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KLIMA/506: Kleine Vulkane als Wegbereiter für die Schwefelimpfung der Atmosphäre? (SB)


Alle Jahre wieder schüren Atmosphärenforscher die Hoffnung auf eine Selbstregulation des Klimageschehens



Der Ausbruch des Mount Pinatubo 1991 war nicht nur für Vulkanologen ein ergiebiges Forschungsobjekt. Zahlreiche Meßdaten aus dieser Zeit und danach brachten Klimaforschern und Meteorologen den Beweis, daß derart heftige Vulkanausbrüche ihre Staubteilchen bis in die Stratosphäre schleudern und die Temperaturen am Erdboden deutlich abkühlen lassen können. Die Aerosole des Pinatubo ließen hiernach die Temperatur der Erde um ein halbes Grad fallen.

Spätestens seit dieser Zeit gelten Staubteilchen, feinste Partikel oder Tröpfchen, die in der Lufthülle schweben (sogenannte Aerosole [1]), gewissermaßen als Gegenspieler zu Treibhausgasen wie CO2, Methan und Wasserdampf. Während letztere dafür sorgen, daß die langwelligen Wärmestrahlen der Sonne auf die Erde zurückreflektiert werden und die Erde im gleichen Maße erwärmen, wie ihre Konzentration in der Lufthülle um die Erde zunimmt, sollen Aerosole das Sonnenlicht streuen und damit die Einstrahlung der Sonnenenergie auf die Erde verringern. Das macht sich am stärksten bemerkbar, wenn Aerosole bis in die Stratosphäre, also in mehr als 20 Kilometer Höhe, gelangen und sich dort um den Erdball verteilen.

Seither fragen sich Wissenschaftler allerdings auch, ob und wie stark vom Menschen erzeugte und in die Stratosphäre eingebrachte Aerosole dabei helfen könnten, als künstliche Klimakühler einen Teil der unwerünschten Erdwärmung durch die Treibhausgase wieder auszugleichen.

Abgesehen von der durchaus umstrittenen Vorgehensweise, Chemikalienaerosole aus Schwefeldioxid oder Titanoxid in die Atmosphäre zu pumpen, besteht eine nicht unwesentliche Schwierigkeit für die praktische Umsetzung des sogenannten "Geoengineering als Klimarettungsmaßnahme" darin, die heikle Ladung in eine Höhe über 15 Kilometer zu verfrachten, wo sie ausschließlich abschirmende Wirkung entfalten soll, wie man eben am Beispiel des Pinatubo lernen konnte. Weitere die These verifizierende Werte stammen nur aus Eisbohrkernen und Sedimenten gewonnenen, recht spekulativen Proxydaten, die mit früheren starken Vulkanausbrüchen in Verbindung gebracht werden, die den Ausbruch des Pinatubo allerdings bei weitem übertroffen haben sollen [2]. Supereruptionen, wie die ganz besonders großen Vulkanausbrüche (von Magnituden 6 bis 7) medienwirksam genannt werden, kommen (und wohl auch glücklichweise) sehr selten vor, so daß eine direkte Überprüfung ausbleibt.

Inzwischen mußte die These, daß nur die Höhe der Eruptionssäule bestimmt, wie weit sich die ausgespuckte Mischung aus Magma und Gasen verbreitet, durch ergänzende Beobachtungen kanadischer und US-amerikanischer Forscher zumindest teilweise revidiert werden. Danach sollten nun auch kleinere Vulkanausbrüche in die Klimamodelle miteinbezogen werden, denn auch diese könnten unter bestimmten Umständen einen kühlenden Effekt auslösen, wie der Atmosphärenforscher Adam Bourassa gemeinsam mit seinen Kollegen von der University of Saskatchewan und namhaften Aerosolforschern wie Alan Robock (Rutgers Universität, New Brunswick), William J. Randel (National Center for Atmospheric Research, Boulder) und Terry Deshler (Department of Atmospheric Science, University of Wyoming) im Fachblatt "Science" [3] vorschlägt.

