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KLIMA/608: USA verabschieden sich radikal vom Klimaschutz (SB)


Wie ein Trump im Porzellanladen ...


In der Sendung "Kontrovers", die der Deutschlandfunk regelmäßig am Montagmorgen ausstrahlt, forderte diese Woche ein Anrufer, man möge dem neuen US-Präsidenten doch wie üblich 100 Tage Zeit geben, bevor man anfängt, ihn und seine Politik kritisch zu beleuchten. Abwarten und erstmal schauen, was Trump überhaupt macht, ist dieser Tage ein häufig zu vernehmender Vorschlag.

Dieser Appell zur Zurückhaltung entspringt einem Politikverständnis, das Trump nicht gerecht wird. Der neue US-Präsident jedenfalls hält sich zu keiner Zeit an irgendeiner Stelle zurück, weder im Wahlkampf noch in den wenigen Tagen seit seinem Amtsantritt. Wer sich ihm entgegenkommend, konsensheischend oder unterwürfig nähert, wird von ihm als Schwächling angesehen, der es nicht anders verdient hat, als untergebuttert zu werden. Beispielsweise hat sich der Wahlkämpfer Trump über einen Behinderten lustig gemacht - der Präsident Trump wird diese Einstellung gegenüber Menschen, denen er sich überlegen fühlt, in politische Praxis umsetzen.

Dabei läßt er nichts anbrennen. Auf der Website [1] des Weißen Hauses wird man inzwischen vergebens Informationen zum Klimawandel suchen. Für die neue US-Regierung existiert er nicht mehr. Dabei zählte die globale Erwärmung einmal zu ihren Top-Themen.

Gegen die Streichung der Themenfeldern LGBT-Rechte, Klimawandel und Bürgerrechte wurde bereits am 20. Januar eine Petition angestrengt. [2] Darin wird gefordert, sie wieder zur Priorität zu machen. Die Petition haben allerdings bis Redaktionsschluß erst 216 Personen unterschrieben. Bis zum 19. Februar 2017 müssen es 100.000 Personen sein. Dann ist das Weiße Haus gezwungen, darauf zu reagieren. Wie die Antwort aussehen wird, ist allerdings offen. Das nennt sich dann Bürgerbeteiligung ...

Die größte Annäherung an das Thema Klimawandel - wenngleich exakt die Gegenseite bedienend - stellt auf der Website des Weißen Hauses die Rubrik "American First Energy Plan" dar. Darin heißt es zwar abschließend, daß "unser Bedarf an Energie Hand in Hand mit einem verantwortungsbewußten Umgang mit der Natur" gehen muß und daß "die Bewahrung von sauberer Luft und sauberem Wasser, von natürlichen Habitaten und Naturreservaten und Ressourcen eine hohe Priorität bleiben wird". Und weiterhin ist zu lesen, daß Präsident Trump die Umweltschutzbehörde EPA auf ihre wesentliche Aufgabe, "Schutz unserer Luft und unseres Wasser", ausrichten wird. [3]

Aber Klimawandel? Was für ein Klimawandel? Davon ist nicht die Rede. Sondern davon, die heimische Erdöl- und Erdgasförderung massiv weiter auszubauen, um die Importabhängigkeit zu verringern, und die heimische Kohleförderung wiederzubeleben. Einzig die Aussage, daß die Trump-Administration der Saubere-Kohle-Technologie "verpflichtet" ist, bietet einen indirekten Hinweis darauf, daß die neue US-Regierung auf die CCS-Technologie setzen könnte, über die im internationalen Klima-Diskurs ebenfalls gesprochen wird. Dabei sollen die CO2-Emissionen der Kohlekraftwerke vor dem Entweichen in die Atmosphäre abgefangen, verflüssigt und gelagert werden.

CCS gilt zwar als Klimaschutzmaßnahme, allerdings handelt es sich nicht zuletzt um ein hervorragendes Geschäftsmodell für die Betreiber von Kohlekraftwerken. Denn die Abscheidung und Verflüssigung kostet reichlich Energie, was bedeutet, daß die Kraftwerke mehr Strom produzieren, als normalerweise gebraucht würde, da sie einen Teil des von ihnen generierten Stroms darauf verwenden, die von ihnen produzierten CO2-Emissionen zu verringern. Bei dieser Klimaschutzmaßnahme wird also mehr Energie verbraucht und mehr CO2 produziert, nur damit das Treibhausgas abgefangen werden kann.

