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RESSOURCEN/165: Expedition "Vema-TRANSIT" - überraschend Manganknollen entdeckt (SB)


Expedition mit dem Forschungsschiff SONNE in den Atlantik

Weitere Vorbedingung für potentiellen Tiefseebergbau in ökologisch völlig unerforschter Meeresregion erfüllt



Auf der aktuellen Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE im Atlantik wurden überraschenderweise Manganknollen entdeckt. Der wissenschaftliche Leiter, Prof. Dr. Colin Devey vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, und sein Team haben bei ihrer eigentlichen Suche nach Lebensformen in der Tiefsee einen ganzen Sack voll dieser rohstoffreichen Knollen an Bord gehievt. [1] Weitere Untersuchungen, die nicht für diese Reise vorgesehen sind, werden zeigen, ob es ein Einzelfund bleibt oder ob sich hier ein größeres Feld mit Manganknollen erstreckt.

Über die Möglichkeit einer solchen Entdeckung hatte der Schattenblick schon im Dezember 2014, als die SONNE Kurs auf ihr Expeditionsziel, die Vema-Fracture-Zone (VFZ) im tropischen Atlantik, angelegt hatte, spekuliert und einige der Forschungsvorhaben kritisch beleuchtet. [2] Obgleich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord vorwiegend Erkenntnisse über die Lebewesen am und im Tiefseeboden gewinnen wollen, wird bei dieser Reise auch der Meeresboden kartiert, was eine der Voraussetzungen für einen potentiellen Rohstoffabbau ist. So überraschend der aktuelle Manganknollenfund erscheinen mag, ist diese Forschungsreise doch unter anderem auch darauf angelegt, geologische Entdeckungen zu machen.

Die Manganknollen sind schwarz und haben einen Durchmesser von bis zu 15 Zentimeter. Da die Objekte nur ein bis fünf Millimeter pro Million Jahren wachsen, weisen sie ein Alter von schätzungsweise 75 Mio. Jahren auf, so Prof. Devey im Interview mit dem Deutschlandfunk. Neben Mangan und Eisen enthalten die Knollen auch Nickel, Kobalt und Kupfer. "Die sind interessant für Tiefseebergbau, sollte das jemals zustandekommen", so der Geologe. Sie zu fördern wäre "eine sehr große technische Herausforderung". [3]

Ein erhebliches Umweltrisiko durch den Meeresbodenbergbau entsteht nicht zuletzt aufgrund der Sedimentwolken, die sich beim Durchkämmen des Bodens nach Manganknollen bilden, lange Zeit im Wasser halten oder von Meeresströmungen davongetragen werden und Einfluß auf die Tierwelt in teilweise großer Entfernung vom eigentlichen Abbaugebiet ausüben. [4] Hierzu liegen bislang nur Forschungsergebnisse aufgrund von zeitlich und räumlich sehr eingeschränkten Untersuchungen vor. Was bei einer dauerhaften industriellen Verwertung von Manganknollen an ökologischen Folgen auftritt, ist unerforscht. Vielleicht wird man eines Tages feststellen, daß die Ausdehnung des Ölteppichs in der Karibik nach der Havarie der Plattform Deepwater Horizon vor rund fünf Jahren einen geeigneten Eindruck für die Folgen liefert, die eine dauerhaft von Räumgeräten befeuerte Sedimentverfrachtung auslöst.

Durch den aktuellen Überraschungsfund dringen weitere Fragen an die Oberfläche. Im Atlantik wurden bislang, verglichen mit dem Pazifik, nur wenige Manganknollen entdeckt. Sollte sich nun herausstellen, daß diese, die Begehrlichkeiten der rohstoffverarbeitenden Industrie weckenden Objekte weiter verbreitet sind als angenommen, käme das im ökonomischen Sinn einem wachsenden Angebot gleich - vorausgesetzt natürlich, daß sich Tiefseebergbau eines Tages überhaupt rentiert.

Der Fund von Manganknollen in der sogenannten Area, dem Meeresgebiet, das keiner nationalen Souveränität unterliegt, sondern von den Unterzeichnerstaaten des Internationalen Seerechtsübereinkommens (UNCLOS) der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) zuerkannt wurde, ist schlecht für die Cook-Inseln und andere Staaten, die hoffen, Investoren für den Tiefseebergbau innerhalb ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszone zu gewinnen. Schon in der heutigen Zeit, in der ein Abbau von Manganknollen lediglich angedacht wird, besteht zwischen den potentiellen Exportnationen eine Konkurrenzsituation. Die wird sich verschärfen, sollte das Angebot die Nachfrage übersteigen. Damit wäre zu rechnen, denn die Menge an Unternehmen, die über das technische Wissen und das notwendige Kapital für Tiefseebergbau verfügen, ist überschaubar. Sie können sich ihre Kunden aussuchen.

Wo eine Bergbaufirma ihre Technik einsetzen wird, hängt somit sehr von den betriebswirtschaftlichen Bedingungen ab, unter denen die Manganknollen gefördert werden sollen. Also könnten sich die unter Konkurrenzdruck stehenden Staaten genötigt sehen, die Produktionsbedingungen für die Unternehmen günstiger zu gestalten, was darauf hinauslaufen könnte, daß a) der staatliche Anteil an den Einnahmen gesenkt wird oder b) die Abbaubedingungen kostengünstiger gestaltet werden, was darauf hinauslaufen könnten, daß Abbauhemmnisse wie zum Beispiel aus Unternehmersicht "lästige" Umweltauflagen gestrichen werden.

Immer unter der Annahme, daß der Fund im Atlantik keine Ausnahmeerscheinung bleibt und es sich irgendwann lohnt, den Meeresboden nach Manganknollen abzugrasen, wächst mit dieser Entdeckung nicht nur das unmittelbare Risiko ökologischer Zerstörungen, sondern es muß auch mit nicht weniger schwerwiegenden Sekundärfolgen, die bereits vom Bergbau an Land und dem gegenseitigen Unterbieten der Minenbesitzer durch immer günstigere Angebote her bekannt sind, gerechnet werden.

Ob in Form des traditionellen Extraktivismus oder als "grün" angehauchte Variante, ohne eine Abkehr von den gegenwärtig vorherrschenden Produktionsweisen, die einen steten Strom zu verwertender Rohstoffe notwendig machen, wird ein weltweit zunehmender Meeresbodenbergbau voraussichtlich unauslotbare ökologische Verheerungen anrichten.


Fußnoten:

[1] http://schattenblick.com/infopool/natur/geowis/ngme0244.html

[2] RESSOURCEN/164: Expedition "Vema-TRANSIT" - Begleitforschung für zukünftigen Tiefseebergbau? (SB)
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/redakt/umre-164.html

[3] http://www.deutschlandfunk.de/polarforschung-manganknollen-statt-tiefseetiere.676.de.html?dram:article_id=308813

[4] Anläßlich des Workshops "Seafloor Mineral Resources: scientific, environmental, and societal issues" (Mineralische Ressourcen des Meeresbodens: wissenschaftliche, umweltbezogene und gesellschaftliche Fragen), der vom 18. bis 20. März 2013 von dem Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft" zusammen mit dem GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel ausgerichtet wurde, hat der Schattenblick im Pool UMWELT → REPORT unter dem kategorischen Titel "Rohstoff maritim" eine Reihe von Berichten und Interviews mit Expertinnen und Experten veröffentlicht.

16. Januar 2015


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