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RESSOURCEN/211: Fracking - ein Minusgeschäft ... (SB)




Luftaufnahme einer teils bewaldeten Plateaulandschaft, durch die sich ein Fluß schlängelt. Im Vordergrund eine abgeflachte Bergkuppe mit Frackinganlagen - Foto: NPCA, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/]

Die Frackingmanie macht auch vor dem Theodore Roosevelt National Park in Nord-Dakota nicht halt
Foto: NPCA, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/]

"Unsere Untersuchung der begutachteten medizinischen und öffentlichen Gesundheitsliteratur hat keinen Beweis erbracht, daß Fracking betrieben werden kann, ohne dabei die menschliche Gesundheit zu schädigen."
(Compendium of Scientific, Medical, and Media Findings - Demonstrating Risks and Harms of Fracking)

US-Mediziner haben in einem neuen Kompendium die Gefährlichkeit von Fracking für Mensch und Umwelt zusammengestellt. Darin heißt es, die behördlichen Sicherheitsbestimmungen reichten bei weitem nicht aus, um die Menschen vor den toxischen, teils radioaktiven Emissionen aus der Erdöl- und Erdgasförderung zu schützen. Auch sei das Grund- und Oberflächenwasser hochgradig gefährdet, und die Trinkwasseraufbereitungsanlagen vermögen längst nicht alle schädlichen Substanzen wie beispielsweise radioaktive Partikel aus dem Wasser herauszufiltern. Nicht zuletzt hätten die Erdbeben im Zusammenhang mit Fracking zugenommen, was somit ebenfalls eine Gesundheitsgefahr darstelle.

Inzwischen in der fünften Auflage wurde das im März 2018 erschienene "Compendium of Scientific, Medical, and Media Findings Demonstrating Risks and Harms of Fracking (Unconventional Gas and Oil Extraction)" zu einem Grundlagenwerk für einen breiten Themenkomplex im Zusammenhang mit der umstrittenen Erdöl- und Erdgasfördertechnik der hydraulischen Frakturierung, kurz Fracking genannt. Das 266 Seiten umfassende Werk ist auf den Internetseiten der beiden auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit ausgerichteten Organisationen Concerned Health Professionals of New York (www.concernedhealthny.org) und Physicians for Social Responsibility (www.psr.org) kostenlos abrufbar. Im Dezember 2014 diente das Kompendium in der 2. Auflage New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo als Grundlage, auf der er das Verbot des Frackings in seinem Bundesstaat verhängte.

Damit wurde die Expansion der Frackingindustrie in den USA allerdings nur partiell aufgehalten, die meisten anderen Bundesstaaten begrüßen diese Art der Förderung von Erdöl und Erdgas aus Lagerstätten, bei denen der begehrte Energieträger nicht als relativ geschlossene Blase vorliegt, die man nur anzuzapfen braucht, damit die unter Druck stehende Substanzen fast von sich aus herausströmen. Bei den sogenannten unkonventionellen Lagerstätten, die nach der Methode des Frackings erschlossen werden, verteilen sich Erdgas oder Erdöl über Poren, Rissen und Spalten des Gesteins. Das ist auch der Grund, weswegen es auf einer großen Fläche gefrackt, also aufgebrochen, werden muß.

Mehrere US-Regierungen, von George W. Bush über Barack Obama bis zu Donald Trump, setzen Fracking bewußt aus geopolitischem Kalkül ein, um die Vereinigten Staaten von Erdölimporten unabhängig zu machen. Außerdem fährt die daran beteiligte Branche, die weltweit von nordamerikanischen Unternehmen dominiert wird, gute Gewinne ein, solange der Weltmarktpreis beispielsweise für Öl mindestens 50 Dollar pro Barrel (ca. 159 Liter) beträgt. Zeitweilig hatte eine Reihe von Frackingunternehmen ihren Betrieb eingestellt, weil die Fördertechnik wegen gesunkener Ölpreise zu unrentabel war. Aber neuere Frackingverfahren sowie ein leichter Anstieg der Ölpreise haben die Frackingindustrie wieder angeschoben.

Den Preis für diese Form des geopolitischen und ökonomischen Vorteilsstrebens zahlt die US-Bevölkerung mit ihrer Gesundheit und dem Verlust an Lebensqualität. Die einzelne Frackingmaßnahme für sich genommen hat zunächst einmal lokale Auswirkungen: Der Schwerlastverkehr zum Transport des zusammengesetzt mehrere Kilometer langen Bohrgestänges, zur Bereitstellung von Sanden und Frackingflüssigkeiten, die unter hohem Druck in den Untergrund gepreßt werden, der Kompressoren und anderer dieselbetriebener Geräte, der Abtransport u. a. des Produktionswassers, erzeugt eine Lärm-, Staub- und Abgasbelastung, wie es sie bis dahin in der jeweiligen Region nicht aufgetreten war. Viele Emissionen wie Benzol und Formaldehyd sind potentiell krebserregend.


