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RESSOURCEN/198: Nadelsticherfolg der Lakota-Sioux gegen Erdölpipeline (SB)


Umweltprüfung ungenügend - Genehmigung der Dakota Access Pipeline war voreilig


"Die Gerichte waren nie auf unserer Seite, deshalb setze ich nicht auf sie", erklärte der "Wasserschützer" Nataanii Means, der bis über den Tag der Räumung eines Protestlagers gegen den Bau der Dakota Access Pipeline (DAPL) hinaus vor Ort geblieben und verhaftet worden war. Der Sohn des ehemaligen Indianeraktivisten und Anführers der Lakota, Russell Means, war im Rahmen einer Rundreise durch Europa gemeinsam mit Rachel Heaton, Waste' Win Young und Raphael Gonzales am 3./4. Juni auch nach Deutschland gekommen, wo er zunächst an einer Abendveranstaltung in Köln und am nächsten Tag einer Führung durch den Restwald des Hambacher Forsts, der dem Braunkohleabbau geopfert wird, teilnahm. [1]


Means und Gonzales, jeweils mit einem Mikro ausgestattet, und eine Gruppe von knapp zwei Dutzend Waldbesucherinnen und -besuchern, die sich im Halbkreis um die Musiker aufgestellt haben, recken die Fäuste - Filmstill: © Isus Chang Youtube-Kanal

Nataanii Means (links, mit dem Rücken zur Kamera) und Raphael Gonzales (rechts) bei einer Hip-Hop-Performance am 5. Juni 2017 im Hambacher Forst Filmstill: © Isus Chang Youtube-Kanal

Zehn Tage später wurde Means Einschätzung der Gerichte scheinbar widerlegt. Am 14. Juni hat ein Bundesrichter in Washington geurteilt, daß das U.S. Army Corps of Engineers bei der Umweltverträglichkeitsprüfung für den Bau der Pipeline des Unternehmens Energy Transfer Partners bestimmte Auswirkungen wie zum Beispiel eine mögliche Ölleckage auf die Fisch- und Jagdrechte der Menschen in der Standing Rock Reservation nicht bedacht hat. [2]

Im vergangenen Jahr waren mehrere tausend Menschen Dutzender Stämme der ursprünglichen Bevölkerung des nordamerikanischen Kontinents sowie deren Unterstützerinnen und Unterstützer nach North-Dakota geströmt und hatten dort in Form eines riesigen Lagers sowie mit verschiedenen Aktionen des zivilen Ungehorsam gegen die Erdölpipeline protestiert. Diese verläuft entlang der Nordgrenze der Standing Rock Reservation und damit durch ein heiliges Gebiet, in dem die Ahnen der Lakota bestattet sind. Außerdem unterquert die Pipeline den Oahesee, der durch die Stauung des Missouri entstand und die wichtigste Trinkwasserquelle des Reservats darstellt. Eine Leckage der Erdölleitung beträfe letztlich sogar die Trinkwasserversorgung von 18 Millionen Menschen.

Kreuz und quer durch die USA verlaufen mehrere Millionen Kilometer Pipelines, durch die Erdöl oder Erdgas transportiert werden. In der Vergangenheit wurden kaum Proteste dagegen laut, doch seit einigen Jahren finden Bezeichnungen wie "Keystone XL" und "DAPL" sogar in die internationale Berichterstattung Eingang, nachdem sich immer mehr Menschen dem Widerstand gegen die fossile Energiewirtschaft angeschlossen haben.

"Der Sioux-Stamm von Standing Rock hat heute im Kampf für den Schutz seines Trinkwassers und das Land seiner Ahnen vor der Dakota Access Pipeline einen bedeutenden Sieg errungen", schreibt Earth Justice über das Urteil. [3]

"Das ist ein großer Sieg für den Stamm und wir raten dem Gericht, weiterhin das Gesetz zu achten und sich richtig zu entscheiden", zitiert wiederum die Website Deep Green Resistance den Vorsitzenden der Standing Rock Sioux, Dave Archambault II. [4]

Auch Jan Hasselman, führender Anwalt des Klägers und Mitarbeiter von Earth Justice, spricht von einem "bedeutenden Sieg und der Rechtfertigung der Meinung des Stamms". [5]

Durch dieses Urteil könnte die Dakota Access Pipeline stillgelegt werden; eine Entscheidung darüber sei noch nicht gefallen, berichten die Medien. Theoretisch könnte am Ende des Verfahrens die gerichtliche Verfügung der Schließung der Pipeline stehen, doch wirken die Auflagen, die der Bezirksrichter James Boasberg in seinem 91 Seiten umfassenden Urteil [6] dem Army Corps of Engineers auferlegt hat, nicht unüberwindlich hoch. Es muß eine Neubewertung der möglichen Umweltfolgen mit Blick auf die Auswirkungen einer Ölleckage auf die Fisch- und Jagdrechte sowie das Umweltrecht vornehmen.

