Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REPORT

INTERVIEW/031: Klimawandel in Regionen - Verpaßte Chance? Prof. Dr. Karin Lochte antwortet (SB)


3. REKLIM-Konferenz "Klimawandel in Regionen" am 3. September 2012
im Wissenschaftspark Albert Einstein auf dem Telegrafenberg in Potsdam

Prof. Dr. Karin Lochte über technische Lösungen, dem Klimawandel zu begegnen

Die Erde befindet sich, wie der letzte Bericht des Weltklimarates (IPCC) deutlich macht, in einem tiefgreifenden Klimawandel. Dies hat für einzelne Regionen der Erde ganz unterschiedliche Folgen. Helmholtz-Forscherinnen und Forscher aus acht Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft untersuchen solche regionalen Klimaänderungen und liefern damit die Grundlage für Anpassungs- und Vermeidungsstrategien. Auf der diesjährigen Tagung des Helmholtz-Verbund Regionale Klimaänderungen (REKLIM), der sich seit 2009 mit verschiedensten Aspekten dieses Themas befaßt, trafen sich die Forscher der beteiligten Zentren, um ihre jüngsten Ergebnisse und Prognosen zu diskutieren. Als Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft, dem sie bereits seit 1990 verbunden ist, erinnerte Prof. Dr. Karin Lochte in ihren Begrüßungsworten daran, daß es eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ist, die regional sehr unterschiedlichen Folgen des Klimawandels für Mensch und Natur aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen. Der Schattenblick hatte im Verlauf der Veranstaltung die Gelegenheit, der Meeresbiologin einige Fragen zu den technischen Möglichkeiten hierzu zu stellen.

Foto: © 2005 PD-USGOV-NASA (gemeinfrei zur Veröffentlichung)

Algenblüten hier von Emiliania huxleyi können enorme Ausmaße erreichen, möglicherweise bis über 100.000 km².
Satellitenaufnahme einer Algenblüte vor Cornwall
Foto: © 2005 PD-USGOV-NASA (gemeinfrei zur Veröffentlichung)

Schattenblick (SB): Frau Lochte, Sie haben vorhin in Ihrer Grußnote zur dritten REKLIM-Konferenz "Klimawandel in Regionen" gesagt, daß man Lösungen anbieten müßte, mit denen man umgehen kann. Woran haben Sie dabei gedacht?

Karin Lochte (KL): Es müssen Lösungen angeboten werden, die von der Bevölkerung angenommen werden können. Man muß schon sehen, daß sie zum einen finanziell tragbar sind und zum anderen die Umwelt nicht so verändern, daß die Menschen Schwierigkeiten damit hätten, das zu akzeptieren. Es geht aber auch nicht nur darum, daß man Lösungen nur schmackhaft macht. Wir müssen einfach verschiedene vorstellen mit ihren Vorteilen, Nachteilen und Nebenwirkungen wie bei jedem Medikament und sie dann öffentlich zur Diskussion stellen.

SB: Viele Wissenschaftler, mit denen wir in der letzten Zeit gesprochen haben, sagen, es gibt eigentlich das technische Know How, man muß es nur anwenden. Teilen Sie diese Ansicht?

KL: Ja, ich glaube, wir haben eine ganze Menge, sowohl technisches als auch prozeßmäßiges Verständnis, um zu wissen, was man machen kann. Das Problem ist meistens der Preis, den wir dafür zahlen. Und natürlich wird das dann auch immer wieder von Skeptikern grundsätzlich in Frage gestellt. Da bin ich der Meinung, daß wir augenblicklich ein zeitliches und auch ein ökonomisches Fenster haben, so daß wir uns eigentlich erlauben könnten, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Falls sich die Wirtschaftskrise so weiterentwickelt wie bisher, werden wir nach einer gewissen Zeit nicht mehr die Möglichkeiten haben, solche Maßnahmen überhaupt zu ergreifen. Denn wenn erstmal die Anfänge eines wirklich drastischen Klimawandels spürbar sind, kann man wahrscheinlich auch durch Gegensteuern nicht mehr viel erreichen. Das Zeitfenster und das ökonomische Fenster sind jetzt da, deswegen müssen wir genau jetzt etwas machen.

