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BERICHT/034: Down to Earth - Hilfsvorwände (SB)


Wassermanagement und seine Folgen

IGC 2012 - Weltkongreß der Geographie vom 26. bis 30. August 2012 an der Universität Köln



Wer Mongolei hört, denkt vielleicht an Dschingis Khan, wilde Pferde, wirbelnde Hufe hinter Sandschleiern, Nomaden, Jurten, möglicherweise auch an unaussprechliche Namen von kargen Landschaften, an Dürre, Wüste, Trockenheit, Staub, aber nie oder nur ganz, ganz selten an Wasser.

Der Fluß Kharaa von einer Brücke aus photographiert - Foto: © 2010 by Brücke-Osteuropa, über Wikimedia commons zur Veröffentlichung freigegeben

Der Fluß Kharaa in der Nähe von Baruunkharaa steht mit einer Länge von 291 km an 20. Stelle der Flüsse in der Mongolei. Sein Einzugsgebiet umfaßt 15.000 Quadratkilometer.
Foto: © 2010 by Brücke-Osteuropa, über Wikimedia commons zur Veröffentlichung freigegeben

Das kommt nicht von ungefähr, denn Wasser ist ausgesprochen knapp in diesem mit 1.564.116 Quadratkilometern viereinhalb Mal so großen Land wie Deutschland. Es ist der zweitgrößte, aber mit nur 2,75 Millionen Einwohnern am dünnsten besiedelte Binnenstaat der Welt. Daher wurde Wasser bzw. die Verteilung und Sicherung dieses raren Guts in Zentralasien, am 28. August 2012 auf dem Weltgeographiekongreß in Köln in einer Session über "Global Change & Globalisation - Central Asian ecosystems under water scarcity" (Globaler Wandel und Globalisierung - Zentralsiatische Ökosysteme unter Wasserknappheit) thematisiert. [1] Die Einordnung der Wasserproblematik unter dem Oberbegriff "Globaler Wandel und Globalisierung" zeigt die politische Brisanz, die ihr hier zugesprochen wurde, auf die allerdings in den sehr projekt- und wissenschaftsbezogenen Vorträgen selbst leider kaum noch eingegangen wurde. Laut Professor Dietrich Borchardt vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung Magdeburg (UFZ) [2] wird jedoch gerade "Wasser zunehmend auch ein außen- und sicherheitspolitisches Thema." Er ist der Koordinator des Rahmenprojekts "Integriertes Wasserresourcenmangement in Zentralasien: Modellregion Mongolei" kurz: IWRM Mo Mo, von dem hier zwei Teilprojekte und in der darauffolgenden Session ein weiteres vorgestellt wurden.


Projekt "Integriertes Wasserresourcenmangement in Zentralasien: Modellregion Mongolei"