Ursprünglich wollten die Wissenschaftler nur die globale Verteilung von Ozon in der Atmosphäre untersuchen. Dabei seien sie laut einer Reportage in der Deutschlandfunksendung "Forschung aktuell" vom 10. Juli 2012 auf eine unerwartete Störung in den Meßdaten des Satelliten Odin gestoßen.

"Es stellt sich heraus, dass dieses Störsignal von Aerosolen verursacht wird. Und wir erkannten, dass wir das sehr gut für Aerosolmessungen nutzen können. Wir können damit den globalen Effekt der Aerosole erfassen." [4]

Odin hatte offenbar die stärkste Anreicherung der Stratosphäre mit Aerosolen registriert, die er jemals innerhalb seines schon zehn Jahre dauernden Einsatzes maß. Nach Adam Bourassa [4] ist der Aerosolgehalt in der Stratosphäre normalerweise sehr gering. Das ändere sich eigentlich nur, wenn ein Vulkan so heftig ausbricht, daß seine Gase bis in die Stratosphäre aufsteigen.

Die Atmosphärenforscher schlußfolgerten nun, daß die gemessenen Aerosoldaten auf den am 13. Juni 2011 ausgebrochenen Schichtvulkan Nabro, Eritrea, Nordost-Afrika, zurückzuführen sind, dessen Eruptionssäule allerdings zunächst nicht dafür sprach, daß die Gas- und Aschewolke über die tieferen Luftschichten der Troposphäre hinausgehen würde. Ein kühlender Effekt auf das Erdklima wäre demnach nicht zu erwarten gewesen.

Daß dennoch vulkanische Gase und Aerosole bis in die Stratosphäre hineingetragen werden konnten, erklären die Forscher in Science mit starken thermischen Aufwinden, verursacht durch die Nähe des asiatischen Sommermonsuns. Mit Hilfe der Odin-Meßdaten rekonstruierten die Forscher nun die Auswirkungen des Nabro-Ausbruchs am Computer:

Die Wolke aus Asche und Gasen breitete sich damals über das nordöstliche Afrika in Richtung Asien aus. Während die Asche zu Boden sank, gerieten kleinere Teilchen in die Strömung des Monsuns. Die mächtigen Monsunwinde hatten genug Kraft, Aerosole und Tröpfchen über die Troposphäre hinaus zu befördern. [5]

In der Zusammenfassung (hier: Abstract) des Science-Artikels wird darüber hinaus erwähnt, daß es sich um eine Gasmenge von 1,3 Teragramm (ein Teragramm entspricht einer Megatonne bzw. einer Millionen Tonnen) Schwefeldioxid (SO2) gehandelt hat, die zunächst in eine Höhe von 9 bis 14 Kilometer aufstieg und dann durch eine starke Konvektionsströmung gemeinsam mit der Zirkulation des asiatischen Sommermonsun in die Stratosphäre befördert wurde, wobei sich SO2 allmählich in sogenannte Sulfat-Aerosole umwandelte [6]:

The Nabro stratovolcano in Eritrea, northeastern Africa, erupted on 13 June 2011, injecting approximately 1.3 teragrams of sulfur dioxide (SO2) to altitudes of 9 to 14 kilometers in the upper troposphere, which resulted in a large aerosol enhancement in the stratosphere. The SO2 was lofted into the lower stratosphere by deep convection and the circulation associated with the Asian summer monsoon while gradually converting to sulfate aerosol. This demonstrates that to affect climate, volcanic eruptions need not be strong enough to inject sulfur directly to the stratosphere. [3]

Allein der letzte Satz, "eine vulkanische Schwefelinjektion müsse nicht zwangsläufig direkt in die Stratosphäre erfolgen, um klimawirksam zu sein", könnte "Climate-" oder "Geoengineering"-Forscher bei künftigen Plänen zur Klimakorrektur möglicherweise inspirieren.

