöls so produziert, daß kleine Erzeuger auf kleinen Flächen Wald roden und dort Palmen anbauen, deren Früchte sie an Ölmühlen verkaufen, die wiederum von größeren Unternehmen kontrolliert werden. Und was die angeblich "ungenutzten" Landflächen betrifft, so handelt es sich in der Regel um Gebiete, in denen Menschen leben oder von denen sie leben. Diese würden somit weiterhin verdrängt, vertrieben oder sogar getötet, da sie den Palmölproduzenten im Weg sind.

Im Juni 2018 hatten das EU-Parlament und die EU-Mitgliedsländer beschlossen, die Biotreibstoffe mit dem höchsten Klimarisiko in Folge von indirekten Landnutzungsänderungen (high ILUC risk) ab 2023 bis zum Jahr 2030 auf Null zu reduzieren. Die nächsten Schlupflöcher sind schon angelegt: Ein wenig geringer risikoreiche Landnutzungsänderungen bleiben von dieser Initiative unberührt.

Erst eine Reduzierung des längst aus dem Ruder gelaufenen umfangreichen Waren- und Individualverkehrs sowie parallel dazu die Senkung des Spritverbrauchs der Autos brächte nennenswerte Einsparungen an Kohlenstoffdioxidemissionen im Verkehrssektor, wird doch rund die Hälfte des in die EU eingeführten Palmöls in Verbrennungsmotoren verfeuert.

Das allerdings dürfte kein Kommentar sein, der nach dem zur Zeit laufenden, einmonatigen öffentlichen Anhörungsprozeß [5] zu jenem Delegierten Rechtsakt von der EU-Kommission berücksichtigt werden wird. Sie war, ist und wird wohl auf immer eine Institution bleiben, die eine der Wirtschaft gewogene Politik betreibt.


Fußnoten:

[1] https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/initiative/2099/publication/525646/attachment/090166e5c164467d_en

[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018L2001&from=EN

[3] https://www.transportenvironment.org/press/eu-classifies-palm-oil-diesel-unsustainable-fails-cut-its-subsidised-use-and-associated

[4] https://ec.europa.eu/energy/sites/ener/files/documents/Final%20Report_GLOBIOM_publication.pdf

[5] https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/initiatives/ares-2019-762855_en

13. Februar 2019


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