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KLIMA/419: Pentagon sieht Klimawandel offiziell als Risikofaktor an (SB)


Sicherheitsstrukturen der USA berücksichtigen Klimawandel bei Risikoabschätzung

CIA gründet Zentrum zur Untersuchung des Klimawandels


Erstmals soll im Quadrennial Defense Review (QDR) des US-Verteidigungsministerium der Klimawandel als eine von mehreren Sicherheitsgefahren aufgeführt werden. Die nächste Ausgabe des alle vier Jahre herausgegebenen Berichts, in dem Leitlinien der kommenden US-Militärpolitik festgelegt werden, ist für Februar 2010 angekündigt, meldete der US-amerikanische Staatsrundfunk National Public Radio (NPR). [1] Zuvor hatte der Kongreß das Verteidigungsministerium aufgefordert, im nächsten QDR die Ergebnisse des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) zu berücksichtigen. Dem wird nun seitens der Militärs entsprochen.

Bereits im September hatte der US-Geheimdienst CIA auf seiner Website die Gründung eines Center for the Study of Climate Change bekanntgegeben. Die neue "kleine Einheit" sei dem Directorate of Intelligence und dem Directorate of Science and Technology unterstellt und solle der Regierung Informationen über mögliche Gefahren für die nationale Sicherheit durch Phänomene wie "Desertifikation, Meeresspiegelanstieg, Bevölkerungsverschiebungen und erhöhtes Ringen um natürliche Ressourcen" liefern, heißt es in einer Presseerklärung der CIA. [2]

Die neue Aufmerksamkeit für Klimaprobleme bei den Sicherheitsexperten der US-Regierung bedeute nicht, daß sich Pentagon und CIA in der Debatte um die Plausibilität der Daten zur Erderwärmung nun auf eine Seite geschlagen haben, stellt der NPR-Bericht gleich zu Beginn klar. In den Vereinigten Staaten glauben nämlich immer weniger Einwohner, daß sich die Erde erwärmt und daß der Mensch dafür verantwortlich ist. Dennoch belegen diese beiden Beispiele für Neuerungen der US-Administration, daß sich in der Sicherheitspolitik ein Trend durchsetzt, die Folgen des Klimawandels als Bedrohung anzusehen und ihnen zu begegnen.

Seit gut fünf Jahren nehmen sich Analysten innerhalb und außerhalb der US-Administration des Themas "Klimawandel und Sicherheit" an [3]; die größte Aufmerksamkeit erlangte der Bericht "National Security and the Threat of Climate Change", den elf Generäle und Admirale im Ruhestand im Auftrag des Think Tanks CNA (Center for Naval Analyses) erstellt haben. [4] Eher im europäischen Bereich erregte der von fünf hochrangigen NATO-Militärs, unter ihnen der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, General Klaus Naumann, erstellte Bericht "Towards a Grand Strategy for an Uncertain World. Renewing Transatlantic Partnership". Darin wird der Klimawandel als ein zukünftig zu berücksichtigender Sicherheitsfaktor bezeichnet. [5] Auch wegen der Verzahnung von EU- und NATO-Sicherheitsstrukturen darf in diesem Zusammenhang ein von EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und EU-Chefdiplomat Javier Solana erstellter Bericht "Klimawandel und Internationale Sicherheit" vom März 2008 an den Europäischen Rat nicht unerwähnt bleiben. [6]

Die Hauptrisiken, die von den Autorinnen und Autoren all dieser Studien für die nächsten Jahrzehnte als Folgen des Klimawandels für die nationale Sicherheit gesehen werden, teilen sich auf in a) unmittelbare Schadensgefahr für die eigenen Sicherheitseinrichtungen, b) Flüchtlingsströme, die auf US-Territorium vordringen wollen und c) Zusammenbruch staatlicher Strukturen als Folge von Naturkatastrophen.