Foto: © 2012 by Schattenblick

Prof. Dr. Karin Lochte
Es müssen Lösungen angeboten werden, die von der Bevölkerung angenommen werden können.
Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: An welche Maßnahmen haben Sie gedacht? Wären für Sie auch die sogenannte Meeresdüngung, also das Ausbringen von Eisensalzen oder andere als Geo-Engineering diskutierte Verfahren eine Möglichkeit, die Klimaerwärmung einzudämmen?

KL: Wir haben im Alfred Wegener Institut die Meeresdüngung mit Eisen im Südozean aufgrund unseres Wissens durchgeführt, daß es während der Eiszeiten natürliche Meeresdüngungen gegeben hat, indem einfach mehr Staub in den Ozean geweht ist. Außerdem müssen wir wissen, wie ein Ökosystem auf derartige Einflüsse reagiert, um unsere Modelle zu verbessern. Auch Eisberge sind eine natürliche Eisendüngung. Ich glaube aber nicht, daß diese Maßnahme irgendetwas dazu beitragen kann, den Klimawandel abzubremsen. Die Größenordnungen, mit denen man das durchführen muß, sind einfach viel zu riesig. Das ist meiner Ansicht nach der falsche Weg. Der richtige Weg wäre zu sparen, also Energieeinsparungen vorzunehmen und zu versuchen Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen. Aber vom "Rumdoktern" an der Natur halte ich persönlich nichts. - Es könnten aber einmal Situationen eintreten, in denen so massive klimatische Veränderungen stattfinden, zum Beispiel weil der Himalaya abschmilzt oder ähnliches, daß der politische Druck, etwas tun zu müssen, extrem anwächst. Dann müssen wir genau wissen, was diese Maßnahmen im einzelnen bedeuten, um Wahlmöglichkeiten zu haben.

SB: Wäre das auch der Grund, warum das Alfred-Wegener-Institut solche Untersuchungen durchführt?

KL: Ja, ich glaube, da darf man sich keine Barrieren aufbauen. Die Tatsache, daß man die Untersuchungen macht, heißt nicht, daß man das auch tatsächlich anwenden muß. Das ist ganz wichtig. Aber bevor man sich entscheidet, irgendetwas tatsächlich ernsthaft ins Auge zu fassen, sollte man die Nebenwirkungen wie auch die positiven Wirkungen genau kennen: Wie viel bringt uns das überhaupt, wenn wir den Ozean düngen?

SB: In welchen Größenordnungen haben Sie bisher Versuche durchgeführt? Reicht das bereits, um über mögliche Konsequenzen Aufschluß zu geben? Und lassen sie sich auf realistisch benötigte Mengen hochrechnen?

KL: Insgesamt wurden weltweit elf Eisendüngungs-Experimente durchgeführt, einige im Pazifik und einige im Südozean. Diese Versuche sind von einer mittleren Größenordnung, das heißt ungefähr 200 Quadratkilometer. Das hört sich groß an, ist aber im Vergleich zu den riesigen Flächen des Ozeans nicht sehr viel.

Man konnte daran schon sehen, daß in einigen Gebieten das Wachstum von Algen angeregt wird. Unser letzter Versuch[1] hat allerdings auch gezeigt, daß dies nur unter bestimmten Bedingungen funktioniert. In diesem Fall war bereits vorher schon durch den Küsteneinfluß Eisen ins Meerwasser gelangt, so daß die Algen, die da gewachsen sind, sofort wieder weggefressen wurden. Das waren zudem andere Algenarten und so hatten wir im Grunde unfreiwillig ein Fütterungsexperiment für die kleinen Krills, kleine Krebse, gemacht, statt daß wir CO2 gebunden und abgeführt haben. Die haben sich damit den Bauch vollgeschlagen und das ist auch ein Effekt. Aber lange nicht alles, was man in der Richtung macht, führt zu einer wirklich groß angelegten CO2-Aufnahme im Ozean.

