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INTERVIEW/151: Klimarunde, Fragestunde - Folgen kaum absehbar ...    Prof. Mark Lawrence im Gespräch (SB)


Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions

Scandic Hotel, Berlin, 18. - 21. August 2014

Prof. Mark Lawrence über das Lernen bei seinem Doktorvater Paul Crutzen, die Bedeutung des Geoengineerings und seine Erkenntnisse aus der CEC'14



Manchmal weckt es Widerspruch, wenn sich jemand selbst lobt, aber Klaus Töpfer dürfte damit auf allgemeine Zustimmung des Publikums gestoßen sein. Der Exekutivdirektor des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) lobte sich bei der abschließenden Podiumsdiskussion der "Climate Engineering Conference 2014" (CEC'14) im Haus der Kulturen für seine Entscheidung, im Jahr 2011 den damals mit 42 Jahren relativ jungen und aus den USA stammenden Atmosphärenforscher Mark Lawrence zum wissenschaftlichen Direktor eines neuen deutschen Forschungsinstituts ernannt zu haben. Lawrence trug gemeinsam mit seinem Kollegen Stefan Schäfer die Hauptverantwortung für die CEC'14, die aufgrund des Konzepts, eine breite Debatte über Geoengineering anstoßen zu wollen und nicht nur Stimmen aus der Naturwissenschaft, sondern auch aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, aus Politik, Wirtschaft und der sogenannten Zivilgesellschaft zu Wort kommen zu lassen, als gelungen bezeichnet werden kann.

Das allein als Verdienst Mark Lawrences zu bezeichnen, griffe allerdings zu kurz, schien doch das gesamte IASS auf den Beinen gewesen zu sein, um als Team, vor und hinter der Bühne fachlichen Disputs, die Konferenz zu ihrem Erfolg zu führen. Nur ein Beispiel, stellvertretend für viele kleinere und größere Begebenheiten, soll dies veranschaulichen: An jeder Session und jedem Panel nahm mindestens eine Helferin oder ein Helfer teil, erkennbar an ihren himmelblauen T-shirts. In einer der Sessions wurde sogar der Wunsch eines jungen Konferenzteilnehmers, ihm doch, bitte schön, ein Kissen für seinen offenbar strapazierten Rücken zu besorgen, mit professioneller Nachsicht erfüllt.

Beim Interview - Foto: © 2014 by Schattenblick

Prof. Mark Lawrence
Foto: © 2014 by Schattenblick

Am IASS leitet Prof. Lawrence den Forschungscluster SIWA, Sustainable Interactions with the Atmosphere (deutsch: Nachhaltige Interaktionen mit der Atmosphäre). Hierbei geht es laut Selbstdarstellung des Instituts um die Frage, "wie der Mensch als treibende Kraft des Anthropozän die Zusammensetzung der Atmosphäre beeinflusst, wie sich dies wiederum auf Menschheit und Natur auswirkt und wie diese Interaktion nachhaltiger gestaltet werden kann". Auch die "potentiellen Auswirkungen, Unsicherheiten und Risiken von 'Climate Engineering'" zählen zu den Forschungsschwerpunkten von SIWA. [1]

Am Rande der Konferenz war Prof. Lawrence bereit, dem Schattenblick einige Fragen zu beantworten:


Schattenblick (SB): Herr Lawrence, Sie haben bei Paul Crutzen gelernt, inwiefern sehen Sie sich in der Tradition Ihres Doktorvaters?

Prof. Mark Lawrence (ML): Ich sehe mich in mancher Hinsicht sehr in der Tradition meines Doktorvaters. Paul Crutzen hat mir beigebracht, dass man zunächst durch einfaches Denken und einfache, sogenannte "back-of-the-envelope"-Berechnungen, indem man also etwas grob überschlägt, einsteigen kann, um sich eine erste Grundlage zu verschaffen, bevor man sich in die Komplexität der Erdsystemmodelle stürzt. Ich wende dies regelmäßig in Meetings und auf Konferenzen an. Beigebracht hat er mir auch, sehr, sehr gewissenhaft zu arbeiten, wenn man dann tiefer eingestiegen ist, aber gleichzeitig stets den Blick über den Tellerrand zu behalten.

SB: Noch vor wenigen Jahren galt unter Wissenschaftlern Geoengineering als Plan B. Was ist Ihr Eindruck, wird aus Plan B allmählich Plan A, trotz der vielen Unsicherheiten?

ML: Nein, das glaube ich nicht. Geoengineering wird nach wie vor als Plan B beziehungsweise allenfalls als Ergänzung zur Reduktion der Treibhausgase sowie zur Anpassung an den Klimawandel diskutiert. Wobei es bei Geoengineering - auch Climate Engineering genannt - sehr wichtig ist, zwischen Maßnahmen zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre und Maßnahmen zur Modifikation der Sonneneinstrahlung zu differenzieren. Die Kohlendioxid-Entfernung würde gegebenenfalls Jahrzehnte dauern, bevor sie effektiv sein könnte, dann wäre diese Maßnahme als eine Ergänzung zu sehen und nicht als Plan B.

