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KLIMA/667: Globale Wandlungen - Ursachen und Folgen kleingeredet ... (SB)



Im Laufe der Erdgeschichte haben Warm- und Kaltzeiten Einfluß auf die Drehachse des Planeten genommen, indem mal mehr, mal weniger Wasser an den Polen in Form von Eis gebunden war und die Erdkruste darunter zusammengedrückt oder entlastet wurde. Zu diesem natürlichen Einfluß kommt inzwischen der des Menschen hinzu, da er die globale Erwärmung stark beschleunigt und darüber auch den Gletscherschwund, insbesondere auf Grönland, vorantreibt. Vom Eis befreit, hebt sich dort die Erdkruste und verändert dadurch die Lage der Drehachse des Planeten.

Der geographische Nordpol, sozusagen eines der Enden der Rotationsachse der Erde, hat sich in den letzten hundert Jahren um zehn Meter nach Südwesten in Richtung Labrador bewegt. Ein Drittel dieser Strecke geht auf den Menschen zurück, berichtete eine internationale Forschergruppe um Surendra Adhikari vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena, Kalifornien, im Journal Earth and Planetary Science Letters. Die umfangreichen Forschungen fanden mit deutscher Beteiligung statt [1].

Weil der Mensch große Mengen an fossilen Energieträgern verbrennt und dabei Treibhausgasemissionen erzeugt, erwärmt sich die Erde und schmilzt unter anderem der grönländische Eispanzer ab. Er würde auch ohne menschliches Zutun an Masse verlieren, weil sich die Erde nach der letzten Kaltzeit in einer Erwärmungsphase befindet, aber durch menschliches Zutun wird der Effekt verstärkt. Die hier angesprochene Polwanderung ist nicht zu verwechseln mit dem Wandern des magnetischen Pols und auch nicht mit der laufenden Winkeländerung der sich drehenden Erde zur Sonne.

Grönland ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die abschmelzenden Eismassen relativ weit vom geographischen Nordpol entfernt liegen, es ergibt sich ein Winkel von etwa 45 Grad zur Rotationsachse. In Folge dieses Abstands hat die Massenverlagerung von Eis, das auftaut und sich als Wasser in den Ozeanen rund um den Erdball verteilt, einen größeren Einfluß auf die Erddrehung, als wenn die gleiche Masse näher am Nordpol abschmelzen würde. Anders gesagt, es kommt zu größeren Unwuchten.

Rund ein weiteres Drittel der Polwanderung findet aufgrund der Summe aus verschiedenen Massenverlagerungen, beispielsweise durch schmelzende Gletscher in anderen Weltregionen, Wechsel von meteorologischen Hoch- und Tiefdrucksystemen, Grundwasserverbrauch, Bau von Stauseen sowie seismischen Vorgängen statt. Das letzte Drittel hat mit Massenbewegungen im Erdinnern zu tun, der sogenannten Mantelkonvektion. Unterhalb der festen Erdkruste liegt der Erdmantel. Dessen Material ist aufgrund von Hitze und Druck zähflüssig. Innerhalb der Masse finden langsame Bewegungen statt. Material steigt auf und bewegt sich wieder nach unten, es kommt zu Kreis- bzw. Konvektionsströmungen.

Bislang galt die nacheiszeitliche Landhebung als Hauptfaktor der Polwanderung. In der hier zitierten Studie werden die Ursachen präzisiert und es wird versucht, eine Lücke in den bisherigen Modellen zu schließen. Die Klimaforschung nutzt solche Daten über die Polwanderung und der ihr zugrundeliegenden Massenverlagerung, um die eigenen Simulationen zur zukünftigen klimatischen Entwicklung der Erde zu präzisieren.

Angesichts dessen, daß die Erde eher einer Kartoffel denn einer idealen Kugel ähnelt und sie sowieso um ihre Achse eiert, was an der Erdoberfläche einen spiralförmigen Verlauf des gedachten Endpunkts um einen von der Wissenschaft vor über hundert Jahren festgelegten Rotationspunkt (CIO - Conventional International Origin) ergibt, verwundert es nicht, daß die Wissenschaft den innerhalb dieses Geschehens vergleichsweise geringen menschlichen Einfluß auf die Erdrotationsachse gar nicht erst unter der Rubrik "potentielles Problem" abhandelt. Nicht zuletzt scheint das System vom menschlichen Zeithorizont aus betrachtet über ausreichende Beharrungskräfte zu verfügen.

Diese Sichtweise beruht allerdings auf Erkenntnissen, die sich naturgemäß immer nur auf Vergangenes beziehen können. Das gilt selbstverständlich auch für die Modelle, mit denen versucht wird, sozusagen in die Zukunft zu greifen und mögliche Entwicklungen zu berechnen, bevor sie eintreten. Selbst wenn solche Modelle zwecks Validierung nach rückwärts gerichtet werden, um sicherzustellen, daß sie wenigstens vergangene Ereignisse treffend zu beschreiben vermögen, zeigt sich darin gegebenenfalls zwar eine gewisse Plausibilität, aber noch immer keine prognostische Qualität.

In einem Kosmos des Werdens und Vergehens auf Wiederholbarkeit der Ereignisse zu setzen, wie es mit solchen Bemühungen getan wird, kann fehlgeleiteter kaum sein. Aus der Meteorologie ist das geflügelte Wort bekannt, daß der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen kann. Müßte man nicht ähnliches für geo- und astrophysikalische Verhältnisse annehmen? So schwankend, wie die Erde um ihre Drehachse rotiert und wie dieser Rotationskörper seinerseits samt seinem Trabanten auf nahe beieinander liegenden, aber niemals denselben Bahnen um die Sonne taumelt, und zwar auf einer Ellipse, deren Form im Laufe der Erdgeschichte ebenfalls Veränderungen unterworfen war und heute noch ist, und wenn man nun bedenkt, daß dieses dynamische System wiederum in gravitationaler Wechselwirkung mit anderen Planeten steht, sich also alles mit allem in Verbindung befindet, das heißt aufeinander einwirkt, kann man sich da noch wirklich sicher sein, daß nicht ein kleines Hinzufügen einer Geschwindigkeitsabweichung der Rotation an der "falschen" Stelle sich zu einem Störfaktor mit verheerenden Folgen für den Planeten und in der Konsequenz vielleicht sogar das gesamte Sonnensystem entwickeln kann?


Fußnote:

[1] http://www.marzeion.info/sites/default/files/adhikari_etal_18.pdf

28. September 2018


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