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INTERVIEW/167: Klimarunde, Fragestunde - hoffen, klären und Ideen ...    Dr. Francesc Montserrat im Gespräch (SB)


Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions

Scandic Hotel, Berlin, 18. - 21. August 2014

Francesc Montserrat darüber, welche Rolle der Zerfall von Steinen und kleine Würmer für das Klimageschehen haben und wann es eine gute Idee sein könnte, zermahlene Berge im Meer zu versenken.



Die großtechnischen Eingriffe in globale, ökologische Abläufe, Geoengineering, die als Möglichkeit, das Klimasystem im Notfall zu stabilisieren, diskutiert werden, teilen sich per Definition in zwei Maßnahmen-Kategorien. Die Methoden der ersten Gruppe sollen einen Teil der Sonnen- und Wärmestrahlen wieder in den Weltraum zurückreflektieren und so oder anders die Nettoeinstrahlung kurzwelliger Sonnenstrahlen verringern (Solar Radiation Management SRM), wodurch die Atmosphäre in Bodennähe abgekühlt würde. Damit ließen sich aber nicht die Ursachen der Klimaerwärmung, die erhöhte Treibhausgaskonzentration, korrigieren, sondern nur Symptome verändern. Risiken und Nebenwirkungen eines damit verbundenen chemischen Eingriffs in die Atmosphäre (wie Schwefelsäureaerosole) wären dagegen immens. Die Änderung der Temperatur- und Niederschlagsverteilung in vielen Regionen weltweit und ihre uneinschätzbaren Auswirkungen neben den verheerenden Folgen für Landwirtschaft und Ernährung wären nur ein Ausschnitt der daraus entstehenden Probleme.

Die naheliegende Idee, die Ursache selbst anzugehen und den für den Treibhauseffekt verantwortlichen Überschuß an "Isolationsmaterial", Kohlenstoffdioxid (CO2), wieder mit technischen Mitteln aus der Atmosphäre herauszuziehen, wird der zweiten Kategorie zugerechnet, die unter dem Fachterminus CDR-Technologien (Carbondioxide Removal, Entfernung von Kohlendioxid) sämtliche Methoden zusammenfaßt, die genau das versprechen. An diesen läßt sich generell aussetzen, daß sie äußerst kostenintensiv sind und der daraus resultierende Effekt erst mit einiger Verzögerung einsetzt. Für einen akuten Notfallschalter, etwa für einen globalen Klimathermostaten, würden sie nicht in Frage kommen.

Was die möglichen Gefahren angeht, so scheinen die CDR-Technologien in dem großen Katalog der technischen Unsicherheiten, die auf der CEC'14 neben den vielen noch ungeklärten ethischen, philosophischen, sozialen, politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen thematisiert und diskutiert wurden, zumindest oberflächlich betrachtet, ein wenig absehbarer zu sein.

Schematische Darstellung des CCS-Verfahrens - Grafik: 2003 by Wilfried Cordes [CC-BY-SA-2.0-de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Treibhausgase abfangen und speichern - andere nennen es Dreck machen und anschließend aufräumen.
Grafik: 2003 by Wilfried Cordes [CC-BY-SA-2.0-de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Neben der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid an den Orten ihrer Entstehung (CCS - Carbon Capture and Storage), Methoden der CO2-Abscheidung aus der Umgebungsluft (künstliche Bäume), Kohlenstoffspeicherung in Biokohle und -masse, Aufforstung, Ozeandüngung oder -kalkung oder die Versenkung von Ernteabfällen gehört auch die Nutzung von Verwitterungsprozessen zu den Methoden, wie sich CO2 fixieren und dauerhaft aus den atmosphärischen Kreisläufen entfernen läßt.

Dr. Francesc Montserrat vom NIOZ - Koninklijk Nederlands Instituut vorr Zeeonderzoek (Königlich Niederländisches Institut für Meeresforschung) - ist eigentlich ein auf benthische Meeresbewohner spezialisierter Meeresbiologe. Inzwischen zählt er zu den Wissenschaftlern, die an experiementellen Grundlagen und Computermodellierungen des sogenannten "Enhanced Mineral Weathering (EMW)" forschen. Sie nutzen die Erkenntnis, daß für die Verwitterung von Felsgestein Kohlenstoffdioxid (CO2) verbraucht wird, indem er über chemische Prozesse der Atmosphäre entzogen und dann als lösliches Calciumhydrogencarbonat oder festes Calciumcarbonat in die Flüsse ausgewaschen und in die Ozeane gespült wird [1]. Auf diese Weise - so die Hoffnung - verschwindet es für Jahrtausende aus dem aktiven Kohlenstoff-Kreislauf. Der natürliche Prozeß verläuft nur sehr langsam. Laut einer Studie der Royal Society (2009) wird nur 0,1 Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr durch Verwitterungsprozesse gebunden. Dr. Montserrat und seine Kollegen hoffen, diesen natürlichen Vorgang extrem zu beschleunigen, indem sie nach Möglichkeiten suchen, wie man Steine besonders leicht, schnell und in großen Mengen verwittern lassen kann und welche Flächen sich dafür besonders gut eignen. Sieben Kubikkilometer pro Jahr Steine müßten mittels "Turboverwitterung" künstlich zersetzt und verbraucht werden, damit relevante Mengen CO2 aus der Atmosphäre entzogen werden könnten. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, tiefe Löcher in entsprechende silikathaltige Gesteinsformationen zu bohren und CO2 hineinzupressen, um den Berg gewissermaßen von innen heraus "verwittern" zu lassen. Im Rahmen der CEC'14 sprach der Schattenblick mit dem Wissenschaftler über die Begleiterscheinungen und eine spezielle Nutzungsmöglichkeit dieser Methode.

