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RESSOURCEN/092: Gigantischer Raubbau in Osttimor für Agrosprit (SB)


Ethanol statt Essen

Regierung Osttimors will große Landesteile für den Anbau von Zuckerrohr zur Ethanolgewinnung verpachten


Die Regierung Osttimors hat mit dem indonesischen Unternehmen GTLeste Biofuels eine Vereinbarung darüber getroffen, daß sie 100.000 Hektar landwirtschaftlich nutzbare Fläche zum Anbau von Zuckerrohr für die Ethanolproduktion zur Verfügung stellt. Im Gegenzug will das Unternehmen in Osttimor Investitionen im Umfang von über 100 Mio. Dollar für Zuckerrohrplantagen und -fabriken, Destillen, Kraftwerke und Unterkünfte tätigen.

In dem am 15. Januar vom timoresischen Landwirtschaftsminister Mariano Assanami Sabino und Gino Sakiris, Vorsitzender von GTLeste Biotech, unterzeichneten Memorandum of Understanding [1] heißt es allerdings, daß es sich bei der obigen Summe um einen Schätzwert handelt. Folglich bleibt die Absichtserklärung in dieser Frage unverbindlich. Da die Nutzungsdauer der Agrarfläche auf 50 Jahre mit der Option auf weitere 50 Jahre angesetzt wird, könnte das Unternehmen jahrzehntelang behaupten, daß sich die veranschlagten Investitionen auf den Gesamtzeitraum erstrecken.

Nach Einschätzung von Maximus Tahu von der Nichtregierungsorganisation La'o Hamutuk nehmen 100.000 Hektar mindestens ein Sechstel der potentiellen Agrarfläche Osttimors ein, was sogar Teile bereits vorhandener Plantagen einschlösse. Der agrarpolitische Sprecher der Oppositionspartei Fretilin, Estanislau da Silva, geht davon aus, daß bei dieser großen Hektarzahl ein Viertel des potentiellen Agrarlandes belegt wird (AFP, 23. Juni 2008).

In dem Memorandum of Understanding wird die Agrarfläche als "unproduktives Land" ausgewiesen, eine Bezeichnung, mit der der Eindruck erzeugt wird, als stünde das Land zur freien Verfügung und als gebe es keine Konkurrenz zwischen dem Anbau von Pflanzen für Nahrung und für Treibstoff. Das ist ein fundamentaler Irrtum, der nicht nur für Zuckerrohr gilt, sondern selbst für Jatropha, eine ungenießbare und äußerst anspruchslose Pflanze. Auch beim Jatropha-Anbau werden Arbeitskräfte gebunden, potentielle Agrarflächen besetzt, Wasser und Boden verbraucht - für Zuckerrohr gilt dies um vieles mehr.

Unter Punkt H des Memorandum of Understanding wird zwar erklärt, daß Pachtvertrag in den ersten 50 Jahren "wegen der hohen Investitionskosten des Unternehmens" nicht rückgängig gemacht werden kann, aber das garantiert natürlich nicht, daß das Unternehmen diese Investitionen tatsächlich tätigt. Es handelt sich in diesem Punkt ausschließlich um ein Verpflichtung seitens der Regierung Osttimors. Und es bedeutet schon gar nicht, daß sie 100 Millionen Dollar auf die Hand bekommt und das Geld beispielsweise in regionale Wirtschaftsförderungs- oder Sozialprogramme stecken kann. Vielmehr wurde unter Punkt C vereinbart, daß es sich bei den veranschlagten 100 Mio. Dollar um die geschätzten "Gesamtinvestitionen" handelt, was bedeuten kann, daß die eigentliche Pachtsumme davon nur einen kleinen Teil ausmacht, die meisten Investitionen jedoch in Bauvorhaben gesteckt werden, die ausschließlich der Ethanolgewinnung, nicht aber der Entwicklung der Region dienen und somit der Regierung nicht zur Verfügung stehen.

Generell erweckt die Absichtserklärung den Eindruck, als wolle sich die Regierung Verpflichtungen auferlegen, durch die sie erheblich an möglichen Einnahmen aus der Ethanolproduktion einbüßen dürfte. So heißt es unter Punkt I, daß die Regierung dem Unternehmen "alle notwendigen Anreize" bieten wird, damit es Zuckerrohr anbauen und Ethanol gewinnen kann. Das dürfte absichtlich so vage gehalten sein, denn es könnte darauf hinauslaufen, daß die Regierung alle Hindernisse beseitigen muß, die beispielsweise der kontinuierlichen Wasserversorgung der Plantagen im Wege stehen, oder daß sie Fragen des Umweltschutzes unbeachtet läßt, weil solche Betriebseinschränkungen im Widerspruch zu den "notwendigen Anreizen" stehen.

