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GENTECHNIK/283: US-Forschungsrat warnt vor Glyphosat-Resistenz (SB)


Umweltfolgen der Grünen Gentechnik noch wenig erforscht

US-Forscher kritisieren mangelnde Aufsicht durch die Regierung


Die Oligopolisierung der globalen Nahrungsproduktion hatte durch die rechtliche Möglichkeit, Saatgut zu lizenzieren, eine Beschleunigung erfahren. Im Verlauf der Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts wurden ständig kleinere Agrarbetriebe von größeren geschluckt. Saatgutkonzerne wie Monsanto, Syngenta oder BASF nutzten ab Beginn der 1990er Jahre die Werkzeuge der Mikrobiologie zur enormen Beschleunigung der Zuchtverfahren und schufen Hybridsaaten im bis dahin unerreichten Ausmaß. Es wurden Pflanzen gezüchtet, die artfremde und sogar tierische Substanzen enthielten und die ihre neuen Bestandteile an die nächste Generation weitergaben.

Aus Sicht der an Umsatz und Profit orientierten Unternehmen ist es selbstverständlich, daß ihre Methoden und Resultate patentiert werden und daß sie den Landwirten verbieten, die von ihnen erworbene, sogenannte gentechnisch veränderte Saat nach dem Ersterwerb weiterzuzüchten und sie fortan um die Lizenzen zu prellen. Monsanto und Co. schicken nun Detektive landauf, landab, um mutmaßliche Lizenzverstöße aufzuspüren, und sie unterhalten eine große Rechtsabteilung, um die Landwirte mit Hilfe des Gerichts (oder eines außergerichtlichen Vergleichs) zur Kasse zu bitten.

Die spezifische Hybridisierung im Rahmen der Grünen Gentechnik bringt es mit sich, daß die Anwender dauerhaft das gleiche Pflanzenschutzmittel einsetzen. Es beruht auf dem Wirkstoff Glyphosat, der - so wie einst sein Vorläufer, das berüchtigte, im Vietnamkrieg tonnenweise versprühte Entlaubungsmittel Agent Orange - alle Pflanzen absterben läßt. Glyphosat macht den Acker sozusagen steril, er befreit ihn von sämtlichen Pflanzen. Beinahe jedenfalls. Erstens bleibt die gentechnisch veränderte Nutzpflanze unversehrt und kann sich nun, von der Konkurrenz um Licht, Wasser und Nährstoffe befreit, kräftig entfalten. Zweitens bleiben jene Pflanzen unversehrt, die mittlerweile resistent gegen Glyphosat sind.

In jenen Regionen, in denen dieser Wirkstoff seit vielen Jahren versprüht wird - womöglich sogar trotz Fruchtfolge ganzjährig, falls ein Landwirt gentechnisch veränderte Saaten im Wechsel ausbringt - könnte die Resistenzentwicklung langfristig zu ökologischen und ökonomischen Schäden führen. Davor warnte diese Woche der Nationale Forschungsrat (National Research Council) der USA [1]. Die Forschungsberater der US-Regierung stehen der gentechnischen Veränderung von Saatgut durchaus wohlgesonnen gegenüber, denn sie schreiben, daß viele US-Farmer durch GM-Getreide substantielle wirtschaftliche und ökologische Vorteile errungen haben - beispielsweise aufgrund niedrigerer Produktionskosten, weniger Schädlingsproblemen, eines geringeren Pestizideinsatzes und höherer Erträge verglichen mit anderer konventioneller Saat.

Aber die GM-Pflanzen könnten ihre Vorteile einbüßen, wenn die Farmer nicht andere bewährte Verfahren zur Eindämmung von Unkräutern und Schadinsekten einsetzten als Glyphosat, heißt es in dem Bericht des Forschungsrats. Die Studie liefere die erste umfassende Bewertung der Auswirkungen von GM-Pflanzen auf sämtliche Farmer in den USA, ob sie organische oder konventionelle (im Sinne von nicht-gentechnisch veränderte) Landwirtschaft betrieben. Studienautor David Ervin, Professor für Umweltmanagement und Wirtschaftswissenschaften an der Staatsuniversität von Portland in Oregon, erklärte: "Viele amerikanische Farmer genießen höhere Profite durch die weite Verbreitung bestimmter gentechnisch veränderter Pflanzen und verringern die Umweltauswirkungen auf ihrer und durch ihre Farm. Doch die Vorteile gelten nicht für alle Farmer. Und je mehr GM-Linien entwickelt und einer größeren Varianz an Pflanzen hinzugefügt werden, ist es von wachsender Bedeutung, daß wir ein besseres Verständnis davon gewinnen, wie die Gentechnologie die US-Landwirtschaft und Umwelt heute und in der Zukunft verändert." [1] Die Wissenslücken hätten eine vollständige Beurteilung der ökologischen, ökonomischen und sonstigen Auswirkungen von GM-Pflanzen auf die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung verhindert, räumte Ervin ein.

