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RESSOURCEN/100: Wassernotstand in Chinas Hebei-Provinz (SB)


Wasservampirismus

Großregion Peking lebt vom Wasser des Umlands


Metropolitane Großregionen wie Peking-Tianjin mit zusammen mindestens 28 Millionen Einwohnern benötigen ungeheure Mengen an Wasser. Die natürlichen Oberflächengewässer und das örtliche Grundwasser geben nicht mehr her, was täglich in Industrie, Landwirtschaft und Haushalten verbraucht wird. Dessen gewahr hat die chinesische Regierung begonnen, lange Kanäle zu bauen, die vom wasserreichen Süden in den Norden führen. In einem der Projekte wird voraussichtlich vom kommenden Jahr an Wasser aus dem Jangtse-Strom im Süden nach Peking geleitet; in der Endstufe werden es bis zu eine Milliarde Kubikmeter sein. Bis dahin bedient sich Peking am Wasser aus der Nachbarprovinz Hebei. Die ist natürlicherseits ebenfalls nicht sonderlich üppig mit Wasser beschenkt, jedenfalls genügt es nicht, um einerseits die Metropole mit dem "blauen Gold" zu beliefern und andererseits keine Einbußen bei der über die Provinzgrenzen hinaus wichtigen landwirtschaftlichen Produktion zu erleiden.

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, daß Hebei dieser Spagat nicht gelingt. Wie AFP aus Anlaß des Weltwassertags am Sonntag unter Berufung auf staatliche Medien berichtete, leidet auch Hebei inzwischen unter einem gravierenden Wassermangel. Die Prognose der kanadischen Organisation Probe International, die regelmäßig Entwicklungsanalysen veröffentlicht, und chinesischer Experten vom Sommer vergangenen Jahres könnte sich bewahrheiten: In fünf bis zehn Jahren geht Peking das Wasser aus, was die Umsiedlung großer Bevölkerungsteile in den folgenden Jahrzehnten erforderlich machen dürfte - da nutzt es auch nichts, wenn das Wasser bereits aus über einem Kilometer Tiefe hinaufgepumpt wird.

Der Wassermangel in der chinesischen Provinz Hebei ist nicht allein Peking anzulasten, auch die klimatischen Verhältnisse haben sich verändert. Seit 1999 verzeichnet Hebei in irgendeiner seiner Regionen Dürre. Allerdings ist zu bedenken: Wenn der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist, dann könnte sogar die vermeintlich natürlich entstandene Dürre in Hebei als Folge der anthropogenen Erderwärmung gedeutet werden.

Der Direktor der Wasserkonservierungsbehörde Hebeis, Li Qinglin, berichtete laut Xinhua, daß die Wassermenge in der Provinz in den letzten Jahren um fast 50 Prozent geschrumpft ist. Hebei verbrauche jährlich rund 21 Milliarden Kubikmeter Wasser. Davon stammten jedoch nur 17 Milliarden Kubikmeter aus Oberflächengewässern, der Rest sei Grundwasser.

Im September vergangenen Jahres hatte Peking begonnen, im Rahmen eines auf zunächst sechs Monate veranschlagten Notfallplans Wasser aus der Provinz Hebei abzupumpen. Auf Anordnung der Regierung sollten rund 300 Millionen Kubikmeter über einen neuen, 305 Kilometer langen Kanal, der Bestandteil des neuen Nord-Süd-Wasserumverteilungsprojekt ist, von der Provinzhauptstadt Shijiazhuang in die Hauptstadt Peking fließen. Im Jahr 2005 lag der Wasserverbrauchs Pekings bei 9,4 Millionen Kubikmetern, was bedeutet, daß das Wasser aus Hebei nur rund einen Monat gereicht hat.

Nicht nur für Peking gilt: Ohne ihr Umland sind Städte gar nicht existenzfähig (umgekehrt hingegen schon). Sie sind zwingend darauf angewiesen, daß sie ständig mit Nahrung, Energieträgern wie Holz oder Öl und anderen Rohstoffen beliefert werden. Im Falle Pekings wird sogar das Wasser herangeschafft.

Städte wie das antike Athen, deren Bewohner offenbar genügend Muße besaßen, die denkgeschichtlichen Grundlagen des Abendlands zu ersinnen, waren Sklavengesellschaften. Städte waren schon immer Herrschaftsprodukte der raubgestützten Vergesellschaftung des Menschen. Die in der Science-fiction beschriebene Vorstellung, daß Städte eines Tages unter riesigen Kuppeln existieren, so daß die knappe Atemluft nicht entweichen kann, während das Umland durch und durch lebensfeindlich ist, mögen technisch vielleicht niemals zu verwirklichen sein, sie ist jedoch ein treffendes Symbol für das Raubverhältnis von Stadt zu Land. Heute leben mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Das bedeutet aber nicht, daß alle Städter gleichermaßen an der Nabelschnur hängen. Peking hat, wie eigentlich alle anderen Metropolen, große Slums, in denen die Menschen so arm sind wie auf dem Land.

23. März 2009