Wasser als notwendige Lebensgrundlage für Menschen und Ökosysteme (Tier- und Pflanzenwelt) in ausreichender Quantität und Qualität ist schon lange nicht in allen Regionen der Erde selbstverständlich. Wasserprobleme wie Wasserknappheit und Dürren nehmen weltweit zu und bieten zunehmend Konfliktpotential und Angriffsflächen für sogar kriegerische Auseinandersetzungen. Hinzu kommt die gesamte Problematik der sich daraus ergebenden ökologischen und sozio-ökonomischen Folgen oder Risiken durch den fortschreitenden "globalen Wandel". Extreme Niederschlagsereignisse können heute schon Teile des Planeten durch Überschwemmungen gefährden, Menschen um ihre Existenz bringen und Ökosysteme auf Dauer vernichten. Umgekehrt nimmt aber auch der soziale und demographische Wandel Einfluß auf den Wasserhaushalt und das Verlangen danach. Hier beschrieb zum Beispiel der dritte über das Mo Mo Projekt referierende Hydrologe, Dr. Tim aus der Beek (sein Thema: "Global Change impacts on Central Asian water resources" - Einfluß des globalen Wandels auf zentralasiatische Wasserressourcen) den steigenden Bedarf an Wasser für die Feldbewässerung in der Mongolei als eine Folge des globalen Wandels und der wachsenden Lebensansprüche. Damit berührte er die eigentlich mit hydrologischen Methoden kaum erreichbare Problematik menschlicher Gerechtigkeit in benachteiligten Regionen. Aufgrund ihrer Bodenbeschaffenheit und ihres Klimas sind die größten Teile der Mongolei von Natur aus kaum für den Ackerbau geeignet. Daher war nomadische Viehhaltung ursprünglich die wohl "nachhaltigste" Lebensform. Erste Anfänge einer kollektivierten Landwirtschaft wurden von der Regierung der ehemaligen Sowjetunion in den 30er Jahren gefördert, um die nomadisch lebende Bevölkerung seßhaft und damit für den Staat verwaltbarer zu machen. Die neue Agrarwirtschaft entwickelte sich jedoch zunächst sehr langsam, heute dagegen vergleichbar rasant. Laut Dr. aus der Beek wird es seinen jüngsten Berechnungen zufolge, bei einem gleichbleibend wachsenden Appetit auf immer mehr Wasser für Industrie und Landwirtschaft, schon früher als bisher gedacht in manchen Gebieten der Mongolei zu einem regelrechten Wassernotstand kommen. Pläne für ein nachhaltiges Ressourcenmanagement seien daher zwingend erforderlich, doch die technologischen Umstellungen für einen ökonomisch sinnvollen Umgang mit der wertvollen Ressource kosten Geld, während für die Wassernutzung in der Mongolei noch keine Gebühren erhoben werden.

Landkarte des Flußsystems Jenissei - Graphik: © 2009 by Kmusser über Wikimedia Commons zur Veröffentlichung freigegeben

Der Kharaa gehört zu den rechten Nebenflüssen des Selenga im Flußsystem Jenissei der Mongolei.
Graphik: © 2009 by Kmusser über Wikimedia Commons zur Veröffentlichung freigegeben

Daß nicht nur die offensichtliche Wasserknappheit, sondern bereits das wissenschaftliche Bemühen um den Status Quo dieser Ressource, d.h. die qualitative und quantitative Analyse des verfügbaren Grund-, Trink und Oberflächenwassers sowie die Prüfung der davon betroffenen Ökosysteme, das dauerhafte Überwachen von hydrologischen Daten mit Hilfe von Wetter- und Klimastationen und schließlich das Entwickeln von technischen Lösungen, von Gesetzesvorschlägen, von Standards oder Modellen für den Gewässerschutz, mit denen die Trinkwasserversorgung, Bewässerung, Viehhaltung oder die Klärung von Brauch- oder Industriewässern verbessert werden können, eine sozio-ökonomische Einflußnahme und damit ein äußerst komplexes Politikum bedeuten, läßt sich kaum mit wenigen Worten umreißen:

Obwohl Wasser in der Region knapp ist, müssen die eingangs beschriebenen Assoziationen einer dürren staubigen Steppe hier im Norden der Mongolei korrigiert werden. Die wenigen vorhandenen Wasserreservoire in den mongolischen Bergregionen speisen ein riesiges Einzugsgebiet. Die gesamte Landwirtschaft und Industrie ist davon abhängig. Wenn dieses Wasser im Norden durch die aufkommende Industrialisierung, den Abbau der Bodenschätze (einer der Hauptexportgüter der Mongolei), die zunehmende Feldbewirtschaftung oder auch Viehzucht (Überdüngung) verschmutzt bzw. kontaminiert wird, werden die Schadstoffe aus der Mongolei bis in den Baikalsee nahe der russisch-mongolischen Grenze geschwemmt. Darüber hinaus finden sich in anderen Landesteilen Probleme durch Wassermangel und -güte, die sich auf das südlich gelegene China auswirken können.