Foto: © Harry Berger (Tigerente) 4. Mai 2010 - (über wikimedia zur Verwendung freigegeben)

Ein kleiner, verfressener Krill zeigte den Forschern eine der Grenzen ihres CO2-Speicherkonzepts
Lateralansicht von Eudiaptomus vulgaris (Calanoida), einem winzigen Ruderfußkrebs, der sich von Algen ernährt
Foto: © Harry Berger (Tigerente) 4. Mai 2010
(über wikimedia zur Verwendung freigegeben

SB: Da scheint man recht komplexe, ökologische Zusammenhänge bedenken zu müssen, ehe man eingreift.

KL: Das Meer ist ein sehr komplexes Ökosystem. Und das ist eben auch der Punkt. Solche Systeme lassen sich nicht einfach an- und auszuschalten, sondern die haben verschiedene Mechanismen, wie sie solche Umweltveränderungen beantworten und die muß man verstehen. Nur dann kann man etwas machen.

SB: Wenn Sie nun wissen, daß dieser Mechanismus Eisenionen braucht, und Sie geben ein Eisensalz ins Meer, dann bleibt doch etwas übrig, was nicht gebraucht wird. Wo bleiben in diesem hochkomplexen System dann beispielsweise die Anionen?

KL: Das wäre in diesem Fall Sulfat. Denn wir benutzen ja Eisensulfat.

SB: Wird das Meer davon nicht auch noch sauer?

Prof. Dr. Karin Lochte - Foto: © 2012 by Schattenblick

Wir müssen uns fragen, welchen Lebensstil wir uns überhaupt noch mit der jetzt vorhandenen Weltbevölkerung erlauben dürfen.
Foto: © 2012 by Schattenblick

KL: Wir haben sowieso schon relativ viel Sulfat im Meer. Das heißt, von pH-Veränderungen wüßte ich nichts, zumal die Mengen, die hier verwendet werden, relativ gering sind. Man braucht ja nur geringste Mengen an Eisen. Es ist eigentlich ein Spurenelement. Und was wir dann einbringen, wird durch den im Meerwasser vorhandenen Carbonatpuffer sehr gut in einem verträglichen Bereich gehalten. Auf den pH-Wert sollte sich die Düngung nicht besonders auswirken. Ich habe jedenfalls keine Informationen darüber. Da gibt es andere Sachen, die schwieriger zu beantworten wären.

SB: Ist Eisen denn nicht der einzige begrenzende Faktor für die Algenblüte, oder welche anderen "Sachen" kämen da noch in Frage?

KL: In dem Gebiet im Südozean haben wir natürlich genug Phosphat und Nitrat. Dort sind die sogenannten Markonährstoffe in ausreichender Menge vorhanden. Wenn man allerdings in den Pazifik geht, da wird es irgendwann vor allen Dingen an Silikat eng, aber auch andere essentielle Nährstoffe sind dort nicht unbegrenzt vorhanden. Die Eisendüngung kann auch nur eine gewisse Erhöhung des Wachstums erzeugen, bis dann andere begrenzende Werte greifen.

SB: Dann müßte man praktisch noch mit Silikaten und anderen Mineralien nachdüngen?

KL: Ja, und das wird dann wirklich langsam blödsinnig. - Also Silikat ist ein ganz wichtiger begrenzender Faktor, der am ehesten verbraucht wird und nicht mehr verfügbar ist. Dieses begrenzte Vorkommen ist natürlich auch ein wesentlicher Faktor für das beeinträchtigte Wachstum von Kieselalgen und das sind genau die Algen, die mehr als andere bedeutende Mengen an CO2 binden.