Foto: © 2014 by Schattenblick

'Viele Fragen müssen geklärt werden, ehe wir nur daran denken können, Olivin in relevanten Maßstäben ins Meer zu streuen.' - Dr. Francesc Montserrat
Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Die Session in der Sie Ihren Vortrag gehalten haben, stand unter dem Titel: "Enhanced Mineral Weathering - Potential and Consequences", Beschleunigtes Verwittern von Mineralien - Möglichkeit und Folgen". Was muß sich ein Laie darunter vorstellen?

Francesc Montserrat (FM): Darunter versteht man ganz einfach, daß vor allem ganz bestimmte, leicht verwitterbare Mineralien auf großen, dafür geeigneten Flächen verteilt werden. Dabei handelt es sich um spezielle Mineralien, die für ihre Verwitterung das CO2 aus dem Regenwasser, Grundwasser oder auch aus dem Meerwasser brauchen, zum Beispiel Silikate. Erforderlich wären dafür aber sehr große Mengen an Silikatmineralien, die abgebaut, zerkleinert und fein gemahlen werden müßten, um ihre Oberfläche so zu vergrößern, daß sie ausreichend CO2 "konsumieren" können. Wir nennen diese CO2-Aufnahme "Sequestrieren". Geeignete Flächen können beispielsweise landwirtschaftlich genutzte Gebiete oder auch Regenwälder sein. Die Pflanzen könnten ein Teil der Mineralien als Nährstoffe aufnehmen. Letztlich können die Stoffe aber überall verwittern. Es hängt manchmal von der Mineralienart ab, die man nutzt und auch davon, welchen weiteren Zweck man damit verfolgt. So ließe sich beispielsweise die Menge an künstlichem Mineraldünger reduzieren, wenn man das Gesteinsmehl auf landwirtschaftlichen Flächen ausbringt. Das wäre in aller Kürze das Prinzip der beschleunigten Silikat-Carbonat-Verwitterung.

SB: Sie befassen sich selbst vor allem mit der Turboverwitterung in marinen Umgebungen. [2] Welche Vorteile könnte die Verwitterung im Meer gegenüber terrestrischen Methoden haben?

FM: Zunächst einmal ist die Verteilung im Meer verhältnismäßig einfacher. Man muß ja in jedem Fall gewaltige Gesteinsmengen irgendwo abbauen. Und die besten Transportmöglichkeiten für große Volumenmengen über große Distanzen sind immer noch Schiffe. Wenn man das Zeug aber schon auf dem Schiff hat, dann wäre es natürlich ungeheuer einfach, es einfach an den Küsten ins Meer zu kippen.

Wenn man allerdings nur die Verwitterungsprozesse im Meerwasser betrachtet, dann gibt es dort wieder ein paar spezielle Probleme oder, je nach Standpunkt des Betrachters, auch Vorteile. Denn der chemische Abbau verläuft in Salzwasser natürlich ein bißchen anders als in Süß- oder Frischwasser. Das Meerwasser ist in seiner natürlichen, chemischen Zusammensetzung sehr stark abgepuffert. Manche der im Meer enthaltenen Salze wirken den erwünschten Verwitterungsprozessen sogar regelrecht entgegen. Das heißt, die Verwitterung schreitet im Meer etwas langsamer voran als in Süßwasser. Außerdem ist Meerwasser meist ein kleines bißchen alkalisch. Verwitterungsprozesse brauchen jedoch einen niedrigeren, sauren pH-Wert. Grundwasser oder CO2 angereichertes Regenwasser ist hingegen kohlensauer, was die Zerfallsprozesse beschleunigt.

SB: Sie forschen selbst auch über die Meeresversauerung. Hat sich Ihr Interesse an der beschleunigten Verwitterung von Olivin aus dieser Arbeit ergeben, indem Sie praktisch etwas gegen die Versauerung tun wollten, oder kamen Sie aus anderen Gründen zu diesem Thema?