Die Internetpräsenz der Umweltschutzbehörde EPA hat bislang noch keine Erneuerung erfahren. Das wird sie aber noch, denn mit Scott Pruitt wurde ihr der frühere Generalstaatsanwalt des US-Bundesstaats Oklahoma vor die Nase gesetzt. Dieser hatte die EPA verklagt, damit sie die Beschränkung der CO2-Emissionen bei der Stromgewinnung und die Grenzwerte für die Emissionen von Quecksilber und Arsen aus Kraftwerken aufhebt. Darüber hinaus hat er sich gemeinsam mit anderen republikanischen Generalstaatsanwälten gegen jegliche Restriktionen der Methanemissionen aus der heimischen Öl- und Gasförderung gewandt. Trump hätte wohl keinen geeigneteren Kandidaten als Pruitt auf den Chefposten der EPA setzen können, um diese vollends zum willfährigen Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft zurechtzustutzen.

Das vollkommene Ignorieren des Klimawandels auf der offiziellen Website des Weißen Hauses wird weitreichende Konsequenzen haben. Man muß davon ausgehen, daß sich sämtliche Ressorts aus dem Klimaschutz zurückziehen werden. Das betrifft sowohl die Bedingungen, nach denen innerhalb der Vereinigten Staaten gewirtschaftet wird, als auch die Finanzierung von internationalen Klimaschutzmaßnahmen wie den Green Climate Fund sowie zahlreiche weitere kleinere wie größere Aktivitäten, die entweder unilateral oder multilateral laufen oder noch unter Obama vereinbart wurden. Behörden wie die NASA (National Aeronautics and Space Administration) und NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration), die sehr intensiv die Auswirkungen des Klimawandels beobachten, werden diese Aktivitäten einstellen. Sofern Satelliten in Betrieb sind, werden sie entweder andere Funktionen als die Beobachtung des Klimawandels übernehmen oder aber lediglich Daten sammeln, für die dann seitens der Behörden niemand zur Auswertung abgestellt wird.

Trump dürfte weit, weit über das hinausgehen, womit der frühere US-Präsident George W. Bush jun. das internationale Bemühen um einen globalen Klimaschutz "beschenkt" hat, als er sich weigerte, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren. Trump "took off the gloves", er hat die Handschuhe ausgezogen, um seinen Schlägen eine höhere Wirkung zu verleihen. Es wäre naiv anzunehmen, mit ihm sei nach 100 Tagen im Amt noch irgendein Kompromiß in Sachen Klimaschutz zu schließen.

"America first!", wie der US-Präsident bei seiner Inaugurationsrede mehrfach betonte, bedeutet, daß jene weiße, rassistische, frauenfeindliche und reiche Klientel, für die Trump steht, den zu verteilenden Kuchen ganz für sich reklamiert. Das bedeutet in der zweiten Dekade des Jahrhunderts der globalen Erwärmung, die Grenzen gegenüber (Klima-)Flüchtlingen dichtzumachen (wurde von Trump angekündigt), Minderheiten zu unterdrücken (der Service des Weißen Hauses für die spanischsprechende Bevölkerung wurde schon abgeschaltet [4]), die Wirtschaft zu stärken (die Unternehmenssteuern sollen auf 15 bis 20 Prozent und die Regularien um 75 Prozent verringert werden [5]) und internationale Verträge um der eigenen Vorteile willen aufzukündigen (das transpazifische Freihandelsabkommen TPP soll nicht unterzeichnet und das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA neu verhandelt werden [6]).

Indem Trump mit "America first!" an den angeblich gemeinsamen nationalen Geist appelliert, täuscht er einen vordergründigen Zusammenhalt an, wo sich die Klasse der Dutzenden Millionen Verarmten und die der wenigen Reichen eigentlich unversöhnlich gegenüberstehen müßten. Um von diesem Widerspruch abzulenken, muß das Star Spangled Banner zu jeder Zeit und möglichst kräftig geschwenkt werden. Darin unterscheidet sich allerdings der Republikaner Trump nicht von seinen demokratischen Vorgängern wie Barack Obama, die "America first!" nur unbedeutend weniger herausposaunt, aber nichtsdestotrotz nach dieser Maxime gehandelt haben.


Fußnoten:

[1] https://www.whitehouse.gov/

[2] https://petitions.whitehouse.gov/petition/demand-trump-administration-add-lgbt-rights-climate-change-and-civil-rights-back-list-issues-whgov-site

[3] https://www.whitehouse.gov/america-first-energy

[4] http://schattenblick.de/infopool/nachrich/tag/aus-7327.html

[5] http://www.tageblatt.lu/nachrichten/ausland/story/Trump-legt-los-20652781

[6] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/trump-will-abkommen-nafta-mit-kanada-mexiko-ueberarbeiten-14732001.html

24. Januar 2017


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