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RESSOURCEN/152: Ogallala-Aquifer übernutzt - Warnung vor Erntemangel (SB)


Dust Bowl 2.0?

US-Forscher empfehlen einen sparsameren Verbrauch von fossilem Grundwasser



Zahlreiche Ökosysteme der Erde befinden sich an der Schwelle des Zusammenbruchs. Der kündigt sich nicht immer auf den ersten Blick erkennbar an, sondern läßt sich bislang oft nur anhand von Trends erahnen. Zwar sind manche düsteren Prognosen von Studien wie "Die Grenzen des Wachstums" (1972) oder "Global 2000" (1980) nicht eingetreten, doch das bedeutet nicht, daß die Einschätzungen der Fachleute zur Tragfähigkeit der Erde ganz und gar daneben lagen. Gegenwärtig 850 Millionen hungernde und zwei Milliarden mangelernährte Menschen beweisen, daß die Überlebensvoraussetzungen der Menschheit ernsthaft in Frage gestellt sind.

Die Meere versauern, Tier- und Pflanzenarten sterben in schneller Folge aus, Böden verkarsten, die globale Durchschnittstemperatur steigt - es sind solche eher unterschwelligen Entwicklungen, die jenseits von medial begleiteten, katastrophalen Naturereignissen ablaufen, deren Schadfolgen womöglich noch gravierender sind.

So ist die Ackerfläche, die pro Kopf der Weltbevölkerung zur Verfügung steht, von 0,44 Hektar im Jahr 1960 auf knapp 0,22 Hektar im Jahr 2000 gesunken; Mitte dieses Jahrhunderts werden es nur noch etwa 0,15 Hektar pro Kopf sein. [1]

Dieser eklatante Rückgang konnte bislang durch eine Steigerung der Produktivität kompensiert werden. In den zurückliegenden Jahrzehnten wurden die Hektarerträge bei Getreidearten wie Weizen, Roggen oder Mais (nicht aber bei Reis) erheblich gesteigert. Das ist unter anderem auf die Zunahme der Bewässerung in der Landwirtschaft zurückzuführen. Dieser Möglichkeit zur Steigerung der Erträge sind jedoch in vielen Regionen Grenzen gesetzt.

Das trifft anscheinend auch auf eines der produktivsten Getreideanbaugebiete der Welt, die Great Plains in den zentralen Landesteilen der USA und ihre westliche Ausdehnung zu den niederschlagsärmeren High Plains, zu. Dort wird vor allem Rinderzucht betrieben und Weizen angebaut. Zu diesem Zweck pumpen die Farmer auch große Mengen Wasser aus einem fossilen Grundwasserspeicher ab, dem Ogallala-Aquifer. Dessen Volumen nimmt nun rapide ab, wie eine Forschergruppe aus den USA vor kurzem im Journal PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) berichtete. [2]

Demnach hat die Wassermenge des Ogallala-Aquifers bereits um 30 Prozent seit Beginn der Bewässerungswirtschaft abgenommen und wird gegen Mitte des Jahrhunderts um weitere 39 Prozent schrumpfen, sollte es nicht gelingen, den gegenwärtigen Verbrauch zu senken. Die begrenzte Verfügbarkeit von Wasser wird zwangsläufig mit einer Reduzierung der landwirtschaftlichen Erträge einhergehen.

In verschiedenen Szenarien, in denen unterschiedliche Entnahmemengen angenommen wurden, haben die Forscher das Verhältnis von Wasserverbrauch und Erntemenge über eine bestimmte Frist durchgerechnet. Würde beispielsweise dem Ogallala-Aquifer 20 Prozent weniger Wasser entnommen, verringerte das kurzfristig die Erntemenge, aber verlängerte umgekehrt die Nutzungsdauer des Grundwasserspeichers bis 2070, lautet das Ergebnis einer der Berechnungen.

Vor diesem Hintergrund plädieren die Studienautoren für einen schonenderen Umgang mit der wertvollen Ressource. Ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft müssen wir weniger Wasser verbrauchen, sagte der Professor für Bauingenieurwesen David Steward von der Staatsuniversität Kansas, der mit dieser Studie den verantwortlichen Politikern Entscheidungshilfe in Fragen des Wasserverbrauchs geben will.

Der Ogallala-Aquifer ist ein sehr weitläufiger Grundwasserkörper, der sich unter Teilen der US-Bundesstaaten South Dakota, Nebraska, Wyoming, Colorado, Kansas, Oklahoma, New Mexico und Texas erstreckt. Sein Wasser wird nicht nur für den Anbau von Weizen, sondern auch von Mais, Soja und anderen Nutzpflanzen sowie für die Viehzucht und allgemein zur Trinkwassergewinnung für mehrere Millionen Einwohner verwendet. Rund 30 Prozent der landwirtschaftlichen Bewässerungsfläche der USA wird aus dem Ogallala-Aquifer gespeist.