SB: Ich glaube, eine Alge namens "Emiliania" wurde 2009 wegen ihrer klimatologischen Relevanz zur Alge des Jahres gekürt und häufiger im Zusammenhang mit dem Alfred Wegener Institut genannt. Untersuchen Sie die verschiedenen Algenspezies auch auf ihre geeigneten Fähigkeiten? Gibt es da unter den Algenarten besonders CO2-hungrige Exemplare? Oder welche, die besonders viel Eisen fressen und schnell wachsen? Was sind da die Kriterien?

KL: Ja, Emiliania huxleyi. Das ist eine Kalkalge. Die tritt hauptsächlich im Nordatlantik auf und macht diese kleinen Kalkplättchen, die das Licht sehr stark reflektieren. Man kann sie deshalb sogar vom Satelliten aus sehen. Das sind dann so weißliche Flecken im Meer. - Aber die hat genau den gegenteiligen Effekt.[2]

Filigrane Struktur der Kalkalge Emiliania huxleyi, mikroskopische Aufnahme - Foto: © 2011 by Alison R. Taylor (University of North Carolina Wilmington) über Wikimedia zur Veröffentlichung freigegeben

Auch Emiliania kann einen Strich durch die Geo-Engineering-Rechnung machen. Wenn sie wächst, setzt sie zunächst einmal CO2 frei.
Foto: © 2011 by Alison R. Taylor (University of North Carolina Wilmington) über Wikimedia zur Veröffentlichung freigegeben

SB: Wie muß man das verstehen?

KL: Wenn Emiliania ihre Kalkpanzer ausbildet, setzt sie dadurch auch CO2 frei. Das hängt mit dieser komplizierten Carbonatchemie im Ozean zusammen. Emiliana setzt also eigentlich CO2 aus dem Meerwasser frei.[2, 3] Das ist aber nicht das, was wir erreichen wollen. Wenn man CO2 binden will, dann braucht man Algen, die sehr viel Biomasse aufbauen, also sehr viel Kohlenstoff in ihrer Biomasse binden und dann möglichst schnell absinken. Und das können vor allem die Kieselalgen, die Diatomeen. Aber deswegen ist Kieselsäure auch ein wachstumsbegrenzender Faktor, denn ohne Silikate können Kieselalgen keine Schalen bilden.

SB: Und wenn Kieselsäure im Meer begrenzt vorkommt, macht auch Eisendüngung wenig Sinn. Was wären denn aus Ihrer Sicht die wichtigsten und vor allem machbaren Schritte für das künstlich gesetzte Ziel, die globale durchschnittliche Erderwärmung nicht weiter als zwei zusätzliche Grad ansteigen zu lassen?

KL: Wir wollen und müssen versuchen, dieses Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Für uns heißt das meines Erachtens, in erster Linie das vorhandene Einsparungspotential in Stellung zu bringen. In einem noch viel größerem Maße bedeutet das auch den Ausgleich an Lebensstil zwischen den armen und den reichen Nationen. Wir können nicht erwarten, daß wir so weiterleben, ohne daß auch die anderen Staaten diesen Lebensstil erreichen sollen. Wenn man aber wirklich allen Schwellenländern und Entwicklungsländern den gleichen Lebensstil zubilligt wie uns, dann reichen die Ressourcen dieser Erde tatsächlich nicht mehr aus. Das ist einfach so. Allein deshalb muß man sich darüber wirklich Gedanken machen. Anders gesagt, müssen wir uns fragen, welchen Lebensstil wir uns denn überhaupt noch mit der jetzt vorhandenen Weltbevölkerung erlauben dürfen. Was bedeutet das für uns? An der Antwort auf die Frage ist Kopenhagen gescheitert und Rio eigentlich auch. Die Maßnahmen, die wir hier sicherlich ergreifen könnten, sind beispielsweise Energie-effizientere Maschinen und die Abkehr von der Nutzung fossiler Brennstoffe. Erneuerbare Energiekonzepte müssen ausgebaut werden. Das wird uns aber auch einiges kosten, auch an Fragen, wo wir überhaupt diese ganzen Windräder hinstellen und was wir mit der Solarenergie machen sollen. Die Gegend sieht dann auch nicht mehr so schön aus wie jetzt ...