Das Gleiche gilt für Techniken zur Modifikation der Sonneneinstrahlung. Deren gezielter Einsatz wäre ebenfalls kein Plan B, sollte die Minderung der CO2-Emissionen nicht gelingen, da man die Wirkungen von weiterhin steigenden Treibhausgaskonzentrationen nicht vollständig mit solchen Techniken rückgängig machen kann. Die Modifikation der Sonneneinstrahlung könnte höchstens eine ergänzende Maßnahme dazu sein, wenn tatsächlich Extrembedingungen des Klimas eintreten. Aber bevor man solche Maßnahmen als Plan B in Betracht zieht, müsste man natürlich alle derzeit bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkungen solcher Klimamanipulationen auf unser Erdsystem klären und auch die dadurch aufgeworfenen Fragen der Ethik und Regulierung beantworten können.

SB: Kernphysiker, die an der Entwicklung der Atombombe mitgewirkt haben, haben das hinterher bereut, nachdem sie eingesetzt worden war. Stellt sich einem Forscher des Geoengineerings diese Frage ebenfalls?

ML: Ein Forscher, der daran mitwirkt, Maßnahmen zu entwickeln, bevor die ganzen sozialen und politischen Konsequenzen ausgearbeitet sind, muss sich meines Erachtens eine solche Frage stellen. Wir betrachten die Problematik als eine, die im Raum steht und nicht von selbst verschwinden wird. Deshalb erforschen wir an unserem Institut zunächst gezielt die schwierigen Governance- und ethischen Fragen, damit es nicht zu einem unregulierten, unkontrollierbaren oder auch unethischen Einsatz von Geoengineering kommen wird. Nichtsdestotrotz machen wir uns natürlich Sorgen über die mögliche ungewollte oder implizite Legitimation, indem allein schon durch die Erforschung dann die Motivation für Mitigationsmaßnahmen geschwächt wird. Solche Fragen beziehen wir bewusst in unsere Forschung mit ein.

SB: Muss man in Zukunft nicht nur mit Klimawandelflüchtlingen rechnen, sondern auch mit Geoengineering-Flüchtlingen?

ML: Das halte ich für unwahrscheinlich. Man könnte allerdings in Zukunft mit Geoengineering-Konflikten, also "climate engineering conflicts", rechnen. Wenn man von Climate-Engineering-Flüchtlingen spricht, dann wären sie im Grunde genommen immer noch Klimawandelflüchtlinge, nur wäre der Klimawandel in dem Fall teilweise gesteuert, anstelle des zur Zeit ungewollten oder unbeabsichtigten Klimawandels.

SB: Einige der chemisch ausgerichteten Geoengineering-Konzepte sehen vor, dass der Sauerstoff gebunden wird, zum Beispiel durch die Oxidation von Schwefelpartikeln in der Atmosphäre oder durch die Bindung von Kohlendioxid an Gestein. Was weiß die Forschung über die Wirkung dieser Verfahren auf die Sauerstoffkonzentration?

ML: Man kann mit Sicherheit sagen, dass die Maßnahmen zur Schwefel-Injektion keinen merkbaren Effekt auf den Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre hätten. Bei Schwefel-Injektionen bewegt man sich in einer Größenordnung von Teilchen pro Milliarden, was bedeutet, dass der Einfluss auf den Sauerstoffgehalt weniger als ein Millionstel von einem Prozent betragen würde.

Da CO2 einen wesentlich größeren Anteil an der Gesamtmenge des atmosphärischen Sauerstoffs bindet, könnte man zunächst eher hier eine Auswirkung auf Sauerstoff vermuten. Allerdings ist der CO2-Gehalt z. Zt. ca. 0,04%, daher hätten wir auch hier am Ende keine merkbare Auswirkung auf die rund 21 Prozent Sauerstoff in der Atmosphäre.

SB: Haben Sie persönlich neue Erkenntnisse aus der Konferenz gewinnen können?

ML: (lacht) Wo soll ich anfangen? Ein großes Ja. Die Erkenntnisse sind größtenteils nicht naturwissenschaftlicher Natur, sondern haben mit dem Umgang zwischen Wissenschaftlern und gesellschaftlichen Stakeholdern wie Nichtregierungsorganisationen, aber natürlich auch mit dem Umgang der Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zu tun. Es ist uns gelungen, über diese vielen Grenzen hinweg verschiedene Aspekte des Climate Engineerings konstruktiv zu diskutieren. Bei manchen Sessions haben wir genau den Punkt getroffen, das hat prima funktioniert. Ich denke da beispielsweise an die Session mit Pablo Suarez von der Organisation Red Cross/Red Crescent, in der einfache Spiele verwendet wurden, um Botschaften rüberzubringen, oder auch an das große Interesse der Konferenzteilnehmer an Kunst als Mittel der Darstellung und Reflexion. Bei anderen Formaten haben wir gelernt, dass sie nicht optimal funktionieren, und Anregungen gewonnen, wie wir das beim nächsten Mal noch besser machen können.

SB: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben.


Fußnoten:

[1] http://www.iass-potsdam.de/de/forschungscluster/nachhaltige-interaktionen-mit-der-atmosphare-siwa


Zur "Climate Engineering Conference 2014" sind bisher in den Pools
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und
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unter dem kategorischen Titel "Klimarunde, Fragestunde" erschienen:

BERICHT/088: Klimarunde, Fragestunde - für und wider und voran ... (SB)
Ein Einführungsbericht

INTERVIEW/149: Klimarunde, Fragestunde - Hört den Wind ...    Pene Lefale im Gespräch (SB)
INTERVIEW/150: Klimarunde, Fragestunde - defensiv zur Sicherheit ...    Prof. Jürgen Scheffran im Gespräch (SB)

1. September 2014