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GENTECHNIK/260: EU-Agrarimperialismus - Österreich geknechtet (SB)


Moratorium gegen Gentech-Pflanzen unzulässig

Europäischer Gerichtshof entscheidet gegen Oberösterreich


In der Europäischen Union macht sich eine zunehmend zentralistischere Agrar- und Verbraucherpolitik breit. Was als Nahrung auf den Teller kommt, was der Landwirt auf seinen Feldern anbaut und auf welche Weise, welches Korn in den einzelnen Regionen auf den Äckern steht und nach welchen Regeln die 27 Unionsmitglieder Gesetze erlassen, wird in einem viel größeren Ausmaß in Brüssel bestimmt als allgemein bekannt. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag einen Einspruch (Nichtigkeitsbeschwerde) der oberösterreichischen Landesregierung gegen die Aufhebung eines in dieser österreichischen Region verhängten Anbauverbots für gentechnisch manipulierte Organismen (GMO) zurückgewiesen.

Das bedeutet, daß die Oberösterreicher nicht darüber entscheiden dürfen, welche Saaten auf ihrem Land ausgebracht werden. Zwar kann sich der einzelne Landwirt im Prinzip gegen den Anbau jener umstrittenen Hybridpflanzen entscheiden, so daß das Land weiterhin eine "gentechnikfreie Zone" bleibt, aber das ist lediglich Theorie. Die Saatgutkonzerne, die erheblich von dem Gentech-Anbau, der einem strengen Lizenzsystem unterliegt, profitieren, kennen sich bestens damit aus, Angebote zu unterbreiten, die kaum auszuschlagen sind. Zumal es ein europaweites Höfesterben gibt und der einzelne Bauer, der vielleicht gegen die Gentechnik eingestellt ist, sich aus existentiellen Gründen genötigt sehen könnte, einen Vertrag mit einem großen Agrokonzern zu unterzeichnen. Jedenfalls hat es sich herausgestellt, daß Unternehmen wie Monsanto oder Syngenta überall dort ihren Fuß in die Tür gestellt bekommen haben, wo die gesetzlichen Bestimmungen dies zuließen.

Für Oberösterreich bedeutet das EuGH-Urteil, daß das 2002 verhängte GMO-Anbauverbot hinfällig ist. Die Landesregierung, deren Einspruch vom Bund unterstützt worden war, hat nun die Möglichkeit, auf der Basis des beschlossenen Vorsorgegesetzes, das von dem Gericht nicht beanstandet wurde, den Gentech-Anbau zu erschweren. Desweiteren besteht die Möglichkeit zur Ausrufung GMO-freier Zonen, die jedoch nicht pauschal gelten, sondern auf bestimmte Pflanzen abgestellt sein müssen.

Im Jahr 2002 hatte Oberösterreich ein GMO-Anbauverbot ausgesprochen, weil es befürchtete, daß die Gentechnik den in dem Bundesland beliebten organischen Anbau gefährdet. Tatsächlich gibt es wissenschaftliche Studien, die belegen, daß es faktisch keine Ausbreitungsgrenze für GMOs gibt und selbst weit entfernte Felder kontaminiert werden. Eine Parallelexistenz von gentechnischem und organische (und damit gentechnikfreien) Anbau ist dauerhaft nicht möglich. Es gibt Grenzwerte für GMOs, damit der Anschein erweckt wird, es verhielte sich anders. Eine andere Funktion haben Grenzwerte, so eng sie auch gefaßt sein mögen, nicht.

Vor knapp vier Jahren hat die EU-Kommission das oberösterreichische Moratorium für unzulässig erklärt, da keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgelegen hätten, die den Bann rechtfertigten, und sowieso ein Ausscheren aus den EU-weiten Bestimmungen nicht machbar seien, lautete die Begründung.

Die aktuelle Niederlage Oberösterreichs vor Gericht gilt als Präzedenzfall für den gesamten EU-Raum, denn das Bundesland ist nicht das einzige, das sich von der Zentralregierung nicht vorschreiben lassen will, welches Getreide es zulassen muß und welches nicht.

Die Zentralisierung der Verfügungsgewalt in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion hat schon lange vor der Einführung des gentechnischen Anbaus begonnen. Jedoch tragen die Hybridisierung von Nutzpflanzen auf der Ebene von Zellen und die sich durch diese Technologie eröffnende Möglichkeit, einen strikten Patentschutz (der noch über den traditionellen Sortenschutz der Getreidezüchter hinausgeht) durchzusetzen, zu einer erheblichen Beschleunigung dieses Prozesses bei.

Was den Anschein von Zufälligkeit erweckt, folgt in Wirklichkeit der Herrschaftslogik: In den bevorstehenden Zeiten des Nahrungsmittelmangels und Hungers nicht nur in den sogenannten Entwicklungsländern, sondern bis in die Metropolen und ihr unmittelbares Umland hinein, werden Produktionsformen und -strukturen geschaffen, die die Not administrierbar machen sollen.

Oberösterreich und die österreichische Bundesregierung würden bestraft werden, sollten sie sich weigern, das EuGH-Urteil, mit dem sie zu bloßen Knechten der Brüsseler Obrigkeit gemacht werden, anzuerkennen, und wahrscheinlich aus der Europäischen Union ausgeschlossen und daraufhin so sehr marginalisiert werden, daß demgegenüber die Akzeptanz gentechnischen Anbaus als goldener Ausweg erschiene.

14. September 2007