FM: Ich bin eigentlich Meeresökologe für benthische, also am Meeresboden lebende Organismen. Mein Spezialgebiet ist die Ökologie des Meeresbodens im Küstenbereich und hier habe ich mich vor allem auf die sogenannte Bioturbation konzentriert. Damit ist das Durchwühlen, Durchmischen und Bewegen des Bodens von Lebewesen wie Würmern, Muscheln oder kleinen Schalentieren gemeint und ich habe untersucht, wie sich das auf die Qualität des Meeresbodens auswirkt. Dann kam Prof. Dr. R.D. Schuiling von der Utrecht Universität zu uns und hielt einen Vortrag über die Verwitterung von Olivin. Ursprünglich war es seine Idee, Olivin im Küstenbereich des Meers auszubringen und verwittern zu lassen. Allerdings kannte er sich nicht so gut mit der Meerwasserchemie aus. Deshalb meinte mein derzeitiger Chef, ich solle einmal für ein halbes Jahr versuchen, den speziellen Voraussetzungen für die Olivinverwitterung am Meeresgrund nachzugehen. Und daraus sind inzwischen drei Jahre geworden und ich arbeite immer noch daran.

Typische benthische, im Boden von Gewässern vorkommende Lebewesen, hier ein paar Würmer und Wasserflöhe. - Foto: by NOAA (gemeinfrei) via Wikimedia Commons

Kleine Würmer könnten eine entscheidende Rolle bei der Verwitterung spielen.
Foto: by NOAA (gemeinfrei) via Wikimedia Commons

SB: Anscheinend hatte Ihr holländischer Kollege Dr. Arie Vonk [3] einen etwas skeptischeren Ansatz, was die Rolle von Würmern angeht, die in ihrer Umgebung den Mineralien und chemischen Begleitprodukten des Turboverwitterns ausgesetzt sind. Er meinte, Würmer mögen das einfach überhaupt nicht?

FM: Nun, er benutzt die Würmer, vor allem diese recht kleinen wenigborstigen Ringelwürmer, als Bioindikator. Er untersucht, wie Lebewesen, also beispielsweise eine modellierte Umgebung mit Bodenlebewesen, auf einen Zusatz von Olivin reagieren könnten. Dabei untersuchte er verschiedene Bodenproben aus Lehm und Sand und gab jeweils verschiedene Mengen an Olivin dazu. Diese kleinen und sehr dünnen Würmchen, die er benutzt, haben aufgrund ihrer hohen Körperoberfläche natürlich einen sehr innigen Kontakt mit der Umwelt. Und sie reagierten tatsächlich sehr stark auf Olivin, sie mochten das Zeug überhaupt nicht. Bei etwa 20 Prozent Olivin in den Proben krochen sie heraus und blieben bewegungslos an der Oberfläche sitzen.

SB: Sie kehrten nicht in ihren eigentlich natürlichen Lebensraum, das Sediment, zurück.

FM: Genau, normalerweise würden Würmer das nicht tun, sie wären sonst lebensmüde. Sie bleiben schön in ihrem Sediment. Denn wenn man ein Wurm ist, dann ist man sehr weich und hat viele Freßfeinde. Da ist das Sediment, der Boden, ein ideales Versteck. Wenn sie an die Oberfläche kommen oder auch, wenn benthische Lebewesen aus dem Meeresboden herauskriechen oder im Wasser schwimmen, ist das ihr Todesurteil. Sie bieten sich dann freiwillig als Futter an. Deshalb ist das Herauskriechen ein Zeichen, daß sie sich unter diesen Bedingungen nicht wohl fühlen.

SB: In Ihren Untersuchungen spielen Würmer bei der "Bioturbation" offenbar gerade für die Verwitterungsprozesse am Meeresboden eine essentiell wichtige Rolle. Stellt das nicht die Ergebnisse von Dr. Vonk ein bißchen in Frage?

FM: Nein, nein, das ist überhaupt kein Widerspruch zu Arie Vonks Ergebnissen. Er hat bei seinen Untersuchungen sehr hohe Konzentrationen von Olivin verwendet und die Würmer praktisch unter dem Zeug begraben. Ich hatte in meinem Versuchsbehältnis etwa acht bis neun Zentimeter an Olivin-Gestein. Da ging es den Würmern ganz prima. Natürlich, wenn ich den Versuch über längere Zeit laufen lassen würde, könnte es vielleicht sein, daß die experimentelle Umgebung auch auf sie negative Einflüsse haben könnte. Das könnte schon vor allem deshalb sein, weil es in meinem Versuchsaufbau nichts anderes für sie gibt als Olivin. Und sie bräuchten sicher auch etwas organisches Material zum Fressen, sonst würden sie schon vor Hunger an die Oberfläche kriechen. Aber selbst Arie konnte während seines Experiments nicht mit Sicherheit sagen, was genau an seinem Versuchsaufbau den Würmern nicht gefiel. Er konnte auch nur eine signifikante Verhaltensänderung feststellen und sonst nichts. Das Ganze war also eine Sekundärbeobachtung. Die Würmer machen etwas, das sich komplett von ihrem normalen Verhaltensmuster unterscheidet. Und in diesem Fall kam noch dazu, daß sie sich nicht weiter fortpflanzten. Beides sind starke Indikatoren dafür, daß dort etwas falsch gelaufen sein muß.

