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ATOM/357: Marokko will 2 Akws bauen - als Klimaschutzmaßnahme (SB)


Daran soll die Welt genesen ... ausgerechnet Kernkraftwerke!


Der Weltklimagipfel von Kopenhagen hat nichts gebracht, so die allgemeine Lesart. Eine Ausnahme von dieser Einschätzung: Der Bau großer hydroelektrischer Kraftwerke und Kernkraftwerke wird als Klimaschutzmaßnahme anerkannt.

Nach den Bestimmungen des Copenhagen Accord konnten die Entwicklungsländer bis zum 31. Januar Vorschläge unterbreiten, auf welche Weise sie ihre Treibhausgasemissionen reduzieren wollen. Also hat Marokko beschlossen, zwei Kernkraftwerke bauen zu wollen und sich dies im Rahmen der sogenannten NAMAs (Nationally Appropriate Mitigation Actions) als Klimaschutzmaßnahme anrechnen zu lassen, wie die industrienahe Website world-nuclear-news.org berichtete. [1]

Im Januar 2008 hatte bereits ein Vertreter des russischen Nuklearkonzerns AtomStroyExport dem Maghrebstaat einen Besuch abgestattet. Im Juli 2008 folgte der französische Präsident Nicolas Sarkozy und hat mit Marokko ein Abkommen zur Kooperation zur Nutzung der Nuklearenergie abgeschlossen.

Dem von Marokko eingereichten Vorschlag zufolge sollen zwei Reaktoren zu je 1000 MW gebaut werden. Sie sollen zwischen 2020 und 2030 fertiggestellt sein und jährlich zusammen fast 15 Millionen Tonnen Kohlendioxidemissionen (MtCO2) einsparen. Damit sind die Kernkraftwerke der größte Einzelposten in Marokkos Vorschlag zur Reduktion von Treibhausgasen.

Zu den weiteren NAMA-Projekten gehört der Bau eines 2000-MW-Solarkraftwerks, das 3,7 MtCO2 pro Jahr einsparen soll, sowie einhundert Mikro-Hydroelektrische Projekte, deren Einsparpotential mit 0,7 MtCO2 angegeben wird.

Solche Angaben sind nicht unproblematisch. Beim Blick auf die gesamte Kette der Nuklearenergienutzung wird deutlich, daß die Meiler nicht so "klimafreundlich" sind, wie von der Atomwirtschaft aus durchschaubaren Gründen behauptet. Dabei gilt es nicht nur, den energieaufwendigen Abbau von Natururan, die mechanische Zerkleinerung und chemische Behandlung des Gesteins, die Anreicherung des Urans und die Herstellung von Pellets zu berücksichtigen, sondern auch das Verbringen des Strahlenmaterials in Zwischen- bzw. Endlagern.

In eine seriöse Bilanz der Emissionen aus Kernkraftwerken müßte zum Beispiel auch das Herausholen der über 125.000 Fässer aus dem Lager Asse aufgenommen werden, oder der Energieaufwand, der bereits in die Erschließung von Gorleben als Endlager geflossen ist. Oder die jahrelange Erkundung der Yucca Mountains im US-Bundesstaat Nevada, die ursprünglich zu einem nationalen Endlager für hochradioaktive Abfälle ausgebaut werden sollten. Nun hat die Obama-Administration in ihrem nächsten Haushalt keine Gelder für dieses Projekt vorgesehen. Aber auch wenn das Endlager nicht gebaut wird, so sind die bisherigen Erschließungsaufwände bei der Bewertung, ob Kernkraftwerke emissionsarm sind oder nicht, einzubeziehen.

Die Bauzeit für ein Kernkraftwerk beträgt zwischen fünf und zehn Jahren. Mit dem Bau des finnischen Akw Olkiluoto wurde 2005 begonnen. 2009 sollte es fertig sein, was nicht geklappt hat. Inzwischen hoffen die beteiligten Firmen und die Regierung, daß die Anlage 2012 in Betrieb geht. Bis jetzt hat Olkiluoto keinerlei Kohlendioxidemission eingespart, sondern nur erzeugt. Ähnliches würde auch für die marokkanischen Akws gelten. Sollten sie zwischen 2020 und 2030 ans Netz gehen und so reibungslos laufen, daß sie verglichen mit starken Emittenten wie Kohlekraftwerken tatsächlich irgendwann CO2-Emissionen einsparen, dann müßten nochmals einige Jahre dazugerechnet werden, da zunächst einmal der vorangegangenen Energieaufwand ausgeglichen werden müßte.

Was bedeutet das? Abgesehen von anderen Gründen, auf den Bau von Kernkraftwerken zu verzichten, sollte man auch aus Gründen des Klimaschutzes darauf verzichten. Sofern sich überhaupt ein positiver Emissionsreduktionseffekt einstellt, dann zu einem Zeitpunkt - 2020, 2030 oder später -, von dem Klimaforscher sagen, daß bis dahin die CO2-Emissionen zurückgegangen sein müssen. Ansonsten würden global unumkehrbare Prozesse in Gang gesetzt, die katastrophale Folgen für große Teile der Menschheit besitzen. Die weltweiten Akw-Baustellen hätten dazu beigetragen.


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Anmerkungen:

[1] "Nuclear named for Copenhagen reductions", 2. Februar 2010
http://www.world-nuclear-news.org/EE_Nuclear_named_for_Copenhagen_reductions_0202101.html

4. Februar 2010