Das Army Corps of Engineers, das nicht nur für den Bau militärischer Einrichtungen eingesetzt wird, sondern auch beispielsweise für den von Staudämmen, und für den Missouri zuständig ist, hatte es vor der Genehmigung der DAPL versäumt, ausreichend zu prüfen, ob durch eine Ölverseuchung fast der gesamte Fisch im Missouri verenden und die Bekämpfung einer Erdölkontamination mit Chemikalien zu einer Vergiftung der örtlichen Wildtiere führen würde. Da die US-Regierung den Standing Rock Sioux vertraglich Fisch- und Jagdrechte zugesprochen hat und viele von ihnen vom Jagen und Fischen leben, wäre eine Ölverseuchung eine gravierende Schädigung.

Laut Bundesrecht muß in den USA jedes größere Bauvorhaben in der Nähe einer ärmeren Gemeinde, einer Gemeinde von Farbigen oder eines Reservats der Native Americans in Hinblick auf die Umweltgerechtigkeit geprüft werden. Das kam in diesem Fall zu kurz und wurde vom Richter moniert. Aber: Ein Abschalten der 1800 Kilometer langen, 3,8 Mrd. Dollar teuren Pipeline, durch die seit dem 1. Juni Erdöl aus der geologischen Bakken-Formation im Norden North Dakotas zu einer Raffinerie nach Illinois geleitet wird, hat er nicht angeordnet. Er hat auch nichts darüber gesagt, daß das Öl mittels der umstrittenen, da umweltschädigenden Methode des Frackings gewonnen wird oder daß sich das globale Klima wandelt, weil die Menschen nicht aufhören wollen, fossile Energieträger zu verbrennen und Treibhausgase in die Atmosphäre zu emittieren.

Ebenfalls hat der Richter nicht darüber befunden, daß ein ursprünglicher Entwurf vorsah, die Pipeline etwas weiter nördlich in der Nähe der Stadt Bismarck zu verlegen. Ob es Proteste der vorwiegend von Weißen bewohnten Stadt gegen die Route, die höheren Kosten oder die Zunahme von Umweltgefahren waren, die zu der Entscheidung führten, die DAPL statt dessen bei der Standing Rock Reservation zu verlegen, ist nicht bekannt. Von Umweltrassismus sprechen Nataanii Means und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen, für die der Kampf gegen die Pipeline wie auch generell gegen die Klimaschutzpolitik nicht damit endet, daß die Pipeline inzwischen Bakken-Öl befördert, und sicherlich auch nicht mit einem Richterspruch enden wird, wie auch immer dessen Entscheidung ausfällt.

Der Erfolg der Standing-Rock-Sioux gegen die DAPL im bereits dritten Anlauf vor Gericht ist kaum mehr als ein Nadelstich gegen die fossile Energiewirtschaft, die nach der Talfahrt des Weltmarktpreises für Erdöl allmählich wieder Profite einfährt.


Fußnoten:

[1] Siehe dazu: RESSOURCEN/197: Pipeline-Protest - "Stand with Standing Rock" zu Besuch in Köln (SB)
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umre-197.html

[2] http://earthjustice.org/sites/default/files/files/DAPL-order.pdf

[3] http://earthjustice.org/news/press/2017/in-victory-for-standing-rock-sioux-tribe-court-finds-that-approval-of-dakota-access-pipeline-violated-the-law

[4] https://dgrnewsservice.org/resistance/indirect/lobbying/dapl-approval-illegal-judge-finds/

[5] http://earthfirstjournal.org/newswire/2017/06/15/the-standing-rock-sioux-claim-victory-and-vindication-in-court/

[6] http://earthjustice.org/sites/default/files/files/DAPL-order.pdf

16. Juni 2017


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