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STANDPUNKT/717: Mehr Aufklärung und Besonnenheit im Umgang mit Jakobskreuzkraut (NABU SH)


Gemeinsame Pressemitteilung

NABU Landesverband Schleswig-Holstein / Landesnaturschutzbeauftragter - 19. Juni 2015

NABU und Landesnaturschutzbeauftragter empfehlen:
Mehr Aufklärung und Besonnenheit im Umgang mit Jakobskreuzkraut


Neumünster, Kiel, 19. Juni 2015: Derzeit wird kaum einer Wildpflanze so viel Übles nachgesagt wie dem Jakobskreuzkraut. Jetzt schon zu hohen Pflanzen aufgewachsen, wird sein goldgelber Blütenflor im Juli auf manchen Naturschutzflächen, Brachen und Straßenböschungen das Bild bestimmen. Wie etliche andere Kräuter auch, ist das Jakobskreuzkraut aufgrund seines Alkaloidgehalts giftig.

Der Landesnaturschutzbeauftragte Prof. Holger Gerth und Fritz Heydemann vom NABU Schleswig-Holstein empfehlen jedoch mehr Aufklärung und Gelassenheit im Umgang mit dem Jakobskreuzkraut. Dafür sprechen gleich mehrere aus der Praxiserfahrung gewonnene Gründe:

Das Jakobskreuzkraut ist eine heimische Pflanze, die sich seit gut 20 Jahren auch in Schleswig-Holstein stark ausgebreitet hat. Dabei ist die Pflanze durchaus von ökologischer Bedeutung So ist sie unter anderem wichtige Wirtspflanze für bestimmte Schmetterlinge. Beispielsweise sind die Raupen Des Blutbären wirtsspezifisch auf diese Pflanze angewiesen. Sie vertragen die Alkaloide, speichern sie in ihrem Körper und werden dadurch für Fressfeinde unbekömmlich. Seit das Jakobskreuzkraut in der Landschaft verbreitet vorkommt, ist auch der auffällig gemusterte Falter viel häufiger geworden und hat in mehreren Gebieten das Jakobskreuzkraut bereits zurückgedrängt.

Auf Weiden, die konventionell landwirtschaftlich genutzt werden, hat das Jakobskreuzkraut kaum eine Chance. Die dichte Grasnarbe verhindert das Keimen und Aufwachsen der lichtbedürftigen Pflanze. So ist das Jakobskreuzkraut typisch für überbesetzte Pferdekoppeln, auf denen die Tiere die Vegetation radikal kurz gefressen und den Boden stellenweise freigescharrt haben - ein ideales Keimbett für dieses Kraut. Anfällig können auch manche extensiv genutzte Naturschutzflächen sein, besonders auf sandigen Böden und wenn sie aus einem vormaligen Acker entwickelt worden sind. Doch eigene langjährige Erfahrungen bestätigen, dass man auch bei extensiver Nutzung mit gezieltem Weidemanagement der Ausbreitung sehr erfolgreich entgegen wirken kann. Überdies geht auf den meisten betroffenen Standorten die Dichte des Jakobskreuzkrautes im Laufe der Jahre von selbst zurück.

Rinder, Schafe und Pferde meiden das stark bitter schmeckende Jakobskreuzkraut. Erst wenn das Futter auf der Weide sehr knapp geworden ist, können sie von der Pflanze fressen. Ansonsten lassen sie das Jakobskreuzkraut in der Regel stehen. Fürs Weidevieh gefährlich wird es, wenn gemulchte oder gemähte Flächen beweidet werden und getrocknetes Mähgut dort verblieben ist. Auch Heu und Heusilagen von diesen Flächen bergen Gefahren. Denn im Gegensatz zu frischen Pflanzen werden getrocknete sehr wohl gefressen, weil sie dann ihren Bittergeschmack verloren haben.

Eine intensive, flächendeckende Bekämpfung oder gar Ausrottung, wie sie von manchen aufgebrachten Pferdehaltern oder Imkern gefordert wird, ist in der Praxis nicht möglich. Schon angesichts des hohen Vermehrungspotenzials - eine Pflanze kann mehrere tausend Samen produzieren, die vom Wind verweht werden - ist dies illusorisch. Das immer wieder empfohlene Mulchen von Jakobskreuzkrautbeständen ist nicht ergebnisorientiert. Denn normalerweise blüht und fruchtet die Pflanze in ihrem zweiten Lebensjahr, um dann nach der Samenreife abzusterben. Werden die Blütenstände jedoch vorher abgemäht, bleibt der hormonelle Impuls zum Absterben aus und die Pflanze versucht, im kommenden Jahr zur Blüte zu gelangen. Mulchen wirkt also meistens lebensverlängernd. Zudem wird außer acht gelassen, dass abgemähte Blütenstände häufig Samen in Notreife produzieren.