Daß die Würmer für die Verwitterungsprozesse eine essentielle Rolle spielen, würde ich im Augenblick lieber noch nicht behaupten. Man kann eine signifikante Steigung der Verwitterungskurve bei einem Versuchsansatz von Olivin mit Würmern im Vergleich zu der Verwitterungskurve von Olivin ohne Würmer feststellen. Aber inwiefern die Würmer zu der Verwitterung beitragen, kann ich noch nicht sagen.

Ich frage mich, ob sie es vielleicht fressen und dann wieder abkoten, so daß ihr Verdauungssystem eine Funktion in dem Verwitterungsprozeß hat. Aber ich konnte das noch nicht eindeutig klären. Vielleicht reicht auch die Tatsache, daß sie Sauerstoff atmen und - wie wir auch - Kohlenstoffdioxid ausatmen und an das Sediment abgeben. Mehr CO2 erhöht dann die Konzentration an Kohlensäure und fördert dadurch die Silikatauflösung. Diese verschiedenen Möglichkeiten sind in den Versuchen bisher aber schwer isoliert zu betrachten. Daher glaube ich nicht, daß meine Ergebnisse die von Arie Vonk in Frage stellen.

SB: Hatten Sie nicht Bilder von sedimentiertem Olivin vor und nach der Wurmverdauung gemacht, die darauf hinweisen, daß Olivin im Darm des Wurms zertrümmert wird? Meinen Sie, daß dadurch eine größere Angriffsfläche für die Verwitterung geschaffen wird?

FM: Ja genau, das war unser Hintergedanke dabei. Die Verwitterungsprozesse an der Oberfläche müßten sich eigentlich selbst ausbremsen, weil sich dabei eine immer dickere Silikatschicht bilden müßte, die den notwendigen chemischen Austausch behindert. Vorstellbar wäre nun zum einen, daß diese Kruste durch die mechanische Reibung und Kollision der Wellenbewegungen abgetragen wird oder daß das bis zu tausendfach saurere Milieu im Magen des Wurms ein Übriges dazu tun könnte, da Silikate in einer sauren Lösung leichter in Lösung gehen als in dem relativ neutralen Meerwasser. [4] Diese Idee will ich überprüfen, und so sammel ich zunächst einmal jeden Tag Kotproben in ein Reagenzglas, daraus isoliere ich die Olivinpartikel, reinige sie und dann werde ich sie mit einem speziellen Mikroskop analysieren.

SB: Waren das nicht diese elektronenmikroskopischen Aufnahmen, die Sie uns gezeigt hatten und die nach dem Verdauungsgang wesentlich blanker und sauberer aussahen als unverdaut?

FM: Das waren rasterelektonenmikroskopische Aufnahmen. Ich spreche von einem noch empfindlicheren, sogenannten EDX-Rasterelektronenmikroskop. Damit läßt sich mit Hilfe von Röntgenstrahlung bereits auf kleinstem Bereich der Probe die Zusammensetzung der einzelnen Elemente Punkt für Punkt identifizieren und lokalisieren. Normalerweise würde ich dann auf einem verwitterten Olivinpartikel ein Silikat neben dem anderen finden. Wenn ich das Muster dann mit einem Partikel vergleiche, der den Verdauungstrakt eines Wurms passiert hat, und ich weniger Silikat, dafür aber Magnesiumionen finde, hätte ich damit eine Bestätigung dafür, daß wir mit unseren Vermutungen nicht falsch liegen. Aber bisher ist noch nichts bewiesen. Wir sind gerade dabei, das zu tun.

SB: Das heißt, es handelt sich erstmal noch um Spekulation?

FM: Ja genau, das ist eine Fragestellung, mit deren Hilfe wir die genauen Zusammenhänge herausarbeiten wollen. Als ich vor drei Jahren damit anfing, hatte ich überhaupt keine Vorstellung davon, was ich eigentlich machen sollte. Ich habe ein Jahr lang einfach nur herumprobiert, denn dieser Bereich war vollkommenes Neuland. Im zweiten Jahr stieß ich dann auf erste Ergebnisse, die ich interpretieren konnte, und nun, seit eineinhalb Jahren, haben wir tatsächlich sehr stetige, validierbare Ergebnisse, die sich reproduzieren lassen. Wir haben das bereits gezeigt. [2]

SB: Dr. Thorben Amann [5] sprach von den Schwermetallen, die in manchen Felsmineralien vorkommen und bei der Verwitterung ebenfalls freigesetzt würden. Um zu verhindern, daß die mit dem Regenwasser in das Grundwasser gespült werden, müßten seiner Ansicht nach weitere Maßnahmen getroffen werden, etwa durch den Anbau spezieller, möglicherweise gentechnisch veränderter Pflanzen, die Schwermetalle akkumulieren und, und, und. Man kann sagen, all das würde auf dem Meeresboden, der ja ohnehin als natürliches Endlager für diese Verwitterungsprodukte gilt, möglicherweise wegfallen.

