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KLIMA/690: Erderwärmung - Infektionszuwachs ... (SB)



Mit der Erwärmung der Erde werden die sogenannten El-Niño-Ereignisse wahrscheinlich stärker werden und häufiger auftreten. Diese periodische, rund alle drei bis fünf Jahre um die Weihnachtszeit herum weltweit auftretende Umkehr der Klimaverhältnisse fördert regional die Übertragung von Infektionskrankheiten. Das berichtete die US-Weltraumagentur NASA, die das besonders starke El-Niño-Jahr 2015/16 hinsichtlich der Verbreitung von Infektionskrankheiten untersucht hat. Demnach infizierten sich überdurchschnittlich viele Menschen unter anderem in den US-Bundesstaaten Colorado und New Mexiko mit Beulenpest und dem Hantavirus, in Tansania mit Cholera sowie in Brasilien und Südostasien mit Denguefieber.

El-Niño beginnt mit einer Umkehr der Meeresströmung im äquatorialen Pazifik, der sich vor der Westküste Mexikos um mehreren Grad aufheizt. Nach und nach erwärmen sich auch weiter südlich gelegene Meeresgebiete vor der pazifischen Küste Lateinamerikas. Das löst auf der ganzen Welt klimatische Umkehreffekte aus, die häufig in Naturkatastrophen münden, da es in Trockengebieten zu Überschwemmungen und in feuchten Regionen zu Dürren kommt. Viele Opfer unter Mensch und Tier, hohe Sachschäden und Ernteverluste sind die Folge.

Der Wissenschaftler Assaf Anyamba vom NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland, berichtete, daß das El-Niño-Ereignis 2015/16 das drittstärkste in den letzten 50 Jahren gewesen ist. Unter anderem mit Hilfe von Satellitendaten sowie dem Abgleich mit öffentlichen Gesundheitsinformationen konnte die Forschergruppe das Verhältnis zwischen der Ausbreitung von Infektionskrankheiten und El-Niño quantifizieren. Demnach war die Inzidenz (Ausbreitung) von Infektionskrankheiten in den untersuchten Regionen um bis zu 28 Prozent gestiegen. Die Ergebnisse wurden am 13. Februar im Journal "Nature Scientific Reports" veröffentlicht (https://www.nature.com/articles/s41598-018-38034-z).

Beispielsweise stieg im Südwesten der USA die Zahl der Infektionen mit dem Hantavirus an, weil die plötzliche Zunahme des Regens und die etwas milderen Temperaturen in dieser ansonsten trockenen und heißen Region zunächst das Pflanzenwachstum und in Folge des daraufhin größeren Futterangebots die Vermehrung von Nagetieren gefördert hat. Das wiederum war der Grund, weswegen diese Überträger des Hantavirus häufiger in Kontakt mit Menschen kamen. Die Infektion erfolgt meist über Urin oder Kot der Tiere, beispielsweise auf Lebensmitteln oder im Wasser.

Im ostafrikanischen Tansania hatte es zu jenem Jahreswechsel ebenfalls kräftig geregnet, Überschwemmungen waren die Folge. Dadurch wurde das Trinkwasser mit bakterienverseuchten Ausscheidungen verunreinigt, und es infizierten sich deutlich mehr Menschen mit dieser Durchfallerkrankungen als in den zurückliegenden 15 Jahren zuvor.

In Südostasien, insbesondere in Indonesien und Thailand, steigt in El-Niño-Jahren die Infektionszahl mit dem von Moskitos übertragenen Denguefieber in der Regel an. So auch 2015/2016, wenngleich geringer als in früheren El-Niño-Jahren. Noch deutlicher war der Unterschied zu "normalen" Jahren in Brasilien. Auch dort waren die Temperaturen gestiegen und die Landoberfläche trockener geworden. Das trieb die Moskitos vermehrt in die Städte, wo sie genügend offenes Wasser fanden, in das sie ihre Eier ablegen konnten. Die aus den Larven geschlüpften Moskitos gediehen unter den warmen Bedingungen prächtig. Menschen wurden vermehrt gestochen und auch infiziert.

Man hat es hier demnach mit dem umgekehrten Effekt zu tun, da das Problem nicht darin besteht, daß eine höhere Feuchtigkeit zur Vermehrung der Moskitos beiträgt, sondern daß die Insekten aufgrund der Trockenheit die Nähe zu menschlichen Siedlungen aufsuchen.

Co-Autor Kenneth Linthicum, der für das US-Landwirtschaftsministerium das entomologische Labor in Gainesville, Florida, leitet, betonte, wie wichtig die Informationen über einen Zusammenhang von El-Niño und Infektionskrankeiten sein können. Als Beispiel nannte er die Vermeidung eines Ausbruchs mit Rift-Valley-Fieber in Ostafrika. Indem dort im Zeitraum 2015/16 das Vieh rechtzeitig geimpft worden war, seien vermutlich Tausende Erkrankungen von Menschen und Todesfälle unter Tieren verhindert worden.

Die Zunahme an Infektionskrankheiten in Folge der globalen Erwärmung zählt zu den weniger spektakulären Klimawandelfolgen verglichen mit Dürren, Überschwemmungen und intensiveren Wirbelstürmen. Dennoch können die gesellschaftlichen Auswirkungen enorm sein, denkt man an die vielen tausend Choleraerkrankten in Ostafrika. Die Mortalität von Cholera ist zwar verglichen mit vielen anderen Infektionskrankheiten gering, aber wenn eine so große Zahl an Menschen bettlägerig ist und von anderen gepflegt werden muß, entstehen über die persönlichen Schädigungen hinaus auch gesellschaftliche Verluste aufgrund der geringeren Produktivität.

In der NASA-Studie werden die verschiedenen lokalen Epidemien in einen Zusammenhang mit der globalklimatischen Entwicklung unter dem speziellen Einfluß des El-Niño-Phänomens gestellt. Das wird voraussichtlich nicht nur häufiger und stärker auftreten, wie eingangs erwähnt, sondern kann zugleich als Matrize für die generelle Entwicklung der Erde genommen werden. Denn eine wesentliche Folgeerscheinung der globalen Erwärmung wird sein, daß die Verhältnisse extremer und zugleich unbestimmter werden und sich nicht mehr so genau vorhersagen lassen wie in der Vergangenheit.

1. März 2019


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