Hier könne Forschung und Technologie laut Prof. Borchert [2] über ein gezieltes Wasserressourcenmanagement (zum Beispiel durch das Mo Mo- Projekt) einen bedeutenden Beitrag zur wirtschaftlichen und politischen Stabilität der Region leisten. Die Erfahrung lehrt allerdings auch, daß mit solchen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit staatlichen Mitteln geförderten Projekten wie diesem mehr verbunden wird als Völkerfreundschaft oder Menschenhilfe. Und so fragt man sich, welche Gegenleistungen eine an seltenen Bodenschätzen arme Industrienation sich hier vielleicht von wissenschaftlichen Partnerschaften in verschiedenen Regionen des rohstoffreichen Zentralasiens und über die Vermittlung des technischen Wasser-Know-Hows und seine direkte, profitable Umsetzung durch beteiligte ingenieurwirtschaftliche Industriepartner [3] hinaus verspricht.

Foto: © 2012 by Schattenblick

Dr. Tim aus der Beek
Ohne ein vernünftiges Wasserressourcenmanagement wird es bei der anhaltenden Entwicklung in einigen Teilen der Mongolei früher als gedacht zu einem Wassernotstand kommen.
Foto: © 2012 by Schattenblick

Dessen ungeachtet wurden bereits im ersten Teil der Doppel-Session zu Wassermangel in Zentralasien vor allem auch die wissenschaftlichen Herausfordeungen deutlich, die junge Geographen und Hydrologen zu den Felduntersuchungen in die Mongolei bzw. andere Gebiete Zentralasiens ziehen. Neben dem Projekt in der Modellregion Mongolei stellten die beiden letzten Referenten der ersten Session vergleichbare Wasser- und Ökosystemuntersuchungen unter Berücksichtigung des Klimawandels und damit Wasserqualitäts- und Wassermengenprobleme am grenzüberschreitenden Fluß Zarafshon in Tadschikistan und Usbekistan (Dr. Michael Groll) sowie den landwirtschaftlichen Wasserverbrauch und die natürlichen Ökosysteme mit Blick auf die Biodiversität entlang des Tarim in China (Dr. Niels Thevs) vor. Beides sind ausgesprochen dankbare Umweltprojekte für die beteiligten Hydrologen, Geographen und Umweltingenieure.


Fallbeispiel Kharaar

Das gleiche gilt auch für die Untersuchung des rund 15.000 Quadratkilometer großen Flußeinzugsgebietes des Kharaar im Norden der Mongolei nahe Ulanbataar, das mit seinem hochkontinentalen Klima, den warmen Sommern und extrem kalten Wintern sowie den durch extrem niedrige jährliche Niederschläge von nur 300 mm stark begrenzten Wasserresourcen. Die Wissenschaftler finden hier ein weltweit einzigartiges "Freiluft-Labor" vor, dessen Ergebnisse sich sogar auf die Wassersituation in Europa übertragen lassen könnten. Und dies ist gewissermaßen der dritte Punkt, der die Forschung in der Mongolei oder auch Zentralasien politisch relevant werden läßt: Die in der Mongolei untersuchten Oberflächengewässer sollen mit europäischen Verhältnissen durchaus vergleichbar sein. An den teilweise noch naturnahen, unbelasteten Gewässern im Khentii-Gebirge läßt sich beispielsweise ableiten, wie ein "guter ökologischer Zustand" aussehen und definiert werden kann. An den belasteten Gewässern z.B. des Kharaar, wird erprobt, wie diese auf Schadstoffe reagieren und wie sie sich gegebenenfalls regenerieren.

