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RESSOURCEN/125: Grundwasserverluste nehmen beschleunigt zu (SB)


Globale Grundwassermenge - eine unbekannte Größe

Niederländische Forscher erstellen Weltkarte zum Grundwasserverlust und warnen vor Hunger und sozialen Konflikten


Während die Staats- und Regierungschef diese Woche auf dem Millenniumsgipfel in New York zum wiederholten Mal versprochen haben, daß sie Armut und Hunger in der Welt halbieren und mehr für die Gesundheit der Menschen tun wollen, berichten Forscher aus den Niederlanden, daß das Grundwasser weltweit stark abnimmt und dies zu Hunger und sozialen Konflikten führen kann.

Die Geschwindigkeit des Wasserverlustes hat sich seit Beginn der neunziger Jahre noch beschleunigt. Die Weltbevölkerung verbraucht eine so große Menge an Grundwasser insbesondere zur Bewässerung in der Landwirtschaft, daß Verdunstung und Abfluß aus den bewässerten Gebieten zu 25 Prozent am Meeresspiegelanstieg beteiligt ist. Das entspricht einer jährlichen Erhöhung des Meeresspiegels von 0,8 mm. Zu diesem Ergebnis gelangte eine Forschergruppe um Marc Bierkens von der Universität Utrecht in den Niederlanden, wie die Internetseite ScienceDaily.com meldete [*]. Die Studie soll in einer der nächsten Ausgaben der "Geophysical Research Letters", einem Journal der Amerikanischen Geophysikalischen Union, veröffentlicht werden.

Bierkens warnt davor, daß der wachsende Verlust an Grundwasser eine potentielle Katastrophe für die zunehmend globalisierten landwirtschaftlichen Systeme darstellt. Wenn man die Bevölkerung wachsen lasse, indem man die bewässerten Gebiete mit Grundwasser, das nicht wieder aufgefüllt wird, ausweite, werde man ab einem bestimmten Punkt gegen die Wand rennen. Das bringe Hunger und soziale Unruhen mit sich, so Bierkens. Diese könne man schon von weitem kommen sehen.

Die Forscher haben abgeschätzt, wieviel Wasser in die Grundwasserspeicher hinzukommt und wieviel verloren geht. Die regional zugeordneten Ergebnisse wurden in eine Weltkarte eingetragen. Solche Berechnungen sind äußerst komplex und beruhen teils auf Hochrechnungen, die wiederum auf der Basis von Vermutungen angestellt werden und somit einige Unsicherheit enthalten. Als Grundstock der Simulationen dienten den Forschern Daten zu Bewässerung, Temperatur und Verdunstung aus dem Zeitraum 1958 bis 2001. Aber teilweise fehlen regionale Daten, in vielen Teilen der Welt werden keine Beobachtungen zum Verbrauch von Grundwasser oder zum Ausmaß der Bewässerungswirtschaft angestellt, so daß hier Abschätzungen herhalten müssen.

Den Berechnungen zufolge hat sich die Geschwindigkeit des Verlusts an Grundwasser zwischen 1960 und 2000 mehr als verdoppelt, und zwar von 126 Kubikkilometer auf 283 Kubikkilometer pro Jahr. Bis 1990 blieb die Geschwindigkeit der Verluste gleich, dann stieg sie rasant an. Bierkens macht dafür hauptsächlich die wirtschaftlich aufstrebenden Nationen Indien und China verantwortlich. Der höchste Grundwasserverlust wird im Nordwesten Indiens, Nordosten Chinas, Nordosten Pakistans, im kalifornischen Central Valley und im Mittleren Westen der USA verzeichnet.

Ob jemals ein weltweites Versiegen des Grundwassers einsetzt und wann der Zeitpunkt gekommen sein könnte, ist nicht bekannt, da niemand die absolute Menge an Grundwasser kennt. Zudem werden die Speicher laufend aufgefüllt. Man hat es also mit einem sehr dynamischen System, auf das viele Faktoren Einfluß ausüben, zu tun. Experten vermuten, daß ein Drittel des Süßwassers weltweit Grundwasser ist, ein Prozent Oberflächenwasser, der Rest gebunden in Gletscher und Polkappen.

Wohlhabende Regionen und Staaten haben eher die Möglichkeit, Entsalzungsanlagen zur Trinkwassergewinnung zu bauen. In dieser Hinsicht könnten sie sehr gut die ärmeren Länder darin unterstützen, ihre Wasserversorgung zu verbessern, und den landwirtschaftlichen Anbau unterstützen. Beim Millenniumsgipfel wurde jedoch eher taktiert, anstatt verbindliche Zusagen zu machen, und die ärmeren Länder wurden zur guten Regierungsführung ermahnt.

Unterdessen setzt sich der weltweite Landraub unverdrossen fort. Industrie- und Schwellenländer erwerben oder pachten vorzugsweise in Afrika und Asien wertvolle Agrarflächen, um landwirtschaftlichen Anbau zu betreiben. Das geht immer auch mit einem Verlust an Wasser für die örtliche Bevölkerung einher. Wasser ist eine Ressource, auf die der Mensch letztlich noch weniger verzichten kann, als auf Erdöl, um dessen Sicherung bereits Kriege geführt werden. In China, Indien, den USA und vielen anderen Regionen müssen die Brunnen tiefer und tiefer gebohrt werden, um ans Grundwasser zu gelangen. Was passiert, wenn an immer mehr Stellen das Wasser ausbleibt?

Anmerkungen:

[*] "Groundwater Depletion Rate Accelerating Worldwide", ScienceDaily.com, 23. September 2010
http://www.sciencedaily.com/releases/2010/09/100923142503.htm

24. September 2010