Überdies bedeutet das Mulchen wegen der Sogwirkung der eingesetzten Geräte den Tod der Insekten und sonstigen Kleintiere, die sich in den Pflanzenbeständen oder auf dem Boden befinden. Daher sollte besser gemäht werden. Dennoch ist auch das Mähen den Entwicklungszielen des Naturschutzes vielerorts abträglich. Denn dort sollen sich mit Blütenreichtum, einem Mosaik aus hoher und niedriger Vegetation, aufkommenden Gebüschen usw. ja gerade die Strukturen bilden, die auf herkömmlichen Landwirtschaftsflächen nicht mehr zu finden sind. Diese Vielfalt sollte nicht durch eine Mahd nivelliert und damit zunichte gemacht werden. Außerdem führt verbleibendes Mähgut auf den betroffenen Flächen zur Nährstoffanreicherung und zum Ersticken sensibler Pflanzenarten.

Ökologisch sehr problematisch wäre auch der Umbruch von mit Jakobskreuzkraut bestandenen Naturschutzflächen. Denn dadurch würde die gesamte Flora und Fauna auf einen Schlag vernichtet werden.

Mit etwas Besonnenheit lässt sich nicht nur die mögliche Gefährdung für Weidetiere minimieren. Auch um die Qualität des Honigs muss man sich keine Sorgen machen, wie umfangreiche Analysen im Auftrag des Umweltministeriums ergeben haben: Nur bei sehr wenigen Proben war der Grenzwert an Pyrrolizidinalkaloiden, den Giftstoffen des Jakobskreuzkrautes, überschritten. Aufmerksame Imker stellen ihre Bienen nicht direkt neben eine blühende Jakobskreuzkrautflur. Denn das Jakobskreuzkraut blüht meist erst ab Mitte Juli und damit erst dann, wenn die Honigernte für die meisten Imker ohnehin abgeschlossen sein dürfte und die Zeit des Anfütterns der Bienen beginnt. Als Imker hat der Landesnaturschutzbeauftragte, als im letzten Jahr die Blüte des Jakobskreuzkrautes früher als in Normaljahren lag, seinen Honig 14 Tage früher abgeschleudert, damit sich keine Alkaloide im Honig anreichern konnten.

In keiner Weise akzeptabel wäre eine flächige chemische Bekämpfung des Jakobskreuzkrauts, wie es von mancher Seite immer wieder als Forderung gegenüber der Stiftung Naturschutz für halboffene Weidelandschaften, den Landesforsten für Neuaufforstungen oder den Straßenmeistereien für Straßenrandbereiche erhoben wird. Nicht ohne Grund schließen Pflanzenschutzrecht und andere Bestimmungen den Herbizideinsatz hier grundsätzlich aus!

NABU und Landesnaturschutzbeauftragter plädieren keineswegs dafür, jede Jakobskreuzkrautpflanze unangetastet zu lassen. Wer, wie gerade Pferde-und Rinderbesitzer, Gefahren in der Pflanze sieht, sollte bei einer Besiedlung seiner Koppel mit einzelnen Pflanzen diese ausstechen, um einer Ausbreitung vorzubeugen. Auch ist nichts dagegen einzuwenden, wenn auf landwirtschaftlichen Nutzflächen wie Pferdeweiden größere Kolonien selektiv mit einem dafür zugelassenen Herbizid per Rückenspritze beseitigt werden. Die beste Methode stellt allerdings zweifelsfrei eine richtige Grünlandpflege mit einer dichten Grasnarbe dar, die das Jakobskreuzkraut gar nicht erst aufkommen lässt.

Im Hinblick auf den Umgang mit dem Jakobskreuzkraut, seinem Ausbreitungsverhalten und seinem Gefahrenpotenzial ist noch viel Aufklärung und Besonnenheit notwendig. Denn schließlich sollen weder Nutztiere und Honig noch die Natur dabei zu schaden kommen.

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Quelle:
Presseinformation, 19.06.2015
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Schleswig-Holstein
Färberstr. 51, 24534 Neumünster
Tel.: 04321/53734, Fax: 04321/59 81
E-mail: info@NABU-SH.de
Internet: www.NABU-SH.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2015

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