Rund eineinhalb Jahrzehnte nach der Einführung von GM-Pflanzen in die Landwirtschaft der USA haben sie mittlerweile einen Anteil von mehr als 80 Prozent bei Soja, Mais und Baumwolle errungen. Bei allen wird Glyphosat verwendet. In der Studie wird den Farmern deshalb geraten, auch mal andere Pestizidmischungen einzusetzen. Bislang sind neun Unkrautarten in den USA bekannt, die Resistenzen gegen Glyphosat entwickelt haben. [3]

Bei der weiteren Einschätzung der möglichen Umweltfolgen von GM-Pflanzen allgemein trifft die Studie merkwürdige Aussagen. Als wichtigster Einzelfaktor an Vorteilen der GM-Pflanzen könnten sich Verbesserungen der Wasserqualität erweisen, da weniger Insektizide ausgebracht würden. Etwas weiter unten wird jedoch festgestellt, daß gar keine behördliche Infrastruktur existiert, mit der die Auswirkungen von GM-Pflanzen auf die Wasserqualität verfolgt und analysiert würde. Eine Erklärung, die ja wohl nur bedeuten kann, daß die Autoren im Trüben fischen.

In einer weiteren US-Studie wird ebenfalls vor den Gefahren der Resistenzbildung bei Unkräutern durch Glyphosat gewarnt. Der Mikrobiologie Robert Kremer, der in einem Forschungslabor der Universität von Missouri arbeitet, und seine Kollegen, führen für das US-Landwirtschaftsministerium Bodenuntersuchungen durch. Kremer warnt eindringlich vor dem wiederholten Einsatz von Glyphosat auf Millionen von Hektar und daß die Aufsichtsbehörden dem nicht genügend Aufmerksamkeit schenken. Laut Reuters sagte er: "Das könnte etwas ziemlich Großes werden. Wir könnten uns ein riesiges Problem schaffen." [2]

Das gilt nach Ansicht mancher Experten nicht nur wegen des exzessiven Einsatzes von Glyphosat, sondern generell hinsichtlich der erst vor vierzehn Jahren kommerziell angebauten gentechnisch veränderten Pflanzen. Zu Langzeitwirkungen kann man bei einer so kurzen Spanne noch gar keine Aussagen treffen. Zumal die US-Behörden über kein angemessenes Prüfungssystem verfügen, um eine definitive Antwort zu geben, ob die GM-Pflanzen sicher sind oder nicht. Man führe einfach gar nicht die Art von Prüfungen durch, um Vertrauen in die Sicherheit dieser Pflanzen zu gewinnen, erklärte Doug Gurian-Sherman, der zwischen 2002 und 2005 zu einem Biotech-Beraterausschuß der FDA (Federal Drug Administration) gehörte und sich der Umweltorganisation Union of Concerned Scientists angeschlossen hat.

In den Verantwortungsbereich der Zulassungsbehörde FDA fallen gentechnisch veränderte Fische, da sie der Kategorie "Medikament" zugewiesen werden, wohingegen das Landwirtschaftsministerium USDA, respektive dessen Animal Plant Health Inspection Service (APHIS), über die Zulassung von herbizid-toleranten Mais befindet. Außerdem hat auch die Umweltschutzbehörde EPA noch ein Wörtchen mitzureden. Es herrscht als ein administratives Durcheinander. Seit sechs Jahren will USDA neue Bestimmungen zum Umgang mit GM-Pflanzen erlassen, doch mächtige Wirtschaftsverbände, Verbraucher- und Umweltschützer nehmen offenbar Einfluß auf die Politik und verhindern, daß eine zu ihrem Nachteil gereichende Gesetzgebung beschlossen wird.

Kremer hat Studien durchgeführt, die nahelegen, daß das Glyphosat im Boden das Wurzelwachstum und Mikroorganismen, die mit Wurzeln assoziiert werden, beeinflussen. Welche Langzeitfolgen das hat, müsse genauer untersucht werden. In anderen Studien werden Wurzelpilze und ein Nährstoffrückgang in GM-Getreide mit Glyphosat in Verbindung gebracht. [2] Ob der Wirkstoff auch zu mehr Fehlgeburten, einer höheren Krebsrate, Diabetes und anderen Krankheiten führt, ist nicht bewiesen, wird aber von Experten diskutiert. Eine Annahme, die Monsanto selbstverständlich zurückweist.

In den USA gewinnt inzwischen die in Europa und anderen Weltregionen aufgekommene Skepsis hinsichtlich der Verträglichkeit von GM-Pflanzen an Einfluß. Gleichzeitig nimmt die Fläche, auf der GM-Saat ausgebracht wird, zu, so daß nicht damit gerechnet werden kann, daß den Agrokonzernen von den US-Behörden in Zukunft allzu straffe Zügel angelegt werden.


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Anmerkungen:

[1] "Genetically Engineered Crops Benefit Many Farmers, But The Technology Needs Proper Management to Remain Effective", 13. April 2010
http://www8.nationalacademies.org/onpinews/newsitem.aspx?RecordID=12804

[2] "Special Report: Are regulators dropping the ball on biocrops?", Reuters, 13. April 2010
http://www.reuters.com/article/idUSTRE63C2AJ20100413?feedType=RSS&feedName=everything&virtualBrandChannel=11563

[3] Näheres unter: GENTECHNIK/274: Glyphosat-Resistenz breitet sich aus (SB)

16. April 2010