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KLIMA/605: REDD+ verfestigt Nord-Süd-Gefälle (SB)


Klimaschutz durch REDD+?

Schadstoffumverteilung durch den globalen Norden


Menschen in ärmeren Ländern dafür einzuspannen, daß sie empfindliche Einschränkungen ihrer traditionellen Lebensweise erleiden müssen, nur um Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, die die Industriestaaten mit ihrer Hochkonsumlebensweise überhaupt erst erforderlich machen, hat bei den internationalen Klimaschutzkonferenzen wie zuletzt 2015 in Paris mehr und mehr an Attraktivität gewonnen. Im Zentrum dieser Lastenverteilung vom globalen Norden in den globalen Süden steht das Akronym REDD+. Hinter dieser "Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung" verbirgt sich ein Bündel von Maßnahmen, die allesamt auf eine Entfremdung und letztlich Enteignung großer Waldgebiete und anderer Naturräume aus dem traditionellen Nutzen der angestammten Bevölkerung abzielen. Klimaschutz dient dabei als opportuner Vorwand. Hier wird das Rad der Geschichte nicht etwa zu kolonialzeitlichen Raub- und Ausbeutungsformen zurückgedreht. Vielmehr dient der Klimaschutz als Transmissionsriemen, um sich die letzten verbliebenen Refugien des Planeten, die von der Globalisierung noch nicht oder nur partiell erfaßt wurden, einzuverleiben.


Großer, gefällter und teilzerlegter Baum auf einer Lichtung - Foto: © 2015 by Schattenblick

Hambacher Forst, 14. Juni 2015: In Deutschland wird uralter Baumbestand abgeholzt, um Braunkohle zu gewinnen und zu verbrennen. Für die Beseitigung der klimarelevanten Abgase aus der Braunkohleverstromung halten wir uns dann ein paar Menschen im Süden, die den Schadstoff aus der Luft herausholen und ihn fortan als Klimaschutzwald mit eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten verwalten.
Foto: © 2015 by Schattenblick

In einer Studie [1], die das Center for International Forestry Research (CIFOR) im Sommer dieses Jahres veröffentlicht hat und die sich kritisch mit REDD+ auseinandersetzt - ohne allerdings diesen Klimaschutzmechanismus grundsätzlich in Frage zu stellen -, beschreiben die Autorinnen und Autoren, daß sich bisher eines der Kernversprechen der REDD+-Befürworter nicht erfüllt hat: Die Kosten der Transformation eines Waldgebiets zu einem Klimaschutzwaldgebiet werden auf die subnationale Ebene abgewälzt. Mit anderen Worten, die ursprüngliche Bevölkerung erleidet teils erhebliche Verluste, die durch die Finanzzusagen nicht kompensiert werden.

"Viele REDD+-Initiativen arbeiten unter der Annahme, daß die Kosten aus der Verringerung der Entwaldung durch die Auszahlungen der internationalen Gemeinschaft abgedeckt werden und daß außerdem REDD+ einen Überschuß abwirft, der zu gleichen Anteilen zwischen den unterschiedlichen Beteiligten aufgeteilt wird", sagte Cecilia Luttrell, eine der Hauptautorinnen der Untersuchung. Aber das sei ein Irrtum. Zunächst seien es die lokalen Initiativen, die die realen Kosten zu tragen hätten. [2]

Die Studie zielt auf eine Verbesserung des REDD+-Mechanismus, nicht auf seine Abschaffung. Insofern werden bei diesem Ansatz einige Fragen gar nicht erst gestellt und bestimmte Feststellungen nicht getroffen. Ist es nicht ein alter Hut, daß die wohlhabenden Staaten des Nordens an die ärmeren Staaten des Südens herantreten und sie mit ihren Konzepten und Vorstellungen beglücken wollen? Ein prinzipieller Unterschied zwischen den europäischen Eroberern von einst, die im Wahn der eigenen Suprematie den "Primitiven" ach so bedeutsame Verhaltensweisen beibrachten wie, daß man bei Tisch gerade sitzt und wie man mit Messer und Gabel ißt, und den REDD+-Apologeten von heute, die ausgerechnet jenen Völkern die Vernunft des Klima- und Waldschutzes predigen, die seit Jahrtausenden nichts anderes gemacht haben, als Waldschutz zu betreiben, ist nicht zu erkennen.

REDD+ läuft darauf hinaus, daß in Industriestaaten wie Deutschland weiterhin fossile Energieträger wie Erdöl, Erdgas und Kohle verbrannt und dadurch großen Mengen Kohlenstoffdioxid (CO2) emittiert werden, der aber dann rechnerisch durch die Aufforstung und intensive Waldpflege beispielsweise in Kamerun globalklimatisch "kompensiert" wird. Selbst wenn bei der CIFOR-Untersuchung nicht entdeckt worden wäre, daß die Verluste der Menschen vor Ort aufgrund von REDD+ häufig größer sind als die Einnahmen aus diesem Klimaschutzinstrument, bleibt auf jeden Fall die Hierarchie gewahrt: Wir im Norden produzieren weiterhin den Schadstoff CO2, durch den sich die Erde aufheizt, und bezahlen die Menschen im Süden dafür, daß sie ihn für uns wegmachen.


Fußnoten:

[1] http://www.cifor.org/publications/pdf_files/WPapers/WP204Luttrell.pdf

[2] http://blog.cifor.org/41483/who-is-really-bearing-the-cost-of-redd-the-answer-may-surprise-you?fnl=en

19. Dezember 2016


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