Luftaufnahme einer hügeligen Landschaft. Auf vielen Hügeln sind Frackingstandorte - Foto: Skytruth / EcoFlight, CC-BY-NC-SA 2.0

Landschaft mit zahlreichen Fracking-Standorten in den USA
Foto: Skytruth / EcoFlight, CC-BY-NC-SA 2.0

Nun kommt eine Frackingbohrung niemals allein. In typischen Frackinggebieten werden unter Umständen pro Quadratkilometer mehrere Standorte samt der dazugehörigen Infrastruktur eingerichtet, und von jedem Bohrloch wird horizontal in verschiedene Richtungen der jeweiligen erdgas- oder erdölführenden geologischen Schicht gebohrt. Das heißt, der Vorgang wiederholt sich sehr häufig, auch über Jahre hinweg, und überzieht vormals einsame Gegenden mit der Betriebsamkeit hochaktiver Industriegebiete.

Zugleich bringen die Frackinggesellschaften all die Probleme mit sich, die auch in anderen industriellen Branchen auftreten. Es geschehen Unfälle, bei denen toxische, schwermetallhaltige, teils radioaktive Elemente enthaltende Flüssigkeiten austreten und das Grundwasser kontaminieren. Da ein Teil des Cocktails an chemischen Substanzen, der beim Fracking verwendet wird, der betrieblichen Geheimhaltung unterliegt, wissen Ärzte oder Rettungskräfte manchmal gar nicht, womit sie es zu tun haben, wenn sie zu einem Noteinsatz gerufen werden oder Menschen mit Beschwerden zu ihnen kommen.

Defekte Gas-Anlagen können explodieren, Brände entstehen - mit entsprechender Freisetzung von Giftstoffen -, Brunnen werden vergiftet. Daß aus den Wasserhähnen mancher Wohnhäuser in der Nähe von Frackingstandorten entzündbares Gas aus der Leitung kommt, wie in dem Mehrteiler "gasland" präsentiert, ist nicht als Fake News abzutun, sondern Realität.

Berstende Leitungen, Leckagen der Absetzbecken für das nicht mehr in den Prozeß einspeisbare Produktionswasser, tropfende Tankwagen ... die Berichte über Umweltschäden und daraus resultierende negative Gesundheitsfolgen, über die in dem Kompendium berichtet wird, sind Legion. Hier kann nur eine winzige Auswahl an "Grausamkeiten" gegenüber Mensch und Umwelt erwähnt werden:

- Jeden Tag werden in den Vereinigten Staaten mehr als 7,5 Milliarden Liter toxische Flüssigkeiten unter extrem hohem Druck in den Untergrund gepreßt, um das Gestein aufzubrechen und Gas oder Erdöl zum Fließen zu bringen. Nur ein Teil davon wird wieder hinaufgepumpt. Nicht mehr verwendbare Frackingflüssigkeiten werden in eines der landesweit 187.570 Bohrlöcher gepreßt, die entweder nur zu eben diesem Zweck des Unter-den-Teppich-Kehrens angelegt wurden oder bei denen es sich um ausgeschöpfte Bohrlöcher handelt.

- Im Trinkwasser aus einem Grundwasserspeicher, der oberhalb des Fördergebiets Barnett Shale liegt, wurden 19 verschiedene Schadstoffe, die eindeutig dem Fracking zugeordnet werden konnten, nachgewiesen.

- Einwohner des US-Bundesstaats Pennsylvania, die in der Nähe von Fracking-Bohrstellen leben, weisen eine signifikant höhere Asthmaanfälligkeit auf als weiter entfernt lebende Einwohner.

- Zwischen Januar 2010 und November 2017 sind im Zusammenhang mit beschädigten Pipelines rund 100 Personen ums Leben gekommen, 500 wurden verletzt, viele tausend mußten evakuiert werden, und es wurden dabei 17 Milliarden Kubikfuß klima- und gesundheitsschädliches Methan freigesetzt. Allein 30 Pipelines, die mit geringem Druck betrieben wurden, sind seit 2009 für mehr als 7000 Leckagen verantwortlich.

Festgestellt wurde auch, daß diejenigen, denen die Förderstandorte gehören, "zufällig" nicht dort leben, wo gefrackt wird. Auch dürfte es kein Zufall sein, daß in der afroamerikanischen Community von Los Angeles deutlich mehr gefrackt wird als in der Community der Weißen.