Schließlich ist die Mongolei auch deshalb ein optimales Untersuchungsgebiet, weil sich dort die durch den Klimawandel ausgelösten Veränderungen aufgrund der ohnehin wasserarmen Verhältnisse schon heute gravierend auf den Wasserhaushalt auswirken. Für das Einzugsgebiet des Flusses Kharaar werden vor Ort exemplarisch Maßnahmen zum Wassermanagement erarbeitet, die später auf andere Problemgebiete übertragen werden sollen. Über die ersten Erfahrungen damit sprach Dr. Daniel Karthe im ersten Vortrag der Session. Vor allen Dingen seien folgende Problemfelder für ein integriertes Wassermanagement-Konzept relevant:

- Das rückläufige Wasserdargebot im Kontext des globalen Wandels,
- die Wasserbelastung durch menschliche Eingriffe
- die noch unzureichende Versorgungsstruktur in urbanen und ländlichen Räumen,
- gesetzliche Grundlagen und funktionierende Institutionen.

Foto: © 2012 by Schattenblick

Dr. Daniel Karthe
'In der Mongolei kostet das Wasser nichts. Daher haben die Menschen vor Ort keinen Anreiz, Wasser zu sparen.'
Foto: © 2012 by Schattenblick

Zum Untersuchungsraum gehören sowohl bergiges Gelände, in dem es unberührte Wasserläufe gibt, wie auch Ebenen, in denen durch den Abbau von Gold, aber auch durch Landwirtschaft Schadstoffe ins Wasser eingetragen werden. Besonders das Industriegebiet rund um die Stadt Darkhan, die mit fast 100.000 Einwohnern größte Stadt der Region, bildet hier einen krassen Gegensatz zu der naturbelassenen Landschaft des oberen Wassereinzugsgebiets, das zudem die größeren Wasserreservoirs enthält, während der Verbrauch in den unteren Bereichen des Wassereinzugsgebiets am stärksten ist. Hier zeigt sich auch ein zunehmender Rückgang der wasserhaltenden Vegetation durch Viehhaltung, Rodung oder Waldbrände. Was im schlimmsten Fall geschehen wird, welche Entwicklungen möglich sind und welche Maßnahmen dem Geschehen Einhalt gebieten können, wird mit Hilfe von Simulationsmodellen durchgespielt. Ergänzend werden auch die Zunahme der Bevölkerung sowie die Veränderung der Landschaft und der Lebensweise einbezogen. Im Flußlauf des Kharaar lassen sich verbessernde Eingriffe aber auch direkt am Gewässerzustand analytisch ablesen.

Man fühlte sich bei der Darstellung des Referenten teilweise an die Geschichte deutscher Gewässer im Verlauf der Industrialisierung erinnert. Die Mongolei ist eine Bergbauregion, die für den Tagebau große Mengen an Wasser aus dem Fluß abzieht und verschmutztes Wasser einleitet. Lokale Kläranlagen sind fast generell in einem schlechten, wenig wirksamen Zustand oder schlicht: nicht vorhanden.

Die Datenerfassung und Modellierung des Wasserkonsums der Stadt Darkhan entlarvt ein marodes Netz mit vielen Leckagen, denn abgesehen von der Industrie, die auch nachts Wasser verbraucht, ist der nächtliche Wasserabgang immens. Ferngesteuerte Sonden, mit denen die Lecks aufgespürt und abgedichtet werden, sind eine mögliche technische Antwort auf dieses Problem, nicht aber auf den Konsum insgesamt. Derzeit werden vor allem die Siedlungen der Halbnomaden noch mit sogenannten Wasserkiosken versorgt, was einen wesentlich geringeren Verbrauch mit sich bringt. Im Zuge der geplanten und real zunehmenden Urbanisierung soll der Wasserbedarf in der Mongolei in Zukunft allerdings noch weiter steigen.

Es sei besonders schwierig, den realistischen Wasserverbrauch abzuschätzen, beantwortete Daniel Karthe eine Frage aus dem Auditorium. In der Mongolei sei Wasser derzeit noch gebührenfrei zu haben. Daher hätten die Menschen vor Ort auch keinen Anreiz, Wasser zu sparen. Dies gab dann doch zu Mutmaßungen Anlaß, auf wessen Kosten wohl ein Wasserressourcenmanagement "made in Germany" gehen wird.

