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RESSOURCEN/163: Energiekämpfe in Kanada - Umstrittenes Pipeline-Netzwerk für Treibstoff aus Teersanden (SB)


Trans Mountain Pipeline, British-Columbia

Dutzende Gegner der Erweiterung des Projekts vorübergehend festgenommen



In Kanada eskalieren die Energiekämpfe. In den letzten Wochen hat die Polizei Dutzende von Protestierenden festgenommen, darunter ein elfjähriges Mädchen, die den Bau einer Erdölpipeline des texanischen Unternehmens Kinder Morgan mitten durch den Burnaby Mountain verhindern wollen. [1] Dieser Streckenabschnitt ist Teil eines größeren Netzwerks aus bereits bestehenden und noch zu errichtenden Pipelines, mit denen Erdöl aus kanadischen Teersanden und Erdgas, das mittels der ökologisch umstrittenen Methode des Frackings gewonnen wird, befördert, verarbeitet und exportiert werden soll.

Zur gesamten Infrastruktur der Ölindustrie in Kanada muß auch der Ausbau der höchst umstrittenen Erdölpipeline Keystone XL quer durch die USA zum Transport von kanadischem Öl aus Teersanden sowie der Bau eines umstrittenen Öl-Verladeterminals an der kanadischen Westküste in der Provinz British-Columbia gezählt werden. [2] Mit dem Bau der "Trans Mountain Pipeline" würde Kinder Morgan seine Förderkapazität in Kanada verdreifachen.

Die Regierung in Ottawa setzt sich rigoros über sämtliche Bedenken von Umweltschützern und kommunalen Verwaltungseinrichtungen sowie die vom Verfassungsgericht bestätigten Eigentumsrechte der Native Americans an ihren Stammesgebieten hinweg und läßt die Sicherheitsorgane teils recht grob gegen die Protestierenden vorgehen. Ermöglicht wird dies unter anderem durch ein vor gut zwei Jahren gegen massive Bedenken im Parlament durchgeboxtes Haushaltsgesetz mit der Bezeichnung "Bill C-38" (oder auch "Jobs, Growth and Long-term Prosperity Act", also "Gesetz für Arbeitsplätze, Wachstum und langfristigen Wohlstand"), durch das die Durchführung von Umweltgutachten für neue Bauvorhaben, die Relevanz von ökologischen Bedenken und die Beteiligung der Öffentlichkeit im Genehmigungsverfahren stark verringert werden.

Durch diesen rechtlichen Kniff wurden Hunderte von Bürgerinnen und Bürger, die unmittelbar von dem Projekt betroffen sind, ihres bis dahin geltenden Rechts beraubt, Einspruch beim Nationalen Energieausschuß (National Energy Board) gegen den Ausbau der Trans Mountain Pipeline zu erheben. Diese Bundesbehörde hat die Aufsicht über das umstrittene Pipeline-Projekt, das quer durch den Burnaby Mountain führt. Über die letzten Monate hinweg waren über 100 Personen festgenommen worden, weil sie sich nicht an das gerichtliche Gebot gehalten hatten, die Straße zu räumen, damit das Unternehmen Kinder Morgan Bohrarbeiten und Untersuchungen über die geologische Beschaffenheit auf der vorgesehenen Pipelinestrecke vornehmen kann. Bereits im September war ein Protestlager errichtet worden, um den Arbeitsgruppen Kinder Morgans den Zugang zu dem Gelände zu verwehren. [3]

Die Stadt Burnaby hatte Klage eingereicht, um das Unternehmen daran zu hindern, für die von ihm geplanten zwei Probebohrungen Bäume zu fällen und weitere Zerstörungen an der Natur anzurichten. Das National Energy Board entschied jedoch, daß das Unternehmen keine Genehmigung der Stadt für die Probebohrungen benötige und loslegen dürfe. Gegen diesen Entscheid hat wiederum die Stadt Berufung eingelegt; das Verfahren ist noch anhängig.

Die Gegner der Trans Mountain Pipeline befürchten, daß sich das Risiko einer womöglich verheerenden Umweltkatastrophe entweder auf der Strecke an Land oder als Folge einer Havarie durch den zu erwartenden Zuwachs des Tankerverkehrs im Hafen von Vancouver deutlich erhöht. Darüber hinaus halten es die Gegner der Pipeline für keine gute Idee, angesichts der globalen Erwärmung den Teersandabbau unverdrossen fortzusetzen oder sogar noch auszubauen, zumal wenn man dabei den hohen Energieeinsatz und die damit einhergehenden Mengen an Treibhausgasemissionen bedenkt.