Im NPR-Bericht werden als Beispiel für die vielfältigen Gefahren der Gletscherschwund im Himalaya erwähnt. Auf das Schmelzwasser sind Dutzende Millionen Menschen in Asien angewiesen. Wenn die Gletscher abtauen, kann es zunächst zu stärkeren Überschwemmungen kommen. Später werden die Flüsse austrocknen - in beiden Fällen müssen die Anwohner fliehen.

Die Geheimdienste und Militärs der USA wollen in Zukunft enger mit zivilen Einrichtungen zusammenarbeiten, was vermutlich darauf hinausläuft, daß diese einen Teil der staatlichen Aufgaben übernehmen sollen. Die CIA will nicht zuletzt im Vorfeld bestimmen, wo eine Hungersnot auftreten kann oder für welche Länder die akute Gefahr einer Destabilisierung aufgrund des Klimawandels besteht. Geheimdienstanalysten ordneten diese Länder auf eine Stabilitäts-Beobachtungsliste, heißt es in einem Transkript des NPR. [7]

Die exakte Bestimmung von Risiken vor dem Hintergrund des Klimawandels ist gegenwärtig im Trend. Das gilt für militärische wie auch zivile Einrichtungen. Beispielsweise arbeitet zur Zeit das "Bündnis Entwicklung Hilft", zu dem sich fünf deutsche Hilfsorganisationen zusammengeschlossen haben, an einem WeltRisikoIndex, in den unter anderem der Klimawandel Eingang finden soll und der die Funktion hat, globale und regionale Bewertungen von Risikogebieten vorzunehmen. [8] Wenngleich von unterschiedlichen Motiven getragen, überschneidet sich die Arbeit dieses Bündnisses und die der CIA bzw. des Pentagon hinsichtlich ihrer Methoden, Daten und Ziele. In all diesen Fällen sollen Gefahren frühzeitig, möglichst noch bevor sie auftreten, erkannt werden. Und die Erklärung des vom NPR zitierten Prof. James Carafano, Direktor für Studien zur nationalen Sicherheit der Heritage Foundation, weist frappante Ähnlichkeiten mit den Erklärungen der Experten auf einer kürzlich in Berlin abgehaltenen Fachtagung zum WeltRisikoIndex auf. Prof. Carafano: "Hier handelt es sich um große, riesige, gigantische, komplexe Systeme. Und Leute, die sich dem linear nähern und sagen, 'oh, gut, wenn dieses geschieht, müssen wir uns über jenes Sorgen machen', dann entspricht das nicht dem, wie die Realität funktioniert."

Auf welche Realität sich die Militärs und Sicherheitsapparate in den USA, der EU und anderen Staaten vorbereiten, läßt sich anhand unserer exemplarischen Auswahl an Dokumenten zum Themenkomplex "Klimawandel und Sicherheit" unmißverständlich ableiten. Die Aufnahme des Risikos Klimawandels in die QDR stellt nur den vorläufigen Endpunkt dieser Entwicklung dar. Erstaunlicherweise wird das in der Umweltbewegung kaum zur Kenntnis genommen, obgleich doch der massive Ausbau der Strukturen zur inneren Sicherheit ahnen läßt, daß sich die Administrationen auf unruhige Zeiten vorbereiten. Mit der offiziell verlautbarten "Terrorgefahr" läßt sich der Aufwand, mit der dies- und jenseits des Atlantiks die Heimatverteidigung forciert wird, nicht erklären. Hier werden gänzlich andere Dinge vorbereitet, und es ist kein Zufall, daß die Bundeswehr seit einigen Jahren eine engere Verzahnung mit zivilen Einrichtungen anstrebt (selbstverständlich unter Wahrung der eigenen Führerschaft), der frühere Innenminister Schäuble unermüdlich die strikte Trennung zwischen Polizei und Militär zu perforieren bemüht war, oder auch daß die USA seit vergangenem Jahr erstmals eine Kampftruppe auf eigenem Boden stationiert haben. Geschult im Häuserkampf von Bagdad zeichnet sich diese Einheit insbesondere durch die Fähigkeit zur Niederschlagung von Aufständen aus.

