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STANDPUNKT/1025: Mehr Schein als Sein? Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Endlagersuche (Gorleben Rundschau)


Gorleben Rundschau - VII-VIII/2018, 40. Jahrgang, Ausgabe 1067
Wir sind die Wenden: Energie · Klima · Mobilität · Gesellschaft

Mehr Schein als Sein?
Was bringt die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der neuen Endlagersuche?

von Andreas Conradt


Auftakt
Seit dem Beginn der Erkundung Gorlebens fordert die Anti-Atom-Bewegung eine Beteiligung der Zivilgesellschaft am Verfahren. Seit dem Beginn der so genannten "neuen Endlagersuche" gibt es sie tatsächlich. Doch das Nationale Begleitgremium ist auch in der Bewegung umstritten. Andreas Conradt mit einem Blick hinter die Kulissen.


Als für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle Deutschlands noch allein das Wendland auserkoren war, haben die Gegner der Erkundung des Salzstocks Gorleben jahrzehntelang um eine Mitwirkungsmöglichkeit im Verfahren gekämpft - erfolglos. Die Beteiligung konnte verweigert werden, weil im Wendland auf Basis des Bergrechts erkundet wurde, nicht auf Basis des viel strengeren Atomrechts. Allein dieser Umstand gilt unter Kritikern als Beleg dafür, dass eine Mitwirkung nicht nur nicht erwünscht war, sondern mit allen Mitteln und Tricks verhindert wurde.

Dann kam der Castortransport im November 2011 und in der Folge der massiven Proteste und Widerstandsaktionen dagegen die so genannte "neue Endlagersuche", angeblich vergleichend, angeblich mit Öffentlichkeitsbeteiligung und auf einer angeblich weißen Landkarte, deren tiefschwarzer Fleck - Gorleben - freilich weiter mit von der Partie ist.

Und auch mit dem neuen Bekenntnis zur Beteiligung könnte es nicht allzu weit her sein, denn in der jetzigen Phase des Abfragens geologischer Daten bei den Bundesländern beschränkt sie sich auf die Teilnahme der Öffentlichkeit an Workshops des Nationalen Begleitgremiums (NBG). Zwar ist es nach eigenem Bekunden betraut mit der "vermittelnden und unabhängigen Begleitung des Standortauswahlverfahrens bis zur Standortentscheidung. Dazu gehört insbesondere auch die begleitende Umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligung am Standortauswahlverfahren."

Nach jahrzehntelangem Gerangel um eine Öffentlichkeitsbeteiligung bleibt die Anti-Atom-Szene aber auch nach der Einführung des NBG skeptisch. Dabei ist der Zweifel am Willen eines offenen und transparenten Verfahrens auch unter den Akteuren der Bewegung sehr unterschiedlich stark ausgeprägt. Meist gibt es selbst innerhalb ein und derselben Initiative differierende Bewertungen. So halten einige Aktive den NBG-Vorsitzenden Klaus Töpfer für durchaus interessiert am Austausch mit der Anti-Atom-Bewegung und hoffen darauf, dass ihr Input durch seinen Einfluss im Verfahren Niederschlag finden wird. Er selbst hat angekündigt, im Bundestag Rederecht einfordern zu wollen. Inwieweit dies gegebenenfalls zu Anpassungen des Verfahrens führen würde, steht allerdings dahin. Andere sehen in Töpfer gleich den Wolf im Schafspelz, fürchten das simple Abspulen des vorgegebenen Programms und verweisen unter anderem auf seine Aussage, dass nun mal nicht alles untersucht werden könne.

"Es gibt keine gemeinsame Haltung der Anti-Atom-Bewegung zum Nationalen Begleitgremium"

In Teilen der Anti-Atom-Bewegung wird darum befürchtet, dass Bundesregierung, Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und das Nationale Begleitgremium die Endlagersuche am liebsten im Geheimen durchziehen würden. Weil das aber nicht geht, könnte die jetzige Form der Bürgerbeteiligung die Funktion eines Feigenblatts haben: Betroffene zu Wort kommen lassen, vielleicht sogar Argumente abgreifen - und dann doch von oben entscheiden.

Letztlich liegt das Unbehagen der Anti-Atom-Bewegung in dem Zweifel begründet, ob die "neue Endlagersuche" tatsächlich, wie stets beteuert, mit einem lernenden Verfahren und mit einer Beteiligung der Öffentlichkeit auf Augenhöhe und mit der Möglichkeit von Einflussnahme betrieben wird. Das allerdings setzte einen bisher im Bundestag völlig ungeübten Politikstil voraus. Der vor dem Hintergrund der bayerischen Landtagswahl losgetretene Streit zwischen Merkel und Seehofer lässt erahnen, wie sehr themenferne Gründe eine Rolle dabei spielen könnten.

Auch innerhalb der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (BI) gehen die Einschätzungen zum NBG weit auseinander. Die Meinungen liegen auf der ganzen Bandbreite zwischen "Besser als nichts" und "Achtung, Mitmachfalle!" Vertrauen, freilich, sieht anders aus. So wurde in der März-Ausgabe der Gorleben Rundschau ein Artikel von Wolf-Rüdiger Marunde veröffentlicht, der dem NBG Respekt zollte für sein Bemühen, auch das Problem der Langzeit-Zwischenlagerung zu thematisieren. In dieser Ausgabe stellt Matthias Trénel sieben Thesen in den Raum, die ein gewisses Wohlwollen dem Begleitgremium gegenüber erkennen lassen. Anders sieht das Jochen Stay, der dem NBG schlicht die Rolle eines Feigenblatts zuschreibt.

Fest steht eigentlich nur, dass es eine gemeinsame Haltung der Anti-Atom-Bewegung zum Nationalen Begleitgremium nicht gibt, vielleicht nie geben wird. Und vielleicht liegt gerade darin, in der Diversität der Meinungen, die Kraft der Bewegung, sich nicht schein-beteiligen zu lassen, sondern beständig Einfluss zu fordern.

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Quelle:
Gorleben Rundschau - Juli/August 2018, Seite 11 - 12
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.
Rosenstr. 20, 29439 Lüchow
Tel. 05841/46 84
E-Mail: redaktion@gorleben-rundschau.de
Internet: www.gorleben-rundschau.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2018

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