Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REDAKTION

KLIMA/335: Australien - Forscher prognostizieren Dauerhitzewelle (SB)


Hitze, Regenmangel, trockene Böden

Die Jahrhundertdürre steht Australien erst noch bevor

Neuer Klimareport des australischen Büros für Meteorologie und der Wissenschaftsorganisation CSIRO


Im vergangenen Jahr sprachen die Australier nur noch von der "Jahrhundertdürre". Eine mehrjährige Dürreperiode, die 2003 einsetzte, hatte sich nochmals gesteigert und die Landwirtschaft in die Knie gezwungen. Wichtige Agrarproduktionszonen wie das Murray-Darling-Becken erhielten nur einen Bruchteil der Regenmenge, die für eine volle Kapazitätsauslastung erforderlich gewesen wäre. In den Städten mußte der Wasserverbrauch reduziert werden, und die australische Regierung legte ein millionenschweres Hilfspaket für die wirtschaftlich in Bedrängnis geratenen Farmer auf. Der frühere Premierminister Howard riet seinen Landsleuten, für Regen zu beten, und wissenschaftliche Berater der Regierung empfahlen den Bauern in zentralaustralischen Dürregebieten, sie sollten sich in Würde zurückziehen und das Land aufgeben, es sei nicht mehr zu halten; der Aufwand, die Agrarflächen zu bewässern, übersteige die zu erwartenden Erträge.

In einem internen Bericht der Weltbank, der am 3. Juli 2008 von der britischen Zeitung "The Guardian" [1] veröffentlicht wurde, wird zwar der Einfluß der dürrebedingten Ernteausfälle Australiens auf den globalen Anstieg der Lebensmittelpreise als unbedeutend im Verhältnis zur Folgewirkung der Agrospritpolitik seitens der USA und EU angesehen, aber das bedeutet nicht, daß der Weltmarkt überhaupt nicht auf die Verhältnisse in Australien (und anderen Weltregionen, in denen die Erntemenge klimabedingt geschrumpft ist) reagiert hätte. Vor allem aber sagt die Weltbankstudie nichts darüber aus, was die Ausfälle für Australien selbst bedeuten. So vermuten Ökonomen, daß die Jahrhundertdürre die Wirtschaftsleistung des Landes um mehrere Prozentpunkte reduziert hat.

Am vergangenen Sonntag haben australische Regierungswissenschaftler einen Report veröffentlicht, der bei den Politikern des Landes - wollte man ihre Aussagen in Alltagssprache übersetzen - beinahe Entsetzen ausgelöst hat. Premierminister Kevin Rudd bezeichnete in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC den Report als "sehr verstörend", und Landwirtschaftsminister Tony Burke erklärte, daß sich der Bericht stellenweise "wie ein Katastrophenroman" und nicht wie eine wissenschaftliche Abhandlung lese [2].

Der aufsehenerregende Report wurde gemeinsam vom Bureau of Meteorology und der Wissenschaftsorganisation Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) erstellt und trägt den Titel "An assessment of the impact of climate change on the nature and frequency of exceptional climatic events" (Eine Abschätzung des Einflusses des Klimawandels auf die Natur und die Häufigkeit außergewöhnlicher Klimaereignisse) [3]. Die Studie wurde von der australischen Regierung in Auftrag gegeben und stellt die erste Analyse in einer dreiteiligen Serie von Einschätzungen zu den Folgen des Klimawandels dar. Die Ergebnisse sollen neben den sozialen und ökonomischen Auswirkungen in eine Gesamtbewertung einfließen, die dann von der Productivity Commission der Regierung vorgenommen wird und zu konkreten politischen Maßnahmen führen soll.

Untersucht wurde die Ausbreitung und Regelmäßigkeit von außergewöhnlich hohen Temperaturen, geringen Niederschlagsmengen und ungenügender Bodenfeuchtigkeit für sieben australische Regionen mit besonderem Blick darauf, wie häufig nach heutigen Kriterien der EC-Nothilfeplan der Regierung (EC steht für Exceptional Circumstances, also außergewöhnliche Umstände) aktiviert würde.

