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STELLUNGNAHME/131: NABU und WWF - Keine Empfehlung für Muscheln aus dem Watt (NABU)


Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. - Gemeinsame Pressemitteilung mit dem WWF, 29. Oktober 2013

Keine Empfehlung für Muscheln aus dem Watt

WWF und NABU kritisieren MSC-Zertifikat der Miesmuschelfischerei im niedersächsischen Wattenmeer



Hamburg/Berlin - In Kürze können Verbraucher Miesmuscheln aus Niedersachsen mit MSC-Siegel kaufen, gerade hat die Fischerei ihr Zertifikat erhalten. Die fragliche Muschelfischerei wird dort innerhalb des als Nationalpark geschützten und als Weltnaturerbe anerkannten Wattenmeeres durchgeführt. WWF und NABU kritisieren diese Zertifizierung, da sie weder die ökologisch nachteiligen Auswirkungen der Fischerei noch den Schutzanspruch des Wattenmeeres ausreichend berücksichtigt. Laut Umweltverbänden steht die niedersächsische Miesmuschelfischerei auch im Widerspruch zu nationalem und europäischen Naturschutzrecht. Der MSC ist die weltweit glaubwürdigste Umweltzertifizierung für Meeresfischereien, hat aber bei dieser speziellen Zertifizierung nicht die nötigen Nachhaltigkeitskriterien sicherstellen können.

"Die jetzige Form der Fischerei schädigt die Muschelbänke im Wattenmeer und nimmt geschützten Vögeln die Nahrungsgrundlage. Sie entspricht nicht den Zielen des Nationalparks und der Verbraucher kann nicht darauf vertrauen, dass diese Muscheln ohne Belastung des Ökosystems gewonnen wurden. Ein Umweltsiegel für diese Fischerei lehnen wir daher ab, solange die Fischerei nicht auf naturschonende Verfahren umgestellt wird", kommentiert Hans-Ulrich Rösner, Leiter des WWF Wattenmeerbüros die Zertifizierung.

Wilde Miesmuschelbänke werden unter Wasser und auf dem Watt mit schwerem Fanggerät - sogenannten "Dredgen", die aus einem Metallrahmen und aufgespannten Netz bestehen - fast vollständig abgeerntet. Der charakteristische Lebensraum Muschelbank geht so auch für zahlreiche Begleitarten verloren. Neue Muschelbänke können so nicht mehr natürlich entstehen. Vogelarten wie der Austernfischer sind aber auf die Miesmuscheln als Nahrungsquelle angewiesen. Die Bestände der eigentlich zu zehntausenden im Wattenmeer rastenden Austernfischer gehen seit vielen Jahren stark zurück. Zudem wollen die Fischer junge Miesmuscheln, sogenannte Saatmuscheln, aus dem niederländischen Wattenmeer in den Nationalpark importieren. Hier werden sie auf Kulturflächen ausgesetzt, und nach dem Heranreifen abgefischt. Mit solchen Importen werden aber weitere gebietsfremde Arten in den Nationalpark eingeschleppt. Zu den schon verbreiteten Bioinvasoren gehören beispielsweise die Pazifische Auster oder die amerikanische Schwertmuschel.

"In so sensiblen Schutzgebieten wie dem Wattenmeer muss man die Auswirkung einer Fischerei auf das gesamte Ökosystem bewerten, doch gegen diesen Grundsatz wird in Niedersachsen verstoßen. Das System MSC weist hier in seinem Bewertungsschema eine gefährliche Lücke auf", erläutert Kim Detloff, NABU-Meeresschutzexperte. "Zentrales Ziel eines Nationalparks sollte es sein, dass sich heimische Natur ungestört entwickeln kann und alle typischen Arten einen intakten Lebensraum vorfinden."

WWF und NABU haben sich über Jahre aktiv und konstruktiv am MSC-Verfahren beteiligt. Sie hatten erwartet, dass im Rahmen des Verfahrens entsprechende Veränderungen zu einer ökologisch nachhaltigen Form der Muschelfischerei erarbeitet würden. Dies ist jedoch nicht gelungen, die Fischerei will auf schädliche Praktiken wie die Abfischung von natürlichen Wildmuschelbänken und den Import von gebietsfremden Muscheln in den Nationalpark nicht verzichten. Im Laufe des Verfahrens wurde deutlich, dass für die bisherige Muschelfischerei auch keine Umweltverträglichkeitsprüfungen vorliegen, wie sie deutsches und europäisches Naturschutzrecht für Schutzgebiete vorschreiben. Nicht einmal hierfür wurde im Zertifizierungsverfahren eine Nachbesserung verlangt.

