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LAIRE/311: Scrubber - Entsorgungsprofite ... (SB)



Reeder haben ihre Flotten mit bestimmten Abgasreinigungsanlagen (Scrubbern) ausgestattet, um neue Grenzwerte für Schwefelemissionen einzuhalten. Scrubber werden aber nur gebraucht, damit die Schiffe weiter mit dem billigen, extrem schadstoffbelasteten Schweröl fahren können. Fortan werden die Giftstoffe nicht mehr in die Luft entlassen, sondern aus dem Gas herausgewaschen und ins Meer geleitet. Dank des Schweröls generieren die Reeder weiter hohe Profite und kontaminieren Mensch und Umwelt.

Im Jahr 2016 hat die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) entgegen des Bemühens einiger Reeder beschlossen, den maximal zulässigen globalen Schwefelgrenzwert für Schiffskraftstoffe im Jahr 2020 von bisher 3,5 auf 0,5 Prozent zu senken. Welche gesundheitlichen Auswirkungen der bisherige Wert hat, erschließt sich aus einer Zahlenangabe des Bundesumweltministeriums, das schreibt: "Wäre die Absenkung weiter auf 2025 verzögert worden, hätte es zu mehr als 570.000 zusätzlichen vorzeitigen Todesfällen im Vergleich zum dem jetzt beschlossenen früheren Inkrafttreten von 2020 kommen können." [1]

Anders gesagt, aufgrund der Emissionen der Schiffahrt werden vermutlich in diesem Jahr über 100.000 Menschen weltweit vorzeitig sterben. In den zurückliegenden Jahren, als der Schiffsverkehr noch nicht so stark entwickelt war wie heute, haben demnach jedes Jahr mehrere zehntausend Menschen einen vorzeitigen Tod erlitten. Das läßt eine vage Ahnung aufkommen, daß die Menge an Schadstoffen sehr groß sein muß, durch die in Zukunft die Meere anstelle der Luft kontaminiert werden. Wobei sich einzelne Staaten für ihre Hoheitsgebiete verbitten, daß die Schiffe das Waschwasser auf billige Weise "entsorgen", indem sie es einfach ins Meer leiten. Entsprechende Verbote bestehen beispielsweise für Nord- und Ostsee. Auch in irischen, US-amerikanischen und chinesischen Küstengewässern bestehen Nutzungsverbote für eine bestimmte Art von Scrubbern; seit Januar gilt dies auch für den Hafen von Fujarah in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ist an einem laufenden Projekt zur Erfassung der genauen Schadstoffbelastung von Nord- und Ostsee durch Scrubber-Waschwasser beteiligt. Über die Vielzahl, Verteilung, Menge und Herkunft der Substanzen berichtete Dr. Stefan Schmolke, Leiter des meereschemischen Labors des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie, am 4. September 2019 bei einem vom NABU organisierten Maritimen Fachgespräch in Hamburg. [2]

Den Reedern stehen im Prinzip mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, wie sie die Einhaltung der Schwefelgrenzwerte erreichen können. Anstelle der Open-Loop-Scrubber, von denen bisher die Rede war, können sie auch Closed-Loop-Scrubber in ihre Schiffe einbauen. Bei diesem erheblich teureren System werden die Schadstoffe aufwendig aus dem Waschwasser herausgefiltert und an Bord gesammelt, um sie in einem geeigneten Hafen auf kontrollierte Weise zu entsorgen. Auch Hybridsysteme sind möglich, so daß die Schiffe überall da, wo entsprechende Vorschriften bestehen, von Open- auf Closed-Loop-Scrubber umschalten können. Eine weitere Alternative besteht in Trocken-Scrubbern und selbstverständlich in der Wahl eines anderen Treibstoffs. Beispielsweise könnten die Schiffe mit Marinediesel statt Schweröl fahren, viele Schiffe werden auch auf Flüssiggas umgestellt.