Neben dem reinen Erkenntnisgewinn geht es den UFZ-Wissenschaftlern laut Dr. Karthe vor allem auch darum, Wissen für die Menschen vor Ort bereitzustellen, ein Bewußtsein für die Gegebenheiten vor Ort zu schaffen und den Sinn des Wassersparens zu vermitteln. Deshalb arbeiten sie eng mit den in der Mongolei für das Wassermanagement Verantwortlichen zusammen, mit Ministerien, Umweltforschungsinstituten und Nicht-Regierungs-Organisationen. Zentral für das Projekt sei aber auch die Gewinnung lokaler Akteure. Um das Problembewußtsein und die Umsetzung der Maßnahmen zu fördern, werden Schulungen für technisches Personal und Entscheidungsträger angeboten. Darüber hinaus werden Lehrerfortbildungen durchgeführt sowie passende Geräte und Materialboxen zur Umweltbildung entwickelt und bereitgestellt.


Das Sugnugur Tal im Khentii-Gebirge - Ursprüngliche Natur und Freiluft-Labor für den Faktor Mensch

Fern von jeder Industrialisierung in eine kaum von Menschen besiedelte, unberührte und unbelastete Natur des Khentii Gebirges brachte Prof. Dr. Lucas Menzel seine Zuhörer und machte gleichzeitig klar, daß ein nahezu paradiesischer Zustand, einwandfrei sauberes Wasser von bester Trinkwasserqualität, aus Sicht des Hydrologen vor allem die nötige Referenz bietet, um den Sollzustand mit dem Istzustand nach Einflußnahme des Menschen zu vergleichen bzw. für die Erarbeitung von Simulationsmodellen und somit für Aussagen über die Zukunft dieser Region zu verwenden.

Foto: © 2012 by Schattenblick

Prof. Dr. Lucas Menzel
Die mit der durch Brandstiftung und Waldzerstörung einhergehende Erhöhung der Bodentemperatur hat maßgebliche Auswirkung auf Umwelt und Wasserhaushalt.
Foto: © 2012 by Schattenblick

Seine Gruppe aus Heidelberger Forschern, Stefanie Minerlein und Benjamin Kopp untersuchen hier vor Ort die Umweltbedingungen sowie die natürlichen hydrologischen Prozesse der Region und die ausschließlich von geogenen Bedingungen beeinflußte Wasserqualität. Vor allem die Waldgebiete und ihre Rolle für die Wassergewinnung, -verdunstung und -speicherung interessiert die Forscher, die für Prof. Menzel die Funktion von "Wassertürmen" für die Region haben. Das Sugnugur Tal stellt eine Verbindung zwischen Taiga und Steppe dar und bietet den Wissenschaftlern abgesehen von dem ursprünglichen, sogenannten borealen (kaltgemäßigten) Wald zahlreiche, weitere für die Wassergewinnung wichtige Umweltbesonderheiten wie Schneespeicher oder Permafrostbereiche, die ebenfalls untersucht werden.