Sulfat-Aerosole gelten als eines der wirksamsten "Kühlungsmittel" in der Stratosphäre. Obgleich diese "Zufallsentdeckung" für jeden ersichtlich auf das gleichzeitige Auftreten sehr spezieller Bedingungen zurückzuführen ist und - wie die Forscher einräumen -, sich derzeit noch nicht einmal abschätzen läßt, "wie stark der kühlende Effekt des Nabro-Ausbruchs auf das Weltklima ausfällt" (die Auswertung der zugehörigen Daten läuft noch), betonen die beteiligten Forscher in ihrer Arbeit wie auch in Interviews, daß damit gewissermaßen bewiesen sei, daß man auch den Einfluß kleinerer oder schwächerer Eruptionen auf das Klima doch stärker beachten müsse. Gegenüber dem Deutschlandfunk meinte Bourassa wörtlich:

"Es gibt einige andere vulkanische Ereignisse in jüngerer Zeit, die von der Klimaforschung nicht beachtet wurden, die aber durchaus global kühlend wirken." [4]

Unmittelbar fragt man sich, ob knapp fünf Monate vor der nächsten UN-Klimakonferenz in Doha (der Hauptstadt Katars) von Seiten der Klimaforscher noch schnell ein Hoffnungsschimmer an den düsteren Himmel der menschenverursachten Klimaentwicklung gesetzt werden sollte, für die Katar mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Ausstoß des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) (49,1 Tonnen pro Kopf und Jahr) nahezu ein Sinnbild der Unausweichlichkeit der desaströsen Klimasituation abgibt. Noch nie schien das in Cancún vereinbarte 2-Grad-Ziel in weitere Ferne gerückt als gerade jetzt. Klafft nicht nur eine gewaltige Lücke zwischen den Mengen an Treibhausgasen, die eingespart werden müßten und den bis dato vorliegenden Reduktionszusagen, ist es doch auch immer wieder fraglich, daß letztere überhaupt eingehalten werden können.

Nachdem die Internationale Energie Agentur (IEA) bereits im Mai ihre Kohlendioxidbilanz für 2011 vorgestellt hatte, wurde sie nun noch einmal durch die Forschungsabteilung der EU-Kommission nach oben hin korrigiert:

Sie kommt in ihren Berechnungen auf den Rekordwert von 34 Milliarden Tonnen CO2. Die IEA hatte 31,6 Milliarden Tonnen ermittelt. Um das 2-Grad-Ziel noch zu halten, dürfen bis 2050 durchschnittlich nur rund 15 bis 28 Milliarden Tonnen pro Jahr emittiert werden. [7]

Dabei gingen Emissionen aus der Verbrennung von Biomasse, beispielsweise durch Waldbrände, in diese Hochrechnung nicht einmal ein - genauso wenig andere Treibhausgase wie etwa Methan - dann käme man sogar auf 50 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente. Doch selbst 19 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr einzusparen, ist leichter errechnet als getan, zumal der globale Emissionstrend seit 1990 weiterhin steil ansteigt.

Wie schön wäre es da doch, wenn sich der befürchtete Klimawandel mit vielen kleinen Vulkanausbrüchen á la Bourassa und Robock ausbremsen ließe. Möglicherweise könnte der Vergleich mit kleinen, unspektakulären Vulkanausbrüchen auch weiterführenden Plänen für das Geoengineering mit Schwefelsäureeinträgen in die Stratosphäre vor allem in der skeptischen Öffentlichkeit den Boden bereiten.