Solche Einwände sind offenbar rechtlich nicht von Belang, schon gar nicht nach der Verabschiedung des "Bills C-38". Von den Anhörungen ausgeschlossen wurde, abgesehen von Anwohnern, die vom Pipelinebau unmittelbar betroffen sind, auch eine Gruppe von 27 Klimaexperten, weil sie Einwände gegen das Projekt wegen der Klimaziele Kanadas erhoben hatten. Das Land hatte zugesagt, seine Treibhausgasemissionen bis 2020 um 17 Prozent unter den Wert von 2005 zu senken. Die Trans Mountain Pipeline würde aber jährlich den Emissionen von 27 Mio. Tonnen CO2 bzw. 50 Prozent mehr Treibhausgasemissionen, als gegenwärtig in der Provinz British-Columbia produziert werden, den Weg bereiten.

Die Fragen, die Kinder Morgan zu seinem Pipelineprojekt schriftlich vorgelegt werden durften, nachdem die mündlichen Anhörungen zusammengestrichen worden waren, wurden von dem Unternehmen vielfach nur sehr dürftig oder gar nicht beantwortet. [4] Durch solche und weitere Beschränkungen der Umweltverträglichkeitsprüfung und Bürgerbeteiligung wurde das ganze Genehmigungsverfahren zur Farce. Deshalb hat die Tsleil-Waututh Nation, auf deren Territorium die Tankereinrichtungen Burrard Inlet und Kinder Morgan liegen, gegen das Projekt wegen unterlassener Konsultationen geklagt.

Abgesehen von der "normalen" Umweltverschmutzung aufgrund des regulären Abbaus von Teersanden, kommt es im wasserreichen Kanada immer wieder zu Unfällen, bei denen auch Öl austritt. Wenn jetzt auch noch Ölterminals in Vancouver und der weiter nördlich gelegenen Hafenstadt Kitimat, wo die Northern Gateway Pipeline endet, gebaut bzw. erweitert werden, erhöht sich die Gefahr einer Totalverseuchung der Küstengewässer British-Columbias; ähnlich wie 1989 weiter nördlich in Alaska ein 2000 Kilometer langer Küstenstreifen durch das Erdöl des havarierten Öltankers Exxon Valdez verschmutzt wurde.

Noch bleiben die vielfältigen Proteste der kanadischen Bevölkerung gegen die Regierungspläne friedlich. Man will der anderen Seite anscheinend keinen Vorwand für ein härteres Vorgehen liefern. In Anbetracht der Politik des "Durchregierens" des konservativen Premierministers Stephen Harper wäre es jedoch nicht verwunderlich, sollten auch die Proteste gegen die Pipelineprojekte an Härte und Rücksichtslosigkeit zunehmen.

Deutschland und die Europäische Union sind insofern an der Entwicklung beteiligt, als daß ein Großteil des kanadischen Erdöls, das an die Ostküste des Landes transportiert wird, für den hiesigen Verbrauch bestimmt ist. Deutschland sei eine der treibenden Kräfte in der EU, von daher könnte ein verstärktes Problembewußtsein von hier aus eher Einfluß auf die internationale Ebene nehmen. Kanada solle nicht glauben, daß es einfach damit durchkommt, ohne daß seine Machenschaften von anderen bemerkt werden, erklärte die Umweltaktivistin Kim Croswell aus British-Columbia im Sommer dieses Jahres bei ihrem Berlinbesuch. [5] Ein Standpunkt, der um so berechtigter erscheint angesichts des geplanten, schon weit fortgeschrittenen Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada, CETA genannt, das sich womöglich als Türöffner für nordamerikanische Öl- und Gaskonzerne erweisen wird, die in der Europäischen Union das umstrittene Fracking betreiben wollen. Die Energiekämpfe in Kanada sind die gleichen, wie sie hierzulande geführt werden.


Fußnoten:

[1] http://www.huffingtonpost.ca/2014/11/23/kinder-morgan-arrests_n_6208286.html

[2] Eine Übersichtskarte zum Netzwerk an Pipelines in Kanada finden Sie in dem SB-Beitrag
BERICHT/084: Alte Wunden, neues Blut - Ureinwohnerfront Kanada (SB)
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0084.html

[3] http://www.desmog.ca/2014/11/27/pipelines-and-erosion-national-energy-board-s-credibility

[4] http://www.desmog.ca/2014/07/09/fish-are-fine-kinder-morgan-says

[5] INTERVIEW/123: Alte Wunden, neues Blut - Vergeßt die Verträge ... Kim Croswell im Gespräch (SB)
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0123.html

3. Dezember 2014