WWF und NABU erwarten vom MSC, seiner Aufgabe als globales Umweltsiegel nachzukommen. Viele Staaten sind nicht in der Lage oder willens Fischerei nachhaltig durchzuführen und zu regulieren. Negative Begleiteffekte wie Überfischung und Zerstörung von Ökosystemen sind die Folge. Ein mangelhaftes Management durch die Behörden muss aus Sicht der Verbände durch entsprechende Auflagen in der MSC-Zertifizierung korrigiert werden, damit die zertifizierte Fischerei nachhaltig wird:
"Fischereien in Naturschutzgebieten oder Nationalparks sind nicht automatisch umweltverträglich, sondern stehen oft noch im Konflikt mit dem Schutzauftrag. Der MSC-Standard berücksichtigt momentan die strengeren Anforderungen durch Schutzgebiete nicht ausreichend und muss entsprechend verbessert werden. Eine Fischerei in geschützten Gebieten darf erst dann als nachhaltig zertifiziert werden, wenn sie in voller Übereinstimmung mit den Naturschutzzielen ausgeübt wird", fordern WWF und NABU. Der MSC-Standard durchläuft aktuell eine Überarbeitung, in der dieses Defizit nach Ansicht der Verbände nachgebessert werden muss. Nur so könne MSC seinen Status als heute glaubwürdigster Umweltstandard für Fischprodukte erhalten.

Raute

Stellungnahme des WWF Deutschland und des NABU (Naturschutzbund Deutschland) zur MSC-Zertifizierung der Miesmuschelfischerei im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer

29. Oktober 2013

Einführung und Hintergrund

Die niedersächsische Miesmuschelfischerei hatte im Jahr 2011 die Zertifizierung nach dem Standard des MSC (Marine Stewardship Council) beantragt. Diese Fischerei wird innerhalb des als Nationalpark geschützten und als Weltnaturerbe anerkannten niedersächsischen Teils des Wattenmeeres durchgeführt. Für die für diese Fischerei zunächst erforderliche Gewinnung von sog. Saatmuscheln kommen mehrere Methoden zur Anwendung:

  • Abfischung wilder Muschelbänke im trockenfallenden Watt und im Unterwasserbereich des Wattenmeeres,
  • Import von Saatmuscheln aus entfernten Regionen, sowie
  • Gewinnung von Saatmuscheln an Hängekulturen ("Saatmuschelgewinnungsanlagen", bei Wilhelmshaven).

Die so jeweils gewonnenen Saatmuscheln werden bis zur späteren Ernte von Konsummuscheln auf sog. Kulturflächen im Wattenmeer ausgebracht und dort regelmäßig umgelagert. Diese quasi künstlichen Muschelflächen sind mit natürlichen Muschelbänken in ihrem Reichtum an Struktur und Arten nicht vergleichbar. WWF und NABU kritisieren die beschriebene Form der Muschelfischerei seit langem, da sie mit dem hohen Schutzanspruch des Wattenmeeres nicht zu vereinbaren ist (vgl. unten).

Die Aufnahme des MSC-Verfahrens in 2011 wurde in dieser Situation aber mit der Erwartung, dass im Zuge des Zertifizierungsverfahrens entsprechende Veränderungen in Richtung einer ökologisch nachhaltigen Muschelfischerei erarbeitet würden, grundsätzlich begrüßt. Mit der Idee eine nachhaltige Zertifizierung durch den MSC zu erreichen, haben sich WWF und NABU aktiv und konstruktiv an dem MSC-Verfahren beteiligt (als sog. "Stakeholder") und während der verschiedenen Verfahrensschritte Stellung genommen. Nachdem der am Ende erstellte Zertifizierungsbericht jedoch keine Maßnahmen für eine an den Zielen des Nationalparks ausgerichtete und damit auch ökologisch nachhaltige Umstellung der Fischerei beinhaltete, erarbeiteten die beiden Umweltverbände eine umfassende kritische Stellungnahme, die wichtige Änderungen bei der Fischerei verlangte. Dennoch sprach die mit dem Zertifizierungsverfahren beauftragte Firma FCI im Mai 2013 eine Empfehlung zur MSC-Zertifizierung aus. WWF und NABU sahen die Voraussetzungen für eine Zertifizierung entsprechend des Standards des MSC als nicht erfüllt an und haben daraufhin einen formalen Einspruch eingelegt, wie er als Teil des MSC-Verfahrens möglich ist.