Gerade hier sind laut Prof. Menzel nach ersten Auswertungen der Felduntersuchungen von 2011 bereits Störungen zu verzeichnen, die, wie die Wissenschaftler herausfinden konnten, vermutlich zum größten Teil auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen sind. Zum einen ist die Region mit Permafrost und Schneebereichen für den auf anthropogene Einlüsse zurückgehenden Klimawandel anfällig. Darüber hinaus vernichten Waldbrände die Wasserspeichereigenschaften der borealen Wälder und fördern das Abtauen von Permafrost. Die Brände könnten zwar auch eine Folge von typischen, regelmäßig auftretenden Naturereignissen sein, die immer wieder mal durch Blitzschlag ausgelöst werden. Wahrscheinlicher sei laut Prof. Menzel jedoch, daß es sich um Brandstiftung handeln würde, mit deren Hilfe sich am Existenzminimum lebende Menschen hier zu dem dringend benötigtem Feuerholz neben anderen "Früchten des Waldes" verhelfen würden. Zunehmende Waldzerstörungen sind die Folge dieser Selbstversorgung. Doch nicht nur das, die mit der Entwaldung einhergehende Erhöhung der Bodentemperatur, von ursprünglich null bis zu zehn Grad Celsius, hat auch eine Zerstörung des Permafrosts zur Folge und damit möglicherweise einen verändernden Einfluß auf kleinräumige Prozesse wie das Abfließen des Wassers. Da die Wasserläufe des Khentii-Gebirges in den Kharaa abfließen, haben diese kleinräumigen Veränderungen eine unmittelbare Folge für die Wasserverfügbarkeit im Einzugsgebiet des Kharaa bis hin zur Stadt Darkhan.

Um diese Zusammenhänge genau zu erforschen, wurde im Sugnugur Tal ein ganzes Netz aus verschiedenen Meßstationen für die Bodenfeuchte und Bodentemperatur an Südhängen des Wassereinzugsgebiets, an den von Waldbränden heimgesuchten Gebieten, sowie verschiedene Wetterstationen für die Luftfeuchtigkeits- und Niederschlagsmessungen, komplettiert mit der Wasserstandsmessung des Flusses, eingerichtet, und analytische Möglichkeiten für die Veränderungen in der Vegetation geschaffen. Die Erkenntnisse dieser Felduntersuchungen fließen in das Wasserhaushalts- Simulationsmodell TRAIN [4] ein, mit dem man künftige Entwicklungen unter verschiedenen Bedingungen durchspielen will, um gegebenenfalls mit umfangreichen Vorschlägen, Maßnahmen und entsprechenden Wirkungsfolgenabschätzungen im Rahmen des Integrierten Wasserressourcenmanagement entsprechend Einfluß nehmen zu können.

Von den bereits erwähnten Maßnahmen einmal abgesehen, zu denen dann wohl auch der Vorschlag eines Wassergebürensystems gehören würde, um den nötigen "Anreiz" zum Wassersparen zu schaffen, schienen die Versuche, sinnvolle Lösungen zu finden oder Veränderungen einzuführen, im Verhältnis zum Forschungsaufwand sehr gering. Das mag aber auch daran liegen, daß in einer von Natur aus wasserarmen Region wenig an den Bedingungen verändert werden kann, Wasser gewissermaßen aus dem Nichts zu schöpfen. Auch dafür wären technische Lösungen im Rahmen von Geoengineering denkbar, wie das nächtliche Abschöpfen der Luftfeuchtigkeit mit gewaltigen Luftnetzen, das teilweise in Wüstengebieten erprobt wurde. Doch diese futuristische menschliche Einflußnahme, die auch mit einer großen Beeinträchtigung des Ökosystems einhergehen würde, gehört noch nicht zu den durch das BMBF geförderten Forschungsprogrammen in Zentralasien.

Während die vorgeschlagenen und zum Teil bereits durchgeführten Verbesserungen im Wassermanagement im wesentlichen das Reinigen von Wasser und Einsparungen im Verbrauch zum Ziel haben, könnte man die von Prof. Menzel angestrebte Forschung noch am ehesten als Ursachenbekämpfung bezeichnen, da hier zumindest versucht wird, die Wege der natürlichen Wassergewinnung herauszufinden und zu erhalten. Ob es auch Überlegungen zu einem Nachahmen oder Fördern der natürlichen Wassergewinnung zum Beispiel durch die künstliche Aufforstung vernichteter Waldgebiete und darüber hinaus bestehen, wurde im Rahmen der Veranstaltung hier nicht weiter erwähnt.