Diese Woche griff die britische Zeitung "The Independent" das Thema "Scrubber" auf und bezeichnete die Open-Loop-Systeme bereits in der Artikelüberschrift als "Betrugsanlagen". Die Reeder hätten bislang über zwölf Milliarden Dollar in die Ausstattung ihrer Schiffe mit solchen Gaswaschanlagen gesteckt. Von 3.756 Schiffen, die umgerüstet wurden oder werden, besäßen jedoch nur 23 Closed-Loop-Scrubber. [3]

Für jede Tonne Schweröl, die verbrannt wird, fallen schätzungsweise 45 Tonnen aufgewärmtes, mit krebserregenden Schadstoffen wie Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Schwermetallen befrachtetes Waschwasser an, die ins Meer geleitet werden. Der "Independent" knüpft an einen laufenden gesellschaftlichen Diskurs über die Abgasemissionen von Kreuzfahrtschiffen an und berichtet, daß nach Angaben von Bryan Comer von der gemeinnützigen Umweltberatungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) - sie hatte 2015 den VW-Abgasbetrug ans Licht gebracht -, etwa die Hälfte der fast 500 Kreuzfahrtschiffe weltweit in Kürze mit Scrubbern ausgerüstet sein wird. Kreuzfahrtschiffe operierten in einigen der schönsten und entlegendsten Gebieten des Planeten, was noch mehr Anlaß zur Besorgnis sei, sagte Comer.

Ohne die Kritik am Kreuzfahrttourismus verharmlosen zu wollen, sei an dieser Stelle dem möglichen Irrtum entgegengetreten, die Cruise Liner bildeten das Hauptproblem der Emissionen aus der Schiffahrt. Zum Vergleich: 2018 gab es laut statista in der Welthandelsflotte 16.958 Stückgutschiffe, 11.379 Massengutschiffe, 7.388 Rohöltanker, 5.609 Chemikalientanker, 5.152 Containerschiffe und weitere Schiffsklassen, die noch vor den Cruise Linern zu nennen wären. [4]

Durch die Scrubber wird zwar der Luftschadstoff Schwefel reduziert, zugleich aber nehmen die CO₂-Emissionen zu, weil die Schiffe etwa zwei Prozent mehr Treibstoff verbrauchen. Es wird also mehr Schweröl verbrannt, um die Abgase schwefelarm zu machen. Zugleich werden die Schadstoffbelastung der Meere und deren Versauerung intensiviert. Die IMO will die Treibhausgasemissionen bis 2050 gegenüber dem Basisjahr lediglich halbieren. Laut den Zielen des Klimaschutzübereinkommens von Paris müßte die Wirtschaft bis dahin komplett dekarbonisiert sein.

Anscheinend sind die Reeder und deren Interessenvertretung IMO nicht im gleichen Maße an einer möglichst schadstoffarmen Umwelt und umfangreichen Schadensminimierung für die Menschen interessiert wie an der Steigerung ihrer Umsätze und am Einstreichen saftiger Profite. Nachdem die Reeder bislang die Folgekosten ihrer Luftverschmutzung auf die Gesellschaft abwälzen konnten, werden sie nun vermutlich versuchen, die Ausgaben für die "sauber" gewaschenen Abgase auf die Transportkosten aufzuschlagen. Laut dem NABU würde sich ab 2020 ein in Asien gefertigtes T-Shirt rechnerisch um 0,2 Eurocent verteuern. Das ist zu verschmerzen.


Fußnoten:

[1] https://www.bmu.de/pressemitteilung/weltschifffahrtsorganisation-imo-beschliesst-weltweites-schwefellimit-in-kraftstoffen-ab-2020/

[2] Näheres dazu im Schattenblick unter:
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umrb0155.html

[3] https://www.independent.co.uk/environment/shipping-pollution-sea-open-loop-scrubber-carbon-dioxide-environment-a9123181.html

[4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/29147/umfrage/anzahl-der-handelsschiffe-in-der-welthandelsflotte/

2. Oktober 2019


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