WWF und NABU haben die Notwendigkeit zu diesem Einspruch bedauert und hätten es vorgezogen, wenn es im Laufe des Verfahrens zu Gesprächen gekommen wäre, mit dem Ziel, gemeinsam Wege für eine dem Nationalpark angemessene ökologisch verträgliche Fortführung der Miesmuschelfischerei zu erörtern und die entsprechenden Schritte dahin zu vereinbaren. Auch nach dem formellen Einspruch haben WWF und NABU entsprechende Vorschläge gemacht (vgl. unten 3.), die von den Vertretern der Muschelfischerei jedoch zurückgewiesen wurden. Trotz weiterer Stellungnahmen in dem Einspruchsverfahren sowie einer mündlichen Verhandlung hat der vom MSC eingesetzte Schiedsrichter (engl. "Independent Adjudicator") im September 2013! den Einspruch von WWF und NABU zurückgewiesen.

Damit steht fest, dass nach dem Standard des MSC nun die Zertifizierung erfolgt und Miesmuscheln aus dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer mit dem MSC-Siegel in den Handel kommen werden. Das Regelwerk des MSC beinhaltet einen Verbesserungsmechanismus für das Management der Fischereien. Wenn nötig, werden Auflagen bei der Zertifizierung erteilt und deren Umsetzung jährlich kontrolliert. Wird der Aktionsplan nicht entsprechend umgesetzt, so muss der Zertifizierer der Fischerei das MSC-Label aberkennen. Wenn die jährliche Überprüfungen durch den Zertifizierer erfolgreich verlaufen und alle Auflagen umgesetzt sind, kann nach fünf Jahren eine Rezertifizierung erfolgen. Die beiden Umweltverbände empfinden, dass die Auflagen des Zertifizierers im Fall der niedersächsischen Muschelfischerei nicht geeignet sind, eine nationalparkgerechte und ökologisch verträglich Ausrichtung durchzusetzen.

WWF und NABU bedauern und kritisieren die MSC-Zertifizierung der niedersächsischen Miesmuschelfischerei in ihrer jetzigen Form, da sie weder ausreichend die ökologisch nachteiligen Auswirkungen der Fischerei noch den Schutzanspruch des Wattenmeeres berücksichtigt, und nehmen dazu wie folgt Stellung:

1. Das Verfahren in Niedersachsen hat gezeigt, dass der MSC-Standard in seinen Anforderungen an den Schutz von besonders empfindlichen Lebensräumen (im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Nationalpark, einer der strengsten internationalen Schutzkategorien) nicht eindeutig und entsprechend heutiger Nachhaltigkeitskriterien formuliert ist. Die anstehende Überprüfung dieses Standards muss deshalb dringend zu Nachbesserungen bei diesem für die Zukunft der Meere so wichtigen Umweltsiegel führen. Es ist wichtig, dass der MSC seinen Standard so anpasst, dass Fischereien, die besonders empfindliche Lebensräume und Schutzgebiete beeinträchtigen, nur zertifiziert werden können, wenn sie in voller Übereinstimmung mit deren Schutzanspruch ausgeübt werden. Auch aus der Entscheidung des Schiedsrichters in dem o.g. Einspruchsverfahren ergeben sich hierzu klare Hinweise (in Englisch, Hervorhebung durch WWF/NABU):
15. "... Much of the objector's case, in my judgement, particularly their arguments related to the procedure and the adequacy of conditions, raises policy questions that should be directed to the MSC rather than a challenge under the terms of the CR as written. Whatever the merits of these arguments, and they are weighty, my decision in this matter must, as stated in paragrah 11 above, be limited under the terms of the Objections Procedure to more narrow questions relating to the "rationality" of or support for the CAB's determinations."
18. "Finally, it should be pointed out that it is not at all clear that the nature of the assessment tree should be altered simply because a fishery takes place in an MPA [Anm: Meeresschutzgebiet]. ... Whether there should be more required, e.g., the existence of an EIA [Anm.: Verträglichkeitspüfung] for European fisheries in MPAs, is a policy call for the MSC but not grounds for finding a procedural violation ... ."