FM: Ja, das stimmt. Aber die Gefahr der Bioakkumulation von Schwermetallen ist im Meerwasser immer noch gegeben und stellt dort ein genauso großes Risiko dar. Thorben Amann hat nicht nur von Olivin und Basalt gesprochen, sondern ein ganzes Spektrum an verschiedenen, in Frage kommenden Verwitterungsmineralien untersucht. Je nach Art des Minerals oder nach Herkunftsgebiet können die in der Gesteinsmatrix eingeschlossenen oder vergesellschaftet vorkommenden Metalle und Elemente stark variieren, die auch mehr oder weniger schädlich für Umwelt und Organismen sind. Im Falle von Olivin kommt vor allem Nickel als Begleitkomponente in relevanten bioverfügbaren Mengen vor, neben Magnesium und Eisen. Außerdem ist etwas Chrom darin enthalten. Das wird jedoch in einer ganz reaktionsträgen Verbindung darin festgehalten, so daß von ihm keine großen Wechselwirkungen mit der Umwelt zu erwarten sind.

SB: Es war auch von einigen toxischen Schwermetallen wie Blei oder Kupfer die Rede [6], wie würde denn die toxische Wirkung auf Meeresbewohner aussehen?

FM: Nun, manche dieser Schwermetalle haben einen negativen Einfluß auf den Hormonstoffwechsel, bis dahin, daß einige Organfunktionen oder bestimmte Organe durch die toxischen Einflüsse ausfallen. Darüber hinaus reichern sich diese Metalle bekanntlich vor allem im Fettgewebe eines Lebewesens an, und können dann über die Nahrungskette oder innerhalb der Nahrungsnetze, wie die Meeresbiologen sagen, sich auch noch weiter im Fettgewebe des jeweiligen Freßfeindes anreichern. Dort akkumulieren die Metalle entweder immer weiter im Fettgewebe, bis sie eine toxische Menge für den Organismus erreicht haben, oder das Tier frißt sich ein Fettdepot im Sommer an, das es im Winter, wenn es keine Nahrung findet, abbaut. In dem Fall werden dann auch die festgelegten Schwermetalle wieder freigesetzt und können bei entsprechender Konzentration im besten Fall Beschwerden verursachen und im schlimmsten Fall den Tod des Tieres herbeiführen. Also Schwermetalle sind wirklich etwas sehr Unangenehmes in jeder Art von Ökosystem. Und über die Nahrungskette können sie irgendwann auch in unser Essen gelangen.

SB: Etwas, was vielleicht nicht Ihren Forschungsbereich betrifft, aber doch eine Frage ist, die sehr viele Menschen betrifft: Kann diese Form von Verwitterung im Meer nicht auch enorme soziale, sozioökonomische und politische Konsequenzen für die Fischereiwirtschaft haben? Beispielsweise könnten Menschen ihre Existenzgrundlage verlieren, wenn sich das Ökosystem durch den Gesteinseintrag verändert? Abgesehen davon, daß gewaltige Gesteinsmassen abgebaut und zerkleinert werden müssen, wobei möglicherweise, wie im Kohlebergbau, ganze Landschaften vernichtet werden würden.

FM: Absolut. Es gab bereits einige wichtige Diskussionen mit verschiedenen Forschungsgruppen zu diesen Fragen, in denen wir über viele der überhaupt vorstellbaren Konsequenzen des Geoengineering und speziell des "Enhanced Mineral Weathering" gesprochen haben. Das ist tatsächlich auch ein Denkprozeß, der stattfindet und gerade auf dieser CEC'14-Konferenz gefördert wird, daß man als Wissenschaftler lernt, viel weiter als bisher über seinen Tellerrand hinauszudenken, weil Geoengineering wesentlich mehr betrifft, als die unmittelbare Hard-Core-Forschung. An dieser Diskussion sollten natürlich alle Stakeholder [beteiligte Vertreter der Gesellschaft] wie Landwirte, Fischer, Agrar- und Fischindustrie involviert werden. Vor allem müssen die Menschen auch darüber informiert und aufgeklärt werden, warum man überlegt, so etwas wie Geoengineering auf ihren Feldern zu machen, damit sie nicht eines Tages vor vollendeten Tatsachen stehen. Denn wer möchte das schon gerne? Und man sollte sie auch ruhig fragen, ob sie überhaupt wollen, daß so etwas gemacht wird. Ganz klar, das ist eine hochpolitische und sozialpolitische Angelegenheit. Und es ist wichtig, diese Fragen im Vorfeld zu klären und nicht einfach damit loszulegen, denn wenn man das täte, würde man berechtigterweise nur etwas später auf noch stärkeren Widerstand stoßen.

Allerdings könnte ich das als Forscher auch gar nicht. Ich brauche immer die Hilfe anderer Menschen oder auch genügend Geld und Mittel, damit das andere Menschen mit mir zusammen machen. Und das muß ich rechtfertigen können.

SB: Falls man die Turboverwitterung als Maßnahme rechtfertigen könnte, welche Flächen wären dafür am sinnvollsten und wieviel Gestein würde man brauchen, um eine relevante Menge von CO2 dauerhaft aus dem Kohlenstoffkreislauf zu entfernen?

