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KLIMA/451: Klimawandel und nationale Sicherheit - In den USA ein Dauerthema (SB)


"Klima und nationale Sicherheit: Sicherung besserer Vorhersagen"

Gemeinsame Konferenz von Militärs und Wissenschaftlern an einem neuen Zentrum der Scripps Institution of Oceanography in Kalifornien


US-Militärs und Mitglieder anderer Institutionen der nationalen Sicherheitsstruktur haben ein glasklares Verhältnis zum Klimawandel und seinen Folgen: Sie nehmen die auf Klimasimulationen beruhenden Warnungen der Experten ernst und sind bemüht, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Wohingegen die sogenannten Klimaskeptiker, die eine Zeitlang größere Medienaufmerksamkeit auf sich gezogen hatten, aus Sicht der Sicherheitskräfte weniger bedeutend sind. Denn ob der Klimawandel menschengemacht ist, eine Folge der Sonnenaktivität oder kosmischer Zyklen spielt eine untergeordnete Rolle, da die Militärs in jedem Fall auf die Veränderungen vorbereitet sein wollen.

Seit ungefähr der Mitte des zurückliegenden Jahrzehnts häufen sich die Analysen aus dem Sicherheitsbereich der USA zum Stichwort Klimawandel. Zudem rüsten die verschiedenen US-Streitkräftegattungen um und adaptieren Technologien, die als umweltschonend und klimafreundlich gelten. (Dazu zählt allerdings auch Biosprit, der zwar eines Tages aus Algen gewonnen werden soll, aber zur Zeit noch hauptsächlich aus Pflanzen produziert wird, die auch als Nahrungs- oder Futtermittel Verwendung finden.)

Ein typisches Beispiel dafür, daß sich der US-Sicherheitsapparat ernsthafte Sorgen über die bevorstehende Klimaentwicklung macht, ist die Gründung des Center for Environment and National Security (CNES) im Oktober 2009 an der renommierten Scripps Institution of Oceanography, die der Universität von Kalifornien in San Diego zugeordnet ist und an der vom 21. bis 23. Juni eine Konferenz abgehalten wurde. [1] Unter dem Titel "Climate and National Security: Securing Better Forecasts" haben die angereisten Gäste aus dem gesamten Sicherheitsspektrum und der Wissenschaft über eine Verbesserung der Vorhersagemöglichkeiten mit besonderem Blick auf China und den übrigen asiatischen Raum diskutiert. Dabei kam es den Militärs weniger auf statistische Daten zur durchschnittlichen Temperaturentwicklung an, sondern darauf, "was die Forscher nicht wissen". [2]

Das Verteidigungsministerium und jede Organisation, die erfolgreich arbeiten will, könne nicht auf Perfektion warten, sagte der Konferenzteilnehmer Konteradmiral David Titley, der die Task Force Climate Change bei der US-Navy leitet. "Aber wir müssen wissen, wie sicher sie sind. Und was das bedeutet." Ins gleiche Horn stieß auch Air Force Maj. Gen. (retired) Richard Engel, der kürzlich für den National Intelligence Council eine Konferenz zu den nationalen Sicherheitsrisiken durch den Klimawandel geleitet hat. "Wir müssen wissen, was stichhaltig ist", erklärte er. [2]

Eine der zentralen Fragen der Militärs richtet sich auf die zukünftige Entwicklung des Meeresspiegelanstiegs, für den im IPCC-Bericht aus dem Jahr 2007 eine Spanne von 0,18 bis 0,59 Meter bis 2100 angesetzt wird. Neuere Daten deuten eher auf einen globalen Anstieg des Meeres um ein bis zwei Meter bis Ende des Jahrhunderts hin. Der Unterschied in den Abschätzungen ist gravierend. Je nachdem, wie hoch das Meer steigt, erhält die Erdoberfläche ein gänzlich anderes Gesicht. Sämtliche Küstenbereiche, die nur ein, zwei Meter über dem Meeresspiegel liegen, werden überschwemmt, falls sie nicht künstlich geschützt werden. Aber auch die höher liegenden Strukturen wie Hafenanlagen oder weit landeinwärts an Flüssen liegende Städte sind betroffen.

Es werden ungeheure Anpassungsmaßnahmen, deren Verwirklichung sich über Jahrzehnte erstrecken kann, erforderlich sein, um beispielsweise einen Hafen wie den in Hamburg auf ein zwei Meter höheres Meeresspiegelniveau auszurichten. Rund um den Globus wird sich der Mensch aus den küstennahen Gebieten zurückziehen oder aber gewaltige Aufwände (Deichbauten, etc.) leisten, um die Auswirkungen des gestiegenen Meeresspiegels einerseits und die größere Wucht von Wirbelstürmen andererseits abzufedern.

Dabei sind die verbleibenden 90 Jahre bis Ende des Jahrhunderts keineswegs eine lange Frist. Man denke nur an den noch nicht einmal abgeschlossenen Umbau der ehemaligen DDR nach der Wiedervereinigung Deutschlands vor rund zwei Jahrzehnten. Man muß damit rechnen, daß die Anpassung baulicher Strukturen an einen höheren Meeresspiegel noch viel umfassendere Maßnahmen erforderlich macht, für deren Verwirklichung entsprechend längere Fristen eingerechnet werden müssen.

Angesichts der hier nur angerissenen enormen Probleme wundert es nicht, daß beim US-Militär (und, wie man vermuten darf, auch bei den Militärapparaten und Geheimdiensten anderer Länder) eine, man möchte beinahe sagen, hektische Betriebsamkeit eingesetzt hat, um möglichst rasch und präzise die Folgen der klimatischen Entwicklung abschätzen zu können. Bei den vielen hundert Militärstützpunkten, welche die USA in anderen Ländern rund um den Globus unterhalten und von denen etliche in Küstennähe liegen, ist das kein Wunder.

Vor dem Hintergrund eines Treibstoffverbrauchs des riesigen US-Militärapparats, der in etwa dem ganz Schwedens entspricht, könnte man versucht sein, die jüngsten Bemühungen der Navy, Army und Air Force, fossile Energieträger durch Agrosprit zu ersetzen, als bloßes Feigenblatt oder Green-Washing abzutun. Eine solche Einschätzung wäre verfehlt. Die Gelegenheit zur Propaganda wird zwar nicht versäumt, aber das Militär und die Geheimdienste der Vereinigten Staaten von Amerika sind selbstverständlich sehr aufgeschlossen gegenüber Bedrohungsszenarien in Verbindung mit dem Klimawandel. Das gilt nicht nur mit Blick auf klimatische Veränderungen, sondern auch hinsichtlich der Verknappung von Energieträgern und anderen Ressourcen mit besonderer Berücksichtigung der Folgen für die Öksysteme, die Landwirtschaft, den Fischfang sowie andere gesellschaftliche Bereiche. Sobald die US-Administration die nationale Sicherheit bedroht sieht, gibt es kein Mittel, das sie nicht bereit wäre einzusetzen, um die Gefahr abzuwenden. Das gilt nicht zuletzt für die militärische Sicherung der knapper werdenden Ressourcen und Handelswege vor dem Hintergrund des Klimawandels.


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Anmerkungen:

[1] "Military, Diplomatic Communities to Consider National Security Implications of Climate Change", 14. Juni 2010
http://scrippsnews.ucsd.edu/Releases/?releaseID=1076

[2] "Defense Experts Want More Explicit Climate Models", Lauren Morello, ClimateWire, 24. Juni 2010
http://www.nytimes.com/cwire/2010/06/24/24climatewire-defense-experts-want-more-explicit-climate-m-35887.html?emc=eta1

27. Juni 2010