Im schlimmsten von drei Szenarien rechnen die Forscher damit, daß Hitzewellen, wie sie früher alle 20 oder 25 Jahre auftraten, künftig alle ein, zwei Jahre stattfinden werden, und daß in Zukunft nicht mehr nur im Durchschnitt fünf Prozent des Landes unter einer außergewöhnlichen Hitze leiden könnten, sondern bis zu 95 Prozent. Die Niederschlagsmenge könnte sich gegenüber früher halbieren, hieß es, und es würde je nach Region zwei- bis viermal so häufig zum Ausrufen des Notstands aufgrund mangelnder Bodenfeuchte kommen. Bereits ab dem Jahre 2010 könnte ein Trend zu vermehrten Hitzewellen einsetzen.

Zu den weiteren Schlußfolgerungen der australischen Wissenschaftler zählt, daß etwa 50 Prozent des Rückgangs der Niederschlagsmenge im Südwesten Australiens seit den fünfziger Jahren auf die Erderwärmung aufgrund von Treibhausgasemissionen zurückgehen. Gegenwärtig sind 65 Prozent von New South Wales als Dürregebiet ausgewiesen, was eine Steigerung von zwei Prozent gegenüber dem Vormonat ausmacht. Und diesen Bundesstaat wird es den Prognosen zufolge nicht einmal am schlimmsten treffen. Die Forscher gehen davon aus, daß sich die Dürre besonders rasch in Southern Australia, Victoria und Tasmania ausbreiten wird.

Landwirtschaftsminister Burke erklärte, daß die ernüchternde wissenschaftliche Analyse bereits zu einer kompletten Neubewertung sowohl der Dürrehilfe, wie sie für die "Exceptional Circumstances" vorgesehen ist, als auch für die Landwirtschaft allgemein geführt hat. In dem Report wird eine Verschiebung der EC-Kriterien empfohlen, weil heißes und trockenes Wetter in Australien zum Normalzustand verkommen wird.

Im Gegensatz zur konservativen Vorgängerregierung scheut sich die jetzige Laborregierung Rudds nicht, das Wort Klimawandel in den Mund zu nehmen. Die erste Amtshandlung des am 3. Dezember 2007 vereidigten neuen Premierministers bestand in der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls. Sein Landwirtschaftsminister erklärte bei der Vorstellung des neuen Klimaberichts, daß jetzt gehandelt werden müsse, damit das Land besser auf den kommenden Klimawandel vorbereitet sei. Wenn man nichts unternähme und so tue, als wenn sich das Klima nicht ändere, würde man die Farmer der Dürre überantworten.

Tatsächlich wurde in Australien in den letzten Jahren bereits mit einiger Beunruhigung beobachtet, daß zeitgleich Regionen im Westen wie im Osten des Landes unter Trockenheit litten, oder daß es in relativer Nähe zu einer Dürreregion zu Extremniederschlägen kam und die landwirtschaftlichen Flächen plötzlich viel zu viel Wasser erhielten. Das floß dann nicht nur ungenutzt ab, sondern riß auch Pflanzen, Saatgut, Dünger und die unersetzliche Bodenkrume mit sich.

Gänzlich überrascht werden die Australier von dem neuen Klimareport allerdings auch nicht. Denn Wissenschaftler des Landes hatten in den letzten Jahren häufiger die klimatische Entwicklung des Kontinents in düsteren Farben gezeichnet. Der Widerspruch zwischen ihren Befunden sowie der jahrelangen Dürre auf der einen Seite und der Ignoranz der konservativen Regierung gegenüber dem menschlichen Anteil am Klimawandel auf der anderen Seite wird dann auch als Hauptgrund für den Regierungswechsel angesehen. Dennoch übertrifft das Worst-case-scenario des aktuellen Reports alle bisherigen Prognosen deutlich. Der Begriff "Jahrhunderdürre" könnte auf eine ganz andere Weise als die intendierte zutreffen, nämlich nicht als vergleichender Rückblick auf die vergangenen hundert Jahre, sondern als Ausblick auf die bevorstehende Dauerdürre weiter Teile eines ganzen Kontinents.


*


Anmerkungen:

[1] http://www.guardian.co.uk/environment/2008/jul/03/biofuels.renewableenergy

[2] http://www.news.com.au/heraldsun/story/0,21985,23977085-29277,00.html
http://www.news.com.au/heraldsun/story/0,21985,23977117-29277,00.html

[3] http://www.daff.gov.au/__data/assets/pdf_file/0007/721285/csiro-bom-report-future-droughts.pdf

7. Juli 2008