Allerdings wurde hier auch nicht an den ursächlichen Bedingungen gerührt, die in einer wasserarmen Region, in der die Menschen seit Generationen mit dem vorhandenen Wasser auskommen mußten, dazu führen, daß Wasserknappheit überhaupt erst zu einem existenziellen Problem wird und die bei genauerer Betrachtung ausschließlich fremdbestimmt sind.

Die Wandlung der ansässigen Bevölkerung von einer Gesellschaft aus Nomaden zu einer Gesellschaft, die ihr Lebensglück in der Seßhaftigkeit sucht, ist allein auf den Einfluß und die Versprechen von industrialisierten Nationen wie der unsrigen zurückzuführen, die ein starkes Interesse daran haben, mehr Menschen als für die Region üblich und ökologisch verträglich aus eigennützigen Zwecken an einen Ort zu binden, an dem sie Arbeit in den Minen suchen, deren Bodenschätze unsere Wirtschaft florieren läßt. Ebenso müssen diese Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden, das heißt, Landwirtschaft wird dadurch erst notwendig. Auch das möglicherweise denkbar "grünste" oder nachhaltigste Konzept eines besseren, zivilisierten Lebens mit seinen Annehmlichkeiten und zahlreichen Verlockungen wie klimafreunliche Kühlschränke, fließendes Wasser mit Sparmodus, entsprechende Duschen, Badewannen, Waschmaschinen, Toaster, Fernseher, Computer usw., läßt allerdings Zweifel aufkommen, ob dem wachsenden Bedarf an Wasser in der Mongolei durch die in den verschiedenen Projekten erarbeiteten zumeist Einsparvorschläge überhaupt noch beizukommen ist. Zumal dann, wenn diese Vorschläge doch zumindest ideell mit Interessen verbunden sind, die anderswo durch ein Weitermachen wie bisher, nur mit anderen Mitteln, nicht damit aufhören, das Klima oder andere Umweltbedingungen wie Luft, Boden und Wasser massiv zu verändern, und damit unter anderem den Menschen in wasserarmen Regionen auch noch über die Distanz schlicht das Wasser abgraben.

Die Forschungsprojekte, die in ihrem ursprünglichen Anliegen, die Wassersituation vor Ort zu verbessern, auch nur den vermeintlichen Tropfen auf dem heißen Stein anbieten können, erwecken bei genauerem Hinsehen den Eindruck, nur das schlechte Gewissen der diese Projekte fördernden Ministerien wohlhabender Länder zu beruhigen und die eigentliche Absicht, ihren Einfluß auch auf diese Weise immer noch weiter auszudehnen, zu verschleiern.

Eine Abwasserreinigungsanlage im Umkreis der Stadt Darkhan vor ihrer Inbetriebnahme - Foto: © 2012 by Dr. Manfred von Afferden/UFZ (Lizenz CC BY 3.0)

Auch das gehört zum Mo Mo-Projekt des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ, eine unlängst fertig gestellte Forschungsanlage zur Abwasserreinigung, dessen gereingtes Wasser für die Bewässerung schnell wachsender Weiden zur Holzproduktion verwendet wird.
Foto: © 2012 by Dr. Manfred von Afferden/UFZ (Lizenz CC BY 3.0)

Anmerkungen:
[1] Global Change & Globalisation - GCG 03-01 Asian ecosystems under water scarcity 1 (Globaler Wandel und Globalisierung - Zentralsiatische Ökosysteme unter Wasserknappheit) unter dem Vorsitz von Bernd Cyffka und Yumiti Halike:

Referenten und Vorträge:
Referent: Dr. Daniel Karthe (UFZ Magdeburg),
Projektleiter: Prof. Dr. Dietrich Borchardt (UFZ)
Integrated Water Resources Management in a water-scarce environment: Experiences from the Kharaa Catchment, Mongolia (Integriertes Wasserressourcen-Management in einer wasserarmen Umwelt: Erfahrungen aus Wassereinzugsgebiet des Kharaar, Mongolei), Teilprojekt des IWRM Mo Mo (vom BMBF gefördert).

