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RESSOURCEN/114: Indien - Zweifel an "Wunderpflanze" Jatropha (SB)


Jatropha in Indien anscheinend weniger ertragreich als angenommen

Verdrängung von anderen Nutzpflanzen


Die indische Umweltorganisation ATREE (Ashoka Trust for Research in Ecology and Environment) übt Kritik am Anbau der "Wunderpflanze" Jatropha curcas (Purgiernuß), aus deren ölhaltigen Samen Treibstoff gewonnen werden kann. Da die Jatrophapflanze mit relativ wenig Wasser auskommt, auf mageren Böden gedeiht und die Samen ungenießbar sind, trägt sie den Ruf einer idealen Pflanze für die Herstellung von Biosprit, da angeblich keine Konkurrenz zum Anbau von Nahrungspflanzen besteht.

Das behauptet auch die indische Regierung, die ein umfangreiches Programm zum Anbau der Pflanze aufgelegt hat. Bis 2017 soll Biosprit, der wiederum vermehrt aus Jatropha gewonnen wird, einen Anteil von 20 Prozent des landesweit verbrauchten Treibstoffs einnehmen, fordert der im Jahr 2008 vom indischen Kabinett beschlossene Nationale Biospritplan. [1] Um dieses Ziel zu erreichen, soll Jatropha im kommenden Jahr auf elf Millionen Hektar angebaut werden, aber nicht auf guter landwirtschaftlicher Fläche, auf der auch Nahrung produziert werden könnte.

Laut einem AFP-Bericht [2] hat die indische Umweltorganisation ATREE bei jüngeren Untersuchungen festgestellt, daß Jatropha auch auf gutem Ackerland gepflanzt wird, nachdem sich herausstellte, daß die veranschlagten Erträge nicht erreicht werden. Der Forscher Sharachchandra Lele monierte, daß Jatropha in einigen Bundesstaaten auf herkömmlichem Ackerland angebaut wird, so daß existierende Pflanzen, die unter anderem für die Nahrung bestimmt sind, verdrängt werden. "Wir unterstützen den Treibstoffverbrauch der urbanen Elite auf Kosten der ländlichen Bevölkerung und Nahrungsproduktion", wird Lele zitiert.

K.D. Gupta, Vorsitzender des Institute of Applied Systems and Rural Development, widersprach im selben AFP-Bericht, daß Jatropha auf guter landwirtschaftlicher Fläche angebaut werde. Das würde sich für die Bauern gar nicht lohnen, da mit anderen Feldfrüchten höhere Einnahmen als mit Jatropha erzielt werden könnten.

Ursprünglich hatten zwei indische Forschungsinstitute angegeben, daß ein Hektar Jatropha, der künstlich bewässert wird, 7,5 Tonnen Samen abwirft. Und das staatliche National Oilseeds and Vegetable Oils Development Board (NOVOD) teilte in einem Report aus dem Jahr 2007 mit, daß voraussichtlich drei bis fünf Tonnen Jatrophasamen pro Hektar erzielt werden können. ATREE hingegen kommt nach eigenen Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß Jatropha unter normalen Bedingungen weniger als eine Tonne Samen pro Hektar abwirft! Die Organisation hegt Zweifel, ob die von den Jatropha-Unterstützern angegebenen Zahlen überhaupt erzielt werden können.

Demgegenüber vertritt Subhas Patnaik, leitender Mitarbeiter von Mission Biofuels, das nach drei Jahren Aufbauarbeit in fünf indischen Bundesstaaten 130.000 Hektar mit Jatrophapflanzen bewirtschaftet, den Standpunkt, daß alles davon abhänge, wie man die Pflanze handhabe. Die Herausforderung bestehe darin, höhere Erträge zu erzielen, und wenn es gelänge, dies den Bauern und anderen zu vermitteln, dann werde es bestimmt eine Wunderpflanze.

In der Literatur werden höchst unterschiedliche Ertragszahlen für Jatropha angegeben. Der Biomotor-Hersteller Savoa bezeichnet 2500 kg Saat pro Hektar als "konservativen Wert". [3] Bei einem 30prozentigem Ölanteil käme man somit auf 700 - 800 Liter Jatrophaöl. Das Unternehmen Bayer CropScience schreibt in einem Diagramm, daß Jatropha unter optimalen Bedingungen 2268 Liter Öl pro Hektar abwirft. [4] Wohingegen die Lobby-Website Biodieseltec behauptet, die Jatrophaernte betrage acht Tonnen Samen pro Hektar [5], was erheblich höher ist als die Angaben des Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) in Berlin [6], wonach mit zwei Tonnen Jatrophaöl pro Hektar und Jahr zu rechnen sei. Nur mit Hilfe besonderer züchterischer Maßnahmen sei eine Ertragssteigerung machbar. Im Sachstandsbericht "Jatropha in Madagaskar" vom Mai 2008 von Alfons Üllenberg im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) wird eine Spanne von drei bis fünf Tonnen Samen pro Hektar genannt. [7]

Die Angaben der indischen Umweltorganisation liegen somit deutlich unterhalb der allgemein verfügbaren Daten zur Erntemenge bei Jatropha. Unter der Annahme, daß die Untersuchung sorgfältig durchgeführt wurde, kann man vermuten, daß sich Indien, in dem Jatropha natürlicherseits weit verbreitet ist, nicht sonderlich gut eignet, um die Pflanze industriell anzubauen. Das kann an den natürlichen Voraussetzungen wie auch den Bewirtschaftungsformen liegen. Jedenfalls unterstützen die geringen Erntezahlen die Beobachtung von ATREE, daß in einigen Bundesstaaten auch bessere landwirtschaftlichen Flächen für den Jatrophaanbau verwendet werden. Angesichts der weltweiten Vorreiterrolle, die Indien beim Jatrophaanbau spielt, werden die Befürworter des Nationalen Biospritplans der indischen Regierung sicherlich die Kritik nicht auf sich sitzen lassen.


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Anmerkungen:

[1] Näheres unter: RESSOURCEN/098: Indien legt hohes Agrosprit-Ziel fest (SB)

[2] "Doubts over India's 'miracle' biofuel crop", AFP, 27. Januar 2010
http://news.yahoo.com/s/afp/20100127/wl_sthasia_afp/indiaenergyenvironmentbiofuel

[3] http://www.savoa.de/index.php?option=com_content&task=view&id=80

[4] http://www.bayercropscience.com/bcsweb/cropprotection.nsf/id/DE_Editorial_Service_Ausgabe_1_-_Jatropha_Grafik_Ertrag?open&l=DE&ccm=500

[5] http://biodieseltec.de/de/biodieselproduktion/biodiesel-aus-jatropha

[6] http://fdcl-berlin.de/publikationen/fdcl-veroeffentlichungen/agroenergie-glossar/purgiernuss-jatropha-agroenergie-glossar-fdcl/

[7] http://www.jatropha.de/madagascar/GTZ-Bericht_Jatropha_V2.1.pdf

27. Januar 2010