In diesem Zusammenhang steht auch, dass WWF und NABU wiederholt in dem Verfahren bemängeln mussten, dass keine Verträglichkeitsprüfungen für die Muschelfischerei im niedersächsischen Wattenmeer vorliegen, obwohl es sich dabei um ein Schutzgebiet handelt und solche Prüfungen im deutschen und europäischen Naturschutzrecht verbindlich erforderlich sind. Seitens des Zertifizierers wurde entgegnet, es sei nicht seine Aufgabe, dieses einzufordern, wenn die Behörden es nicht tun. Für WWF und NABU ist es jedoch eine fundamentale Anforderung an den MSC, über die staatlichen bzw. behördlichen Ansprüche wenn erforderlich hinauszugehen und so ein unbefriedigendes Management durch die Behörden, wie es im niedersächsischen Wattenmeer-Nationalpark gegeben ist, entsprechend der Gesetzeslage zu kompensieren. Dies hätte im Fall der niedersächsischen Miesmuschelfischerei unbedingt erfolgen müssen. Schließlich wurde der MSC gerade deshalb als globales Umweltsiegel gegründet, weil viele Staaten nicht in der Lage oder willens sind, die Fischerei in den Weltmeeren so durchzuführen und zu regulieren, dass die negativen Begleiteffekte, die von massiver Überfischung bis hin zu Artenverlusten und der Zerstörung von Ökosystemen reichen, verhindert werden.

Dieser Qualitätsanspruch an den MSC entspricht der Erwartung und dem Anspruch der Verbraucher, die über den MSC und ihre Einkaufsentscheidung mehr Einfluss bekommen sollen, damit das Fischereimanagement verbessert und die Fischerei insgesamt nachhaltiger wird. Für Fischprodukte aus Wildfängen ist das MSC-Label derzeit das glaubwürdigste Umweltsiegel und das einzige, das die Zertifizierungsrichtlinien der Welternährungsorganisation FAO in vollem Umfang berücksichtigt. Der MSC-Standard und die dazugehörigen Regeln werden aktuell unter Einbezug der Interessenvertreter überarbeitet und soll dabei den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden. WWF und NABU setzen sich dabei dafür ein, dass der MSC-Standard in seinen Anforderungen an den Schutz von besonders empfindlichen Lebensräumen dringend verbessert wird und zusätzlich Richtlinien für Fischereien, die in Meeresschutzgebieten tätig sind, eingeführt werden. Nur so kann der MSC-Standard eindeutig und entsprechend heutiger Nachhaltigkeitskriterien formuliert werden.

2. Die Miesmuschelfischerei im niedersächsischen Wattenmeer in ihrer heutigen Form gefährdet Arten und Lebensräume und ist mit dem Schutzanspruch des Nationalparks nicht zu vereinbaren. Viele Aspekte der Miesmuschelfischerei im niedersächsischen Wattenmeer sind im Punktesystem der Zertifizierung schlecht bewertet worden - aber gerade nur so schlecht, dass die Zertifizierung nicht versagt werden konnte. Der unabhängige Schiedsrichter hat die Entscheidungen des Zertifizierers in diesen Punkten aus überwiegend formalen Gründen bestätigt. Dieser Einschätzung folgen WWF und NABU jedoch nicht und kritisieren insbesondere:

  • Die Lebensräume "Miesmuschelbank im trockenfallenden Watt" und "Miesmuschelbank im Unterwasserbereich des Wattenmeeres" werden im niedersächsischen Wattenmeer bei der gegenwärtigen Praxis der Fischerei weitestgehend vollständig abgefischt und so zerstört. Neue Muschelbänke, die tatsächlich von Miesmuscheln dominiert sind, und nicht von der eingeschleppten Pazifischen Auster überwachsen werden, können sich im Nationalpark so nicht mehr entwickeln. Es ist aber das zentrale Ziel des Nationalparks, dass die Natur sich ungestört entwickeln kann und dass alle wattenmeertypischen Arten und Lebensräume vorkommen.
  • Das Verschwinden der Miesmuschelbänke im trockenfallenden Watt bedroht die Bestände der Austernfischer, eines Küstenvogels, der auf das Wattenmeer und die ursprünglich reichhaltige Nahrung dort mit dem größten Teil seines Bestandes angewiesen ist. Zwar fressen Austernfischer auch junge Pazifische Austern, in Qualität und Verfügbarkeit sind diese jedoch kein ausreichender Ersatz. Die Bestände der eigentlich zu zehntausenden im Wattenmeer rastenden Austernfischer gehen seit vielen Jahren stark zurück. Dieser Rückgang wird von vielen Wissenschaftlern mit der Muschelfischerei in Verbindung gebracht.
  • Durch den geplanten Import von jungen Miesmuscheln aus dem niederländischen Wattenmeer nach Niedersachsen besteht ein erhebliches Risiko, weitere gebietsfremde Arten einzuschleppen. Das Beispiel der Pazifischen Auster mit ihrer inzwischen massenhaften Ausbreitung zeigt drastisch, wozu solche Verschleppungen im geschützten Wattenmeer führen können. Selbst solche Importe werden nicht von der Zertifizierung ausgeschlossen. Für das schleswig-holsteinische Wattenmeer wurden Muschelimporte durch das Oberverwaltungsgericht Schleswig untersagt, weil sie nicht mit dem dortigen Nationalparkgesetz im Einklang stehen. Die Entscheidung wurde von Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

