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RESSOURCEN/203: 1000 Kilometer Erdöl-Pipeline - Kanada bleibt stur (SB)


Trotz Protesten - Das Projekt Kinder Morgan Trans Mountain Pipeline wird durchgezogen


Als stünden die Zeichen weltweit nicht längst auf Sturm hält die kanadische Regierung am folgenschweren Extraktivismus fest. Stets im Schatten der Negativschlagzeilen, die die USA in Sachen Klimaschutz auf sich ziehen, aber nicht weniger der fossilen Energiewirtschaft verbunden als der große Bruder, werden in Kanada ganze Landschaften abgetragen und sprichwörtlich ausgekocht, um klebriges Bitumen von den Sandkörnern zu lösen und daraus Treibstoff zu gewinnen. Wo keine Teersande vorliegen, aber in den feinsten Poren zerklüfteten Gesteins tiefer geologischer Schichten Erdgas eingelagert ist, wird die Fördermethode des Frackings eingesetzt. Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und verschiedenen Chemikalien mit hohem Druck in den Untergrund gepreßt und das Gestein aufgesprengt. Anschließend wird das Produktionswasser abgepumpt und das zu fördernde Gas eingefangen und abgeschieden.


Große, im Wald aufgespannte Protestleinwand mit der Aufschrift 'System Change not Climate Change' - Foto: Mark Klotz / Flickr, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/]

Ob Baumbesetzung im Hambacher Forst gegen den Braunkohletagebau oder Protestlager in Kanada gegen den Pipelinebau: Entschiedene Absage an das auf Raub gegründete Wirtschaftssystem.
Protestlager im Burnaby Mountain Park, British Columbia, 20. November 2014
Foto: Mark Klotz / Flickr, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/]

Damit Erdöl und Erdgas auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen, errichtet das Land eine weitverzweigte Infrastruktur mit Pumpstationen, Pipelines, Eisenbahnen, Raffinerien und Verladestationen am Meer, von wo aus die Tankerflotten gefüllt werden. Notfalls werden Projekte mit Hilfe staatlicher Gewaltorgane gegen die Interessen von Teilen der Bevölkerung durchgeboxt. Was in den USA die Erdölpipeline Keystone XL, ist in Kanada das Kinder Morgan Trans Mountain Pipelinesystem. Seit Jahren versuchen unter anderem indigene Stämme der First Nations zu verhindern, daß die Regierung das milliardenschwere Projekt genehmigt. Vergebens.

"Es steht den Indigenen frei, gegen das Projekt zu sein, aber die Entscheidung ist gefallen", sagte die Ministerin für indigene Angelegenheiten Jane Philpott laut CBC News (7.9.2017). "Wir wissen, daß es verschiedene Ansichten hierzu gibt, aber das ist etwas, an dem wir schon hart gearbeitet haben, wobei wir das Prinzip der Zustimmung und die Rechte der First Nations anerkennen", so Philpott gegenüber der Presse bei einem Treffen der regierenden Partei der Liberalen in Kelowna, British Columbia.

Zu den zahlreichen Gegnern des Pipeline-Projekts gehört die Secwepemc Nation. Ihre Zustimmung hat das Projekt nicht. Sie will auf dem geplanten Trassenverlauf zehn Hütten errichten, um das Bauvorhaben zu stoppen. Mit dieser Aktion zivilen Ungehorsam orientieren sich die First Nations an den Aktionen, die im Standing-Rock-Reservat im US-Bundesstaat North Dakota gegen die Dakota Access Pipeline auf die Beine gestellt wurden.

Eine erste Pipeline aus dem Fördergebiet Alberta zur kanadischen Westküste nach British Columbia war 1953 in Betrieb genommen worden. 2004 wurde auf einem Teilstück eine zweite Pipeline parallel zur ersten gebaut. 2013 hat das Unternehmen Kinder Morgan einen Antrag auf den Bau einer kompletten zweiten Pipeline, weitgehend parallel zur ersten, gestellt. Entlang der rund 1150 Kilometer langen Strecke sollen auch zwölf neue Pumpstationen und 19 Tanks errichtet werden, und der Westridge Marine Terminal wird den Plänen zufolge drei neue Anlegestellen erhalten. Durch die zweite Pipeline sollen die Förderkapazitäten von 300.000 auf 890.000 Barrel pro Tag erhöht werden. Kinder Morgan will mit dem Erdöl vor allem die aufstrebenden Wirtschaften in Asien beliefern.

Die Provinzregierung von British Columbia kritisiert an dem Projekt unter anderem, daß Kinder Morgan keine ausreichenden Konzepte für den Umgang mit Erdölleckagen vorgelegt hat. Die Zentralregierung hingegen hat im November letzten Jahres die "Erweiterung", die eigentlich keine Erweiterung, sondern ein Neubau ist, unter der Auflage genehmigt, daß 157 Bedingungen erfüllt werden. Dabei geht es um potentielle Einflüsse auf die Indigenen und die Umwelt.

Wie bei vielen anderen Pipelines auch, gegen die sich Proteste der Bevölkerung in Nordamerika richten, hat sich erwiesen, daß auch die Trans Mountain Pipeline nicht dauerhaft dicht hält. Zwischen 1961 und 2016 wurden 82 Ölaustritte und andere Umweltverschmutzungen registriert, mehrere Male waren mehrere hundert Tonnen Erdöl ausgelaufen. Ähnliche Gefahren gehen von dem neuen Projekt aus.

Als Alternative zum Bau einer weiteren Pipeline das Erdöl auf der Schiene zu befördern empfiehlt sich angesichts der verheerenden Bahnunfälle in Nordamerika nicht - das Erdöl im Boden zu lassen dagegen sehr. 80 bis 90 Prozent der weltweit bekannten Erdöl-, Erdgas- und Kohlereserven sollten nicht gefördert werden, damit die Staatengemeinschaft ihr selbstgestecktes Klimaschutzziel einhält, mahnt die Wissenschaft an. Ende des Jahrhunderts soll die globale Erwärmung auf unter zwei Grad, möglichst auf nicht mehr als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt werden. Das geht nur, wenn Länder wie Kanada die Erdölförderung drastisch reduzieren.

Noch in diesem Monat beginnt Kinder Morgan mit dem Bau der umstrittenen Trans Mountain Pipeline ...


Drei Polizisten drücken einen Mann mit freiem Oberkörper neben einer kleinen, asphaltierten Waldstraße auf den Boden. Drum herum weitere Polizisten und Zivilisten, straff gespannte Absperrbänder und im Hintergrund Fahrzeuge sowie ein Protestlager - Foto: Mark Klotz / Flickr, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/]

Hier holt sich gerade die kanadische Regierung mit handfesten Argumenten die Zustimmung der Bevölkerung zum Bau einer Erdölpipeline ein.
Burnaby Mountain Park, British Columbia, 20. November 2014.
Foto: Mark Klotz / Flickr, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/]


11. September 2017


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