Aber es wird klimatische und globale Änderungen geben, an die wir uns anpassen müssen. Es hat sie in der Vergangenheit immer gegeben. Wir haben die letzten zehntausend Jahre ziemlich konstant gelebt, aber selbst die Sonne ändert sich. Es kann immer wieder mal "ups" und "downs" geben. Und dafür müssen wir eine Widerstandskraft aufbauen. Im Endeffekt heißt das, die Chancen für die Bevölkerung auf der Erde werden neu verteilt werden. Es wird einige Regionen geben, in denen es sich besser leben läßt, Sibirien, Nordkanada und ähnliche Gebiete. Und es wird andere geben, wo die Lebensbedingungen unerträglich sein werden. Wie sich das in Zukunft entwickeln wird, müssen wir erstmal genau herausfinden: Wo gibt es noch Chancen, wo gibt es Schwierigkeiten und wie können wir die Schwierigkeiten irgendwie abfedern?

SB: In unserem Gespräch mit Herrn Professor Kiesling[3] hieß es, daß sich diese Veränderungen in der Vergangenheit und die Anpassung des Lebens daran allmählich über sehr lange Zeiträume von Jahrmillionen erstrecken mußten, damit dies ohne Schaden für das Leben möglich ist. Das bezog sich zwar auf die Meeresversauerung, scheint aber auch für jede andere Veränderung plausibel. Sind die Zeiträume für eine Adaption nicht bereits zu knapp?

KL: Die Versauerung schreitet sehr langsam voran. Es wird natürlich Veränderungen in der Biodiversität geben. Aber wir haben in der Vergangenheit schon mal sehr hohe CO2-Werte gehabt, vor 4 Millionen Jahren ungefähr, und das haben die Organismen auch überlebt. Insofern wird dann die Umwelt etwas anders aussehen, aber die Organismen werden die Anpassung schon schaffen.

Viel schwieriger sind meiner Ansicht nach die Probleme, die durch die klimatischen Veränderungen der Lebensbedingungen in den sogenannten 'Marginal Zones' auftreten werden. Der Mensch nutzt diese Gebiete so stark, daß sie kaum noch regenerierbar sind. Die Adaptationen, die wir hier erreichen können, um der Temperatur oder der Wasserversorgung zu begegnen, sind eigentlich nur mit Hilfe von technischen Innovationen möglich: leistungsfähigere Meerwasser-Entsalzungsanlagen, Beregnungsanlagen und was man sich sonst noch alles ausdenken kann. Wir können uns nicht mehr biologisch adaptieren, das geht tatsächlich nicht mehr.

SB: Frau Professor Lochte, wie bedanken uns für das Gespräch.

Prof. Dr. Karin Lochte im Gespräch mit SB-Redakteurin - Foto: © 2012 by Schattenblick