Aus Sicht von WWF und NABU ist mit Bedauern festzustellen, dass die Miesmuschelfischerei im niedersächsischen Wattenmeer auch künftig in einer noch nicht im Einklang mit den Nationalparkzielen stehenden und ökologisch verträglichen Weise ausgeübt werden soll. Der Verbraucher kann deshalb leider nicht darauf vertrauen, dass diese Muscheln ohne Belastung des Ökosystems und der natürlichen Ressourcen gewonnen wurden.

3. WWF und NABU halten eine nachhaltige und naturverträgliche Miesmuschelfischerei in Niedersachsen für möglich und fordern eine entsprechende Umstellung. Unsere Forderungen hierzu sind:

  • Es darf keine unbegrenzte Fortsetzung der Fischerei auf wilde Saatmuscheln im Nationalpark geben, weder im trockenfallenden (Eulitoral) noch im ständig wasserbedeckten Bereich (Sublitoral). Um dies umzusetzen muss ein zeitlich eng strukturierter Ausstiegsplan festgelegt werden.
  • Es darf keinen Import von Saatmuscheln aus entfernten Gebieten in das niedersächsische Wattenmeer geben, auch nicht aus dem niederländischen oder dem schleswig-holsteinischen Wattenmeer, um die weitere Einschleppung gebietsfremder Arten zu vermeiden.
  • Auch für Saatmuschelgewinnungsanlagen (Hängekulturen) muss es stets eine den Anforderungen der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Nationalparkgesetzgebung genügende Verträglichkeitsprüfung im Rahmen eines Verfahrens geben, bei dem Naturschutzverbände beteiligt werden. Die Hängekulturen sollten auf Flächen außerhalb des Nationalparks (z.B. Wilhelmshaven) begrenzt werden.
  • Für das Ausmaß der Saatmuschelgewinnungsanlagen und für die im Nationalpark zur Verfügung gestellten Kulturflächen muss es auch eine quantitative Begrenzung geben, die sicherstellt, dass das Ausmaß traditioneller Fischerei nicht überschritten wird und das Ökosystem als Ganzes nicht negativ beeinflusst wird.
  • Das Töten oder Vergrämen von mit den Muschelkulturen assoziierten Tiergruppen (Seesterne, Eiderenten) muss ausgeschlossen werden.

WWF und NABU sind davon überzeugt, dass bei gutem Willen aller Beteiligten eine solche Umstellung möglich ist und eine ökologische Zertifizierung nach dem MSC-Standard dann auch voll gerechtfertigt wäre. Wir weisen darauf hin, dass auch in den Niederlanden vor Jahren entschieden wurde, die Wildmuschelfischerei im dortigen Wattenmeer nach einem Übergangszeitraum zu beenden und durch Saatmuschelgewinnung an Hängekulturen zu ersetzen, damit die Fischerei nicht gegen die Anforderungen der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie verstößt. Nach den eigenen Daten der Muschelfischerei erzielen die bereits bestehenden Saatmuschelgewinnungsanlagen bei Wilhelmshaven einen Ertrag, der deutlich macht, dass auf diesem Wege auch ohne Wildmuschelfischerei und Importe ausreichend Saatmuscheln gewonnen werden können, um nachhaltig zu wirtschaften und dabei den Anforderungen des Nationalparks gerecht zu werden.

Fazit: WWF und NABU lehnen die MSC-Zertifizierung der niedersächsischen Muschelfischerei in ihrer nun erfolgenden Form ab, da diese Fischerei derzeit noch Im Widerspruch zum nationalen und europäischen Naturschutzrecht ausgeübt wird und den Zielen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer entgegensteht.

weitere Informationen:
www.nabu.de
www.wwf.de/watt

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Quelle:
NABU Pressedienst, 29.10.2013
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2013