Was nutzt es den Timoresen, wenn durch dieses riesige, weite Teile ihres Landes einbeziehende Ethanolprojekt angeblich mehr als 2000 Arbeitsplätze sowie mehr als 8.000 weitere Jobs geschaffen werden? Auch hierbei handelt es sich um bloße Schätzwerte, aus denen nicht hervorgeht, wie viele Timoresen tatsächlich einen bezahlten Arbeitsplatz erhalten werden. Unter Punkt K der Absichtserklärung heißt es nämlich, daß GTLeste Biotech qualifiziertes Personal aus Timor Leste (Osttimor) und/oder Indonesien einstellt, gegebenenfalls unterstützt von ausländischen Technikern. Was bedeutet das? Womöglich bringt das Unternehmen seine Fachkräfte vollständig aus Indonesien mit, weil es - angeblich oder tatsächlich - kein qualifiziertes Personal in Osttimor findet, und stellt Timoresen bestenfalls für gering bezahlte Hilfsjobs ein.

Im übrigen ist an dem "Memorandum of Understanding" nicht allein das bemerkenswert, was in ihm geschrieben steht, sondern auch das, was es unerwähnt läßt: Was geschieht mit den Menschen, die entweder in jenem angeblich "unproduktiven Land" siedeln oder von seinen Naturschätzen leben? Oder die existentiell auf das Wasser angewiesen sind, das von den Zuckerrohrplantagen verbraucht wird? Soll die Bevölkerung vertrieben werden, wie es so oft bei Projekten dieser Art geschieht? [2] Wie viele Arbeitsplätze werden dabei vernichtet? Wieviel Eigentum wird enteignet?

Selbst wenn die Regierung konsequent eine Politik der Umverteilung verfolgte - womit nicht zu rechnen ist - und die gegenwärtig größtenteils verarmte Bevölkerung Osttimors an den Einnahmen des Ethanolgeschäfts beteiligt würde, stellt sich die Frage, wozu der Staat bei der Umverteilung einen Umweg über das Erwirtschaften von Devisen gehen sollte. Wäre es statt dessen nicht viel naheliegender und von unmittelbarem Nutzen, wenn die Regierung alles dafür täte, damit die eigene Bevölkerung langfristig und damit auch in schlechten Erntejahren ausreichend zu essen und zu trinken hat und in akzeptablen Verhältnissen lebt? Sollte darüber hinaus noch Zuckerrohr angebaut werden können, aus dem dann Ethanol gewonnen wird, mit dem sich Devisen erwirtschaften lassen, um so besser. Aber vordringlich sollte die Versorgung der eigenen Bevölkerung gesichert werden.

Solange das nicht gewährleistet ist, dürften Bezeichnungen wie "unproduktives Land" eigentlich in keinen Regierungsdokumenten auftauchen. Tun sie es doch, ist das ein unmißverständlicher Hinweis darauf, daß sich die Regierung mit Armut und Hunger in der Bevölkerung abgefunden hat.

Erwartungsgemäß hat die timoresische Regierung Kritik an dem Vorhaben zurückgewiesen. Die Diskussion befände sich in einem frühen Stadium, es seien noch gar keine konkreten Anbauflächen ausgewiesen worden, sein Ministerium habe noch kein Land vergeben, behauptete der timoresische Landwirtschaftsminister Sabino. Kritiker würden "falsche Propaganda" verbreiten, erklärte er. (Man möchte fragen: Im Unterschied zur "richtigen" Propaganda der Regierung?). Tatsächlich berichtet die Website La'o Hamutuk [3] jedoch, daß immerhin bereits die Distrikte Covalima, Manatuto, Viqueque und Lautem für das Projekt ausgesucht wurden.

Nun handelt es sich bei einem Memorandum of Understanding noch um keine konkrete, rechtsverbindliche Abmachung. Ein Rücktritt von der Vereinbarung wäre möglich, allerdings hat die Regierung Osttimors in dem Dokument sehr wohl ihre Absichten formuliert und bereits durch Zahlen und andere Angaben zu erkennen gegeben. Der Raubbau wäre, sollte das Projekt in vollem Umfang verwirklicht werden, verheerend und dürfte die große Armut unter den Timoresen noch vertiefen. Über die Motive der Regierung Osttimors, sich auf solch eine unvorteilhafte Vereinbarung mit dem Agrospritunternehmen einzulassen, kann nur spekuliert werden - für die Bevölkerung jedenfalls werden die Nachteile die möglichen positiven Effekte bei weitem überwiegen. Man kann den Menschen in Osttimor nur wünschen, daß das Memorandum of Understanding niemals umgesetzt wird.


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Anmerkungen:

[1] http://www.laohamutuk.org/Agri/MOU-GTLESTE.pdf

[3] http://www.laohamutuk.org/Agri/08Agrofuels.htm

[2] Klaus Pedersen: "Naturschutz und Profit. Menschen zwischen Vertreibung und Naturzerstörung", Münster, Mai 2008.

[3] http://www.laohamutuk.org/Agri/08Agrofuels.htm

25. Juni 2008