Referent: Prof. Dr. Lucas Menzel (Universität Heidelberg)
Water scarcity and environmental change in northern Mongolia: From field research in the Khentii mountains (Wasserknappheit und Umweltveränderungen im Norden der Mongolei: Ergebnisse der Feldforschung im Khentii-Gebirge), Teilprojekt des IWRM Mo Mo (vom BMBF gefördert).

Dr. Michael Groll (Phillips-Univ. Marburg):
Transnational upstream and downstream water resource analysis at the Zarafshon River with special consideration of land use and climate change influences (Wasserressourcen-Analyse des Zarafshan Flusses (stromaufwärts und -abwärts) unter besonderer Berücksichtigung der Einflüsse des Klimawandels), WAZA CARE Projekt (Water quality and quantity analyses in the transboundary Zarafshon River basin - Capacity building and Reasearch for sustainability) des Internationalen Büros des BMBF

Dr. Niels Thevs (University of Greifswald):
Water consumption of agriculture and natural ecosystems along the Tarim River, China (Landwirtschaftlicher Wasserverbrauch und natürliche Ökosysteme entlang des Tarim Flusses in China), Teilprojekt des SuMaRiO (Sustainable Management of River Oases along the Tarim River), das ebenfalls vom BMBF gefördert wird.

[2] Siehe UFZ-Newsletter, Juni 2008:

http://www.bmbf.wasserressourcen-management.de/_media/Publikation_MoMo.pdf

[3] Partnerschaften der IWRM Mo Mo-Projekte mit führenden Wirtschaftsunternehmen und Interessenverbänden:

- Bergmann Clean Abwassertechnik (BCAT) ein führendes
Abwasserreinigungsunternehmen

- Bildungs- und Demonstrationszentrum für dezentrale Abwasserbehandlung e.V. (BDZ), Leipzig. (Das BDZ ist eine Initiative zur Förderung der dezentralen Abwasserbehandlung und vereint Fachkräfte aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.)

- Passavant-Roediger GmbH (eine deutsche Tochtergesellschaft von Drake & Scull International PJSC, einem börsennotierten Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Emiraten. Roediger entwickelt neue Technologien zur Abwasser- und Schlammbehandlung)

- p2m berlin GmbH (ein großes Ingenieurbüro in Berlin, dass sich auf Umwelt- und Wasserprojekte in großem Maßstab spezialisiert hat)

- terrestris GmbH & Co. KG (ist auf den Einsatz und die Weiterentwicklung von Open Source basierten Web-, GIS- und WebGIS- Technologien spezialisiert. Die Schwerpunkte liegen in der Konzeption und dem Aufbau von Geodateninfrastrukturen, webbasierten Informationssystemen und WebMapping-Anwendungen. Terrestris ist ein Mitglied im Open Geospatial Consortium)

- Seecon Deutschland GmbH (ist ein Zusammenschluß beratender Ingenieure, die Umweltprojekte über den gesamten Planungszyklus unterstützen und koordinieren)

[4] Der Name leitet sich aus TRAnspiration und INterzeption ab, zwei verschiedene Formen der Verdunstung, die in dem hydrologischen Simulationsmodell TRAIN besonders detailliert berücksichtigt und beschrieben werden. Eine genauere Darstellung des Modells zur standörtlichen und räumlich differenzierten Simulation des Wasserhaushalts, mit dem sich Erkenntnisse ausgedehnter Feldstudien zur Verdunstung und zum Bodenwasserhaushalt verarbeiten lassen, findet sich hier:

http://www.geog.uni-heidelberg.de/md/chemgeo/geog/lehrstuehle/physio/train-
beschreibung_dez2011.pdf

15. Oktober 2012