Allerdings sind auch nur geringe Einträge von Sulfat, schwefliger Säure oder Schwefelsäure, um die es sich bei diesen wirksamen Aerosolen handelt [6], keineswegs ungefährlich, wenn sie eines Tages wieder herunterkommen und schon wegen ihrer negativen gesundheitlichen Relevanz keineswegs wünschenswert [8]. Die Wissenschaftler halten sich daher auch in diesem Punkt bedeckt. So der Wissenschaftler Bourassa im Deutschlandfunk:

"Ich denke, wir sollten beim Klimaschutz nicht auf Vulkanausbrüche setzen. Vulkane sind unberechenbar. Zu hoffen, dass Vulkane eine globale Abkühlung bewirken, halte ich für geradezu gefährlich."[4]

Zumal eine solche Abkühlung auch nicht von langer Dauer wäre. Aerosole in der Stratosphäre werden durch Luftströmungen in Richtung der Pole getragen, wo sie langsam absinken. Nach einigen Monaten bis wenigen Jahren ist ihre Wirkung dann vorbei. Dann muß spätestens der nächste Vulkanausbruch stattfinden oder die nächste "kontrollierte" Schwefelinjektion erfolgen.

Fußnoten:

[1] Aerosol - Die Vorsilbe Aero bedeutet Luft. Die Nachsilbe "Sol" kommt aus der Kolloidchemie und beschreibt einen Zustand, in dem feste Teilchen in einer Flüssigkeit so verteilt sind, daß dies zähflüssiger wird, aber immer noch frei fließen kann. Mit "Aerosol" wird somit eigentlich zunächst das Medium beschrieben, in dem freibewegliche kleine Partikel oder Schwebeteilchen eine Art Luft-Sol bilden. Wobei letzteres schon eine Beziehung oder Wechselwirkung der Bestandteile untereinander impliziert.

[2] siehe Berichterstattung des Schattenblick zur Konferenz "Severe Atmospheric Aerosol Events" (11.-12.8.2011) in Hamburg:
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BERICHT/004 bis 011: Klima, Aerosole - Schadensträger im Fadenkreuz, Teil 1 bis 8 (SB) und
Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REPORT
INTERVIEW/003 bis 008 bzw. über die URLs:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_bericht.shtml
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/ip_umwelt_report_interview.shtml

[3] Adam E. Bourassa, Alan Robock, William J. Randel, Terry Deshler, u.a. in "Science" 6.7.2012, Vol. 337 No. 6090, pp. 78-81, DOI: 10.1126/science.1219371

[4] Deutschlandfunk, Forschung aktuell 10. Juli 2012, Lucian Haas, Kühlende Vulkane
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/1808164/

[5] Scienceticker.info, 6. Juli 2012, "Auch kleine Vulkanausbrüche können das globale Klima beeinflussen"
http://www.scienceticker.info/2012/07/06/auch-kleine-vulkanausbrueche-koennen-das-globale-klima-beeinflussen/

[6] Sulfat-Aerosole nennen Klimawissenschaftler feinste Verteilungen von Luftschwebstoffen in der Atmosphäre, die mit Hilfe von Sauerstoff und Sonnenlicht aus Schwefelhaltigen Emissionen auf oxidativem Wege entstehen und besonders wirksam das Sonnenlicht streuen. Dabei handelt es sich meist um tröpfchenartige Zusammenballungen mit unterschiedlichen Anteilen von Schwefelsäure, ihren Salzen (Sulfate), schwefliger Säure und ihren Salzen (Sulfite).

[7] Klimaretter.Info, 22. Juli 2012, Eva Mahnke, "2011: 34 Milliarden Tonnen"
http://www.klimaretter.info/forschung/hintergrund/11618-2011-34-milliarden-tonnen

[8] ein ausführlicher Bericht über mögliche tödliche Nebenwirkungen und gesundheitliche Folgen von schwefelhaltigen Aerosolen siehe auch:
Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REDAKTION
KLIMA/492: Vulkanische Schwefeldämpfe unterschätzt - Leeds Wissenschaftler warnen vor schwerer Naturkatastrophe (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/redakton/umkl-492.html

26. Juli 2012