Foto: © 2012 by Schattenblick


Anmerkungen

[1] Karin Lochte spricht hier von der Polarsternexpedition Lohafex, die am 17. März 2009 Punta Arenas, Chile erreichte. Die Wissenschaftler führten dort ein Eisendüngungsexperiment durch, bei dem sie sechs Tonnen gelöstes Eisen in ein 300 Quadratkilometer großes Gebiet einbrachten, das innerhalb eines Meereswirbels von 100 Kilometern Durchmesser lag. Die Zugabe von Eisen regte wie erwartet das Wachstum von Kleinalgen (Phytoplankton) an. Die Algen verdoppelten ihre Biomasse innerhalb von zwei Wochen, indem sie CO2 aus dem Wasser nutzten. Ruderfußkrebse (Copepoden) stoppten ein weiteres Anwachsen der Algenblüte, da sie die Kleinalgen fraßen und dadurch eine größere Blüte verhinderten. Die Algenarten, die für Blüten in küstennahen Gewässern inklusive der Antarktis verantwortlich sind, wurden am stärksten gefressen. Bis zum Ende des Experiments sank wegen des hohen Fraßdrucks nur eine geringe Menge an Kohlenstoff zum Meeresboden ab. So wurde während der Lohafex-Blüte weniger CO2 aus der Atmosphäre im Ozean aufgenommen als bei früheren Eisendüngungsexperimenten. Darüber hinaus konnten die gewünschten Diatomeen hier nicht wachsen, da die Kieselsäure, die sie für ihr Wachstum benötigen, im Untersuchungsgebiet durch vorherige natürliche Blüten aufgezehrt worden war, die wahrscheinlich durch den Eiseneintrag aus schmelzenden Eisbergen oder Staub aus Patagonien entstanden waren. Ein Hauptergebnis des Experiments ist dementsprechend, daß das Wachstum anderer Kleinalgen durch Eisendüngung stimuliert werden kann, sie aber keine so großen Blüten bilden können wie Kieselalgen, da ihnen der Fraßschutz fehlt. Dementsprechend würde eine Düngung der riesigen subantarktischen Zone (die Hälfte der Fläche des Südozeans, die zwischen der Polarfront und der Subtropischen Konvergenz liegt) mit Eisen wahrscheinlich nicht dazu führen, daß bedeutende Mengen CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden könnten, da der Gehalt an Kieselsäure im Oberflächenwasser dieses Gebietes zu gering ist.

Siehe:
http://www.deepwave-blog.de/2009/03/23/eisenexperiment-bindet-wenig-kohlendioxid-5814562/

[2] Coccolithen wie Emiliania haben für Laien meist unverständlich einen gegenteiligen Effekt auf die CO2-Konzentrationen im Meerwasser, obwohl bei der Kalkbildung gelöster anorganischer Kohlenstoff dem Meerwasser entzogen wird. Bei der Bildung von Kalk (CaCO3) reagieren jedoch Hydrogencarbonat (HCO3-) und Calciumionen (Ca2+) miteinander und dabei wird flüchtiges CO2 produziert. Die Produktion und der vertikale Transport von Kalk, die sogenannte Carbonatpumpe, muß aber nicht immer zu einem CO2-Anstieg im Oberflächenwasser führen. Bei Arten wie Emiliania können die Coccolithen aufgrund der hohen Dichte das relativ leichte organische Material beschweren und so auch den Export der organischen Kohlenstoffpumpe steigern. Die winzigen Coccolithophoriden beeinflussen über diese komplexen Prozesse maßgeblich die CO2-Aufnahmekapazität der Ozeane und damit unser Klima. Der menschenverursachte Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentrationen führt neben einem Anstieg im gelösten CO2 auch zu einer Versauerung der Meere. Wie sich dies nun auf Prozesse wie Photosynthese und Kalzifizierung auswirkt und letztlich auf die Fähigkeit von Emiliania, Kohlenstoff zu binden und in die Tiefsee zu transportieren, ist Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung.

Siehe:
http://www.awi.de/de/aktuelles_und_presse/hintergrund/art_des_monats/april/
und wird auch hier beschrieben:

[3] INTERVIEW/012: Ozeanversauerung - Eine neue Studie gräbt Klimaskeptikern das Wasser ab, Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Kießling (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0012.html

Foto: © 2012 by Schattenblick

Veranstaltungsort Hörsaal H auf dem Telegrafenberg in Potsdam
Foto: © 2012 by Schattenblick

18. September 2012