Bis jetzt würden die Menschen ihren Wasserverbrauch kaum einschränken, berichten die Forscher. Die Brunnen würden schlicht so lange benutzt, bis sie trocken fielen. Das gilt ihrer Einschätzung nach nicht nur für Westkansas, auf das sie den Schwerpunkt ihrer Untersuchungen gelegt haben, sondern weltweit. "Obwohl der Verbrauch von Süßwasser bis jetzt noch keine potentiell gefährliche Schwelle für den Planeten überschritten hat, beginnen bereits die Ernteerträge in vielen Regionen wegen des Wassermangels zurückzugehen, und die Nahrungssicherheit bleibt von weltweiter Sorge", heißt es in dem PNAS-Bericht. "Die Gesellschaft muß sich auf die Folgen einer Reduzierung des Grundwassers einstellen."

Grundwasserspeicher wie der Ogallala-Aquifer bestehen teils aus fossilem Wasser, das meist eine Hinterlassenschaft aus der letzten Eiszeit ist. Das bedeutet allerdings, daß sie nur sehr langsam wieder aufgefüllt werden. Vor einigen Jahren hat der Geologische Dienst der USA (USGS - United States Geological Survey) eine Abschätzung des Wasserverbrauchs und -volumens dieses Aquifers vorgenommen und nicht ganz so drastische Zahlen wie die besagte Forschergruppe veröffentlicht. Demnach enthielt der fossile Grundwasserspeicher im Jahr 2005 noch 3608 Kubikkilometer Wasser. Seit den 1950er Jahren, als er für die Bewässerungswirtschaft genutzt wurde, schrumpfte das Volumen um 312 Kubikkilometer bzw. neun Prozent, wobei regional mitunter sogar ein Anstieg des Pegels verzeichnet wird.

Dennoch zeigt der allgemeine Trend nach unten. Denn zusätzlich dazu, daß sich bislang eine Effizienzsteigerung in der Bewässerungstechnologie nicht entsprechend in einem insgesamt geringeren Verbrauch niederschlägt, da die Landwirte die mit sparsameren Methoden bewässerte Fläche ausdehnen, wird in Klimaprognosen vorausgesagt, daß die Niederschlagsmenge in den Great Plains generell abnehmen wird.

In den letzten Jahren haben viele Regionen der USA, in denen intensiv Landwirtschaft betrieben wird, schwere Dürren erlebt. Man spricht bereits von einer Jahrhundertdürre, womit ursprünglich gemeint war, daß es die schlimmste Dürre dieses Jahrhunderts wird. Nun könnte sich herausstellen, daß sich die Dürre über ein ganzes Jahrhundert erstreckt und genau das eintritt, was Klimaforscher prognostiziert haben: Die Klimazonen der Erde verschieben sich, die globale Nahrungsproduktion bricht drastisch ein.

Die aktuelle, mehrjährige Dürre hat noch nicht das Ausmaß der Dust Bowl der 1930er Jahre erreicht, aber sie ist auch noch nicht vorbei, warnen Experten. Der Unterschied zwischen diesem und letztem Jahr besteht darin, daß die Böden zu Beginn 2012 noch Feuchtigkeit besaßen, berichtete der Klimaforscher Brian Fuchs vom National Drought Mitigation Center in Lincoln, Nebraska. Die Dürre habe 2010 in Texas, New Mexico und Oklahoma eingesetzt. Nach nun mehreren Jahren Trockenheit erleidet nicht nur die Vegetation Schäden, sondern die gesamte Wasserversorgung wird problematisch. Zudem hat sich die Dürre auf weitere Bundesstaaten ausgedehnt. [3]

Bislang haben die landwirtschaftlichen Erträge mit dem globalen Bevölkerungswachstum Schritt gehalten. Das bedeutet jedoch nicht, daß alle Menschen ausreichend zu essen haben, sondern es ist damit gemeint, daß sich der prozentuale Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung wenig verändert hat. Noch schlagen sich die häufigeren Dürren und sinkenden Grundwasserstände in keiner generellen Verringerung der landwirtschaftlichen Produktion der USA nieder. Aber in den verschiedenen Regionen und Ökosystemen sind unterschwellige Entwicklungen zugange, die es in Zukunft immer schwerer machen, das Produktionsniveau aufrechtzuerhalten. Nicht zufällig gehört das Millenniumsziel, bis 2015 die Zahl der Hungernden gegenüber dem Basisjahr 1990 weltweit zu halbieren, zu den am weitesten verfehlten Vorhaben der internationalen Staatengemeinschaft.


Fußnoten:

[1] http://www.berlin-institut.org/online-handbuchdemografie/umwelt/land.html

[2] http://www.pnas.org/content/early/2013/08/14/1220351110.full.pdf

[3] http://www.agweb.com/article/worsening_drought_revives_talk_of_climate_change/

5. September 2013