FM: Im gesamten Kohlenstoffkreislauf der Erde werden gigantische Mengen in die Luft geblasen und wieder abgeregnet, chemisch umgesetzt usw. Wenn wir aber nur den Überschuß von Kohlenstoff in der Atmosphäre betrachten, der für die Probleme verantwortlich ist, dann haben wir es mit einer Größenordnung von etwa neun Gigatonnen zu tun. Das ist verglichen mit der gesamten Umsatzmenge wenig - allein die Ozeane enthalten etwa 40.000 Gigatonnen im Meerwasser gelösten Kohlenstoff.

Wenn man den CO2-Überschuß mit Olivin-Verwitterung aus der Atmosphäre entfernen wollte, und mal die Begleiterscheinungen wie Schwermetalle usw. außer acht läßt, dann würde man etwa sieben bis neun Gigatonnen Olivin pro Jahr benötigen, was in etwa der Menge an Kohle entspricht, die wir jährlich weltweit abbauen und über den ganzen Planeten verschiffen. Das ist schon ein Riesenberg, würde aber den Effekt der Treibhausminimierung, die derzeit stattfindet, verdoppeln. Wenn man es auf diese Weise betrachtet, erscheint das Ganze schon wesentlich effizienter zu sein und auch Sinn zu machen. Ich denke, es wäre technisch zumindest durchführbar. Aber angesichts dieser wahrhaft ungeheuren Mengen sollte man sehr vorsichtig sein und die Vorgänge im einzelnen wirklich sehr gut geklärt haben, ehe man überhaupt daran denkt, das auch zu tun.

Die Frage, welche Flächen man dafür nutzen sollte, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es gibt Böden, die für den Verwitterungsprozeß besonders geeignet sind, wie der saure Boden im Dschungel. Allerdings ist es ziemlich schwer, das Gesteinsmehl einfach im Dschungel zu verteilen, zum einen, weil die Regenwaldgebiete verkehrstechnisch nicht so einfach zu erreichen sind. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie man das Zeug dahin bekommt. Wenn man es mit dem Flugzeug transportieren müßte, dann würde man wieder sehr viel Kerosin verbrennen, also weiteres CO2 in die Atmosphäre pusten, denn Olivin ist äußerst schwer. Man würde also nicht das Flugzeug nehmen, sondern es statt dessen eher verschiffen. Und Dr. Nils Moosdorf hat das tatsächlich aus- und hochgerechnet, wie sich Abbau und Verschiffung von Olivin auf das CO2 Budget auswirkt. [7]

Ich bin natürlich durch meine Forschungsarbeit voreingenommen und würde mich in jedem Fall stärker auf die Küstenmeere und den Küstenbereich konzentrieren. Meines Erachtens sind das die optimalsten Bereiche von allen für die künstliche Verwitterung in Frage kommenden Flächen. Zum einen würden sich dazu sehr viele Flächen auf der ganzen Welt anbieten. Und dann könnte man im Meer neben der CO2-Sequestrierung auch gleichzeitig etwas gegen die Ozeanversauerung tun. Das ist ein weiteres, sehr großes Problem, das viele nicht realisieren, wenn sie sich nur mit der Sequestrierung von CO2 an Land befassen. Denn wenn man an Land Dekarbonisierung und Sequestrierung betreibt, dann ist es zwar aus der Atomsphäre entfernt, aber man hätte immer noch mit dem Überschuß an CO2 im Meer zu tun und mit möglichen CO2-Ausgasungen. Das heißt, man würde normalerweise einen Zweifrontenkrieg führen, doch wenn man Olivin im Meer ausbringt, dann hätte man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Schematische Darstellung des CO2-Kreislaufs zwischen Meer und Atmosphäre. - Grafik: by McSush (Überarbeitung) und Hannes Grobe 12. August 2006 (UTC), Alfred Wegener Institute for Polar and Marine Research, Bremerhaven, Germany [CC-BY-SA-2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Mit Olivin im Meer könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Grafik: by McSush (Überarbeitung) und Hannes Grobe 12. August 2006 (UTC), Alfred Wegener Institute for Polar and Marine Research, Bremerhaven, Germany [CC-BY-SA-2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

SB: Wenn diese gewaltigen Mengen, neun Gigatonnen an Olivin oder anderen leicht verwitterbaren Gesteinen, ins Meer eingebracht werden, muß man dann nicht mit einem gewaltigen Algenwachstum oder auch einer regelrechten Eutrophierung rechnen? Die weiteren Vorzüge des Verwitterungsgesteins als Mineraldünger für die Landwirtschaft und wurden ja bereits angesprochen.

FM: Das ist richtig. Der normale Landwirtschaftsdünger enthält "NPK", Stickstoff (N), Phosphate (P) und Kalium (K). Das sind die drei zentralen Nährstoffe. Doch Dr. Thorben Amman sprach davon, daß in vielen landwirtschaftlich genutzten Böden - und Deutschland ist nach einer jahrhundertelangen Geschichte der Agrarkultur ein Beispiel dafür - der ursprüngliche Nährstoff- und Mineralgehalt völlig ausgeschöpft wurde. Von daher wäre es möglicherweise sogar gut für den Boden, eine natürliche Mineralstoffquelle dazuzugeben, also Felsgestein zu zerkleinern und das dann in den Boden einzuarbeiten.