Riesiges Feuer und dicke schwarze Rauchwolken auf einer Fracking-Bohrstelle - Foto: Martin Linskey, FracTracker Alliance, www.fractracker.org/photos

Feuer am Frackingstandort Statoil Eisenbarth in Monroe County, Ohio, 28. - 29. Juni 2014
Foto: Martin Linskey, FracTracker Alliance, www.fractracker.org/photos

Neben diesen lokalen und regionalen Schäden trägt die Frackingindustrie auch die Mitverantwortung für global verheerende Folgen. Hier werden Brennstoffe (und auch Grundstoffe zum Beispiel für die Kunststoffindustrie) gefördert, deren Verbrauch das globale Klima verändert hat und weiter verändern wird. Die Emissionen, die beim Verbrennen von Erdöl und Erdgas entstehen, halten einen Teil der langwelligen Wärmeabstrahlung von der Erdoberfläche auf. Man spricht von einer globalen Erwärmung aufgrund menschlicher Aktivitäten. Dadurch ändert sich das Klima, und in den meisten Regionen sehr deutlich zum Negativen.

Die Trump-Administration - und das ist dann doch ein Unterschied zur Vorgängerregierung - räumt der fossilen Energiewirtschaft den Weg frei, indem sie diese von lästigen Umweltauflagen befreit. Vergleichbar damit, daß Fracking einst von den Auflagen des Luftreinhaltegesetzes ausgenommen wurde, obschon doch die Luft - neben Wasser und Böden - besonders von den zahlreichen Schadstoffemissionen betroffen ist.

Ganz und gar unklar ist, was sich in dem gezielt aufgebrochenen Gesteinsuntergrund abspielt. Man weiß zwar, daß Fracking-Operationen, respektive das Verpressen nicht mehr verwendbaren Produktionswassers, Erdbeben auslöst. Aber was das in der Summe großflächige Aufbrechen ganzer geologischer Horizonte, die Entnahme von Gasen und Ölen sowie das Verpressen von schadstoffbelastetem Abwasser für Folgen zeitigt, ist weitgehend unklar. Allerdings hat man schon eine problematische Konsequenz des Verpressens registriert: Geologische Schichten können deformieren, es entstehen regelrechte "Blasen", die dann die darüberliegende Schicht aufwölben und sogar aufbrechen. Durch solche Effekte (aber bei weitem nicht allein dadurch) erhöht sich die Gefahr der Grundwasserverseuchung oder auch des Abflusses von Grundwasser in tiefere Schichten. Ebenso besteht die Gefahr, daß benachbarte Frackingbohrlöcher so verbogen und brüchig werden, daß sich deren toxischer Inhaltsstoff im Untergrund ausbreitet. Auch das Durchstoßen grundwasserführender Gesteinsschichten beim Anbohren des Zielhorizonts könnte Langzeitfolgen haben, die sich zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht absehen lassen. Aber die dann, wenn sie auftreten, nicht mehr rückgängig zu machen sein werden.

Nicht mehr rückgängig zu machen ... das ist ein Wesensmerkmal der Frackingindustrie. Es betrifft nicht allein die absehbaren und unabsehbaren geologischen Folgen, sondern auch die direkten und indirekten gesundheitlichen Schäden von Menschen. So kann eine Leukämie, beispielsweise ausgelöst durch Formaldehydemissionen von Frackingstandorten, in der Regel nicht geheilt werden. Und selbst wenn die betroffene Person eine Entschädigung von dem Frackingunternehmen erhielte - wozu es vermutlich niemals kommen wird -, kann man das Leiden und schließlich den Verlust des Lebens mit keiner Summe der Welt entschädigen. (Was nicht als Argument gegen Entschädigungsansprüche Betroffener mißverstanden werden soll.) Der Schaden ist da und nicht wieder zu korrigieren.

Das Kompendium der beiden US-Gesundheitsorganisationen zum Thema Fracking ist keine leicht verdauliche Lektüre. Genau das stellt in diesem Fall ein Qualitätsmerkmal dar, denn das Thema ist geradezu unverdaulich. Wobei abschließend anzumerken ist: Daß Politik und Wirtschaft Hand in Hand gehen und ihre destruktiven Interessen gegen Teile der Gesellschaft durchsetzen, ist kein Alleinstellungsmerkmal der Frackingindustrie.


Grafik eines Wasserhahns, aus dem Feuer herauskommt - Bild: public domain, cybergedeon / Open Clip Art Library

Kein Fracking
Bild: public domain, cybergedeon / Open Clip Art Library


16. März 2018


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