Die Umweltbewegung hat es weitgehend versäumt, die ökologische Frage an die soziale zu binden, und so wird nicht bemerkt, daß weitgehend unabhängig von den Verhandlungen über Klimaschutzziele (deren Bedeutung hier nicht geschmälert werden soll) Gesetze erlassen, administrative Strukturen installiert und Sicherheitsapparate dahingehend aufgebaut werden, daß sowohl nationale Konflikte durch völkerrechtlich verbotene Angriffskriege bewältigt als auch die innere Sicherheit auf offensive Weise ausgebaut werden können. Denn es sollen nicht Erderwärmung und Klimawandel bekämpft werden - hierfür könnte es keinen treffenderen Beweis geben als die Scharade des UN-Klimagipfels in Kopenhagen -, sondern die Folgen dieser Entwicklung. Genauer gesagt, solche Unwägbarkeiten wie Fluchtbewegungen durch Naturkatastrophen plötzlich in Not geratener Menschen, Hungeraufstände und andere soziale Unruhen. Wohingegen die Absehbarkeiten des Klimawandels instrumentalisiert werden, da sie hervorragende Vorwände zum Ausbau repressiver Strukturen liefern. Auf diesem Weg können geschmeidig Herrschaftsformen ausgebaut werden, gegen die ansonsten sich Widerstand geregt hätte.

Einen kleinen Vorgeschmack hierauf bot die dänische Polizei auf der Demonstration am 13. Dezember in Kopenhagen. Die Sicherheitskräfte haben einen Teil des Demonstrationszugs vom Rest abgetrennt, mehreren hundert Menschen Fesseln angelegt und sie in langen Reihen bis zu vier Stunden lang auf eiskaltem Boden sitzen lassen. Sicherlich gibt diese Übung in Aufstandsbekämpfung ein ausgezeichnetes Lehrmaterial für die Schulung von Polizeirekruten ab.

Angesichts dieser Entwicklungen an die Regierungen zu appellieren, sie möchten sich für schärfere Bestimmungen des Klimaschutzes stark machen, heißt, den Bock zum Gärtner machen zu wollen. Die Regierungen, die untrennbar mit der Wirtschaft verbandelt sind, profitieren sogar davon, wenn sich verängstigte Menschen an sie wenden und um Hilfe bitten.

Ob Obama, Merkel, Brown oder Sarkozy, keiner von ihnen wird unter den Folgen des Klimawandels nennenswert leiden. Sie und ihresgleichen bleiben unbetroffen, insofern ist von ihnen auch nicht das gebotene Engagement zu erwarten, den auf die Menschheit zukommenden zerstörerischen Naturgewalten zu begegnen.


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Anmerkungen:

[1] "Pentagon, CIA Eye New Threat: Climate Change", Tom Gjelten, National Public Radio, 14. Dezember 2009
http://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=121352495

[2] "CIA Opens Center on Climate Change and National Security", CIA, 25. September 2009
https://www.cia.gov/news-information/press-releases-statements/ center-on-climate-change-and-national-security.html

[3] Siehe Index KLIMA/304: Neue US-Studie - Klimawandel wird zu Kriegen führen (SB)

[4] "National Security and the Threat of Climate Change," CNA, April 2007
http://securityandclimate.cna.org/report/National%20Security%20and%20the%20Threat%20of%20Climate%20Change.pdf

[5] "Towards a Grand Strategy for an Uncertain World. Renewing Transatlantic Partnership"
http://www.worldsecuritynetwork.com
Filename: 3eproefGrandStrat(b).pdf

[6] "Klimawandel und Internationale Sicherheit. Papier des Hohen Vertreters und der Europäischen Kommission für den Europäischen Rat", S113/08, 14. März 2008
http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressdata/DE/reports/99391.pdf

[7] Transkript: Heard on Morning Edition, NPR, 14. Dezember 2009
http://www.npr.org/templates/transcript/transcript.php?storyId=121352495

[8] Näheres hierzu in einem Schattenblick-Bericht unter UMWELT -> REPORT -> BERICHT/001: WeltRisikoIndex - Besuch einer Fachtung (SB)

15. Dezember 2009