SB: Wie würde sich diese Düngemischung auf die Meeresvegetation auswirken? Könnte es beispielsweise zu Sauerstoffmangel oder zu Sauerstofflöchern kommen, weil das Algenwachstum gefördert wird?

FM: Man hätte dadurch natürlich einen zusätzlichen Nährstoffeintrag, was zu Algenblüten oder auch zu einer stärkeren Vermehrung von Diatomeen [8] führt. Letzteres würde ich durch den zusätzlichen Eintrag von Silikat im Meer zumindest vermuten. Dazu muß man wissen, daß es verschiedene Algenarten unter den Mikroalgen im Meer gibt. Eine ausgesprochen wichtige Gruppe sind die Diatomeen, die zum Aufbau ihrer filigranen, glasähnlichen Zellwände Kieselsäure beziehungsweise Silikat brauchen. Das heißt, Silikat wäre für sie ein essentieller Nährstoff. Wenn man also eine Menge Silikat freisetzt, würde man für diese Organismen günstigere Lebensbedingungen schaffen. Das würde im existentiellen Konkurrenzkampf zwischen den Mikroalgen im Meer möglicherweise ein Ungleichgewicht mit sich bringen. Wenn man dann große Algenblüten erzeugt, kann es vorkommen, daß nicht genügend Freßfeinde vorhanden sind. Dann würden große Mengen an nicht gefressenen Algen absterben und durch sauerstoffverzehrenden, bakteriellen Abbau zersetzt, womit in der Tat ein partieller Sauerstoffmangel erzeugt werden könnte. Das ist durchaus eine der Fragen, die geklärt werden müssen, ehe wir nur daran denken können, in relevanten Maßstäben Olivin ins Meer zu streuen.

Abgesehen davon haben Düngemineralien wie Magnesium, Eisen, Phosphat oder Kalium auch einen Einfluß auf das Algenwachstum.

SB: Können Sie sagen, ob schon das mögliche Vermeiden solcher Nebenwirkungen erforscht wird? Oder klärt man zunächst noch die Grundlagen?

FM: Ehrlich gesagt wird daran noch nicht gearbeitet, aber es gibt auch nicht viele Menschen, die überhaupt zu diesem Thema forschen. Ich bin augenblicklich verzweifelt darum bemüht, die finanziellen Mittel für weitere Forschungen zu bekommen. Und das wäre eines der naheliegenden Folgeprojekte. Ich könnte mir vorstellen, dieser Frage mit Arie Vonk zusammen nachzugehen, das heißt in einer Zusammenarbeit zwischen der Amsterdamer Universität und dem NIOZ. Man müßte zunächst weiter untersuchen, ob tatsächlich das passiert, was wir annehmen und das beweisen. Also daß durch Olivin-Verwitterung das Wachstum der Diatomeen bevorteilt wird. Und dann müßte man schauen, was danach passiert. Werden die Diatomeen gefressen oder sinken sie auf den Meeresboden und verstoffwechseln dabei den ganzen Sauerstoff? Man weiß es noch nicht. Vielleicht wäre der Diatomeenreichtum sogar besonders nützlich und könnte eine große Anzahl von Meeresfrüchten, Schalentieren oder Shrimps füttern. Genau das müßte man eben herausfinden und dann könnte man mit Überlegungen beginnen, wie man die negativen Nebeneffekte vielleicht beseitigen kann. Oder, wenn man sieht, daß es einfach nichts bringt, und man wortwörtlich nur ein Loch gräbt, um es mit der Erde aus einem anderen Loch wieder zu füllen, die ganze Idee letztendlich verwerfen.

SB: Sie hatten vorhin auch die weiten Transportstrecken angesprochen, von den Olivin-Lagerstätten bis zu den Standorten, an denen man es ausbringen könnte. Hat man hier eigentlich schon mal ausgerechnet, wie groß der CO2-Fußabdruck für das Turboverwittern insgesamt werden würde, also einschließlich der eingesetzten Maschinen beim Abbau und Zermahlen des Gesteins?

FM: Ja genau, das hatten wir als eines der größten Probleme angesehen, bis Dr. Phil Renforth von der Cardiff School of Earth and Ocean Sciences, Dr. Moosdorf von der Universität Hamburg und ZMT Bremen, wie auch Professor Jens Hartmann von der Universität Hamburg eine meines Erachtens extrem robuste Analyse gemacht haben. Sie haben die ganzen Kosten der Kohlenstoffproduktion und Sequestrierung aufgerechnet und tatsächlich festgestellt, daß der Transport dabei nur etwa 0,005 Prozent der Gesamtenergiebilanz ausmachen würden. Das ist also verhältismäßig klein.

Die größte Energiemenge wird tatsächlich beim Mahlen des Gesteins zu Gesteinsmehl verbraucht. Nach ihren Berechnungen steigt der Energieverbrauch graduell bis zu einer immer noch groben Korngröße von 100 Micron (ein Micron ist ein tausendstel Millimeter). Von da an steigt der Energieverbauch von 100 auf 50 Micron etwas stärker an. Wenn man aber auf eine Korngröße von 35 Microns heruntergehen will, was ein sehr feines Pulver ergibt, dann macht die Energieverbrauchs-Kurve auf einer entsprechenden Graphik einen exponentiellen Sprung, sie schießt geradezu in die Höhe, weil man dafür wieder andere Mahlwerke und Maschinen braucht, die sehr viel Energie fressen. Und das ist eben der Punkt, an dem es falsch läuft.

Nun haben sie bei ihren Berechnungen aber auch noch das eine mit dem anderen verglichen und dabei stellten sie überraschenderweise fest, daß bei dem pessimistischten Szenario immer noch eine Effizienz von 40 Prozent herauskommt. Das heißt, mit jeder Tonne Olivin, die verwittert wird, entfernt man 0,4 Tonnen Kohlenstoff aus dem Kreislauf. Also das ist immerhin noch etwas. Im optimistischten Szenario würde man je Tonne Olivin sogar mehr als eine Tonne CO2 sequestrieren, was natürlich außerordentlich gut wäre. Also da gibt es eine ganze Spannbreite, in der man mit mehr oder weniger positiver Energiebilanz arbeiten könnte.

SB: Wenn ich an die gewaltigen Gesteinsmengen denke, die für die Verwitterung benötigt werden, die Sie mit der Weltjahresproduktion von Kohle verglichen haben, und wenn ich dann an den Steinkohlebergbau in den Appalachen oder in China denke, für den ganze Bergspitzen platt gemacht werden und der bereits Aktivisten gegen den "Mountaintop-Removal"-Tagebau auf den Plan gerufen hat, drängt sich doch die Frage auf, in welcher Form eigentlich Olivin abgebaut werden soll und was das für die Umwelt bedeutet? Wissen Sie etwas darüber?

FM: Nein, das gehört nicht zu meinem Forschungsbereich, aber so weit ich es gehört habe, liegen einige der größten Dunit/Olivin-Lagerstätten in direkter Nähe zu bereits bestehenden, großen Minen, in denen Kohle oder andere Mineralien in offenem Tagebau abgebaut werden. Olivin hat sich in vulkanischem Magma bei sehr hohen Temperaturen gebildet und ist in vulkanischem Gestein weit verbreitet. Dunit besteht zu etwa 90 Prozent aus Olivin. Abgebaut wird es in Asien, Südamerika, Simbabwe. In Oman wird ein Mineral namens Samail-Ophiolith abgebaut, der besonders viel Olivin enthält. Thorben Amann oder Nils Moosdorf hatten während ihres Vortrags erwähnt, daß man mit den vorhandenen Ophiolith-Vorkommen etwa 70.000 Gigatonnen von CO2 sequestrieren könnte, das würde für die nächsten 8.000 bis 10.000 Jahre reichen. Also so gesehen "für immer"!

Ein Stein - Foto: 2006 by Pikarl [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Der Stein des Anstoßes.
Dunit enthält 90% Olivin.
Foto: 2006 by Pikarl [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

SB: Die damit verbundenen Umweltbelastungen sind jedoch auch erheblich, allein wenn es in offenem Tagebau abgebaut wird, wie Sie sagten.

FM: Ja sicher, die Umweltbelastungen sind nicht von der Hand zu weisen, aber wenn Sie bedenken, wie groß der Umfang an Bergbau jetzt schon ist, dann wäre das keine besonders große Steigerung.

SB: In einer der ersten Panell-Diskussionen mit Prof. Hans-Joachim Schellnhuber wurde Prof. Ken Caldeira zitiert, der gesagt haben soll, daß die jährliche Sequestrierung oder Extraktion von 5 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre noch keinen merklichen Effekt auf das Klimageschehen haben würde. Sie sagten, man könne im Idealfall etwas über eine Tonne mit intensivem Turboverwittern erreichen. Lohnt sich das überhaupt?

FM: Also wenn das Ken Caldeira gesagt hat, habe ich keinen Grund, das anzuzweifeln. Ich finde, es zeigt deutlich, daß wir viel Arbeit vor uns haben. Wir müssen endlich anfangen die CO2-Situation in den Griff zu bekommen. Und Olivin-Verwitterung ist sicher nicht die einzige Maßnahme, die dafür in Frage kommen könnte. Es gibt einen ganze Palette mit den unterschiedlichsten Lösungsansätzen für dieses Problem. Mit künstlicher Verwitterung könnte man tatsächlich etwa eine oder anderthalb Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernen, das wäre etwa zehn Prozent von dem, was man schaffen müßte. Das ist nicht viel. Deshalb kann es realistisch gesehen nur einen kleinen Anteil an diesem Programm haben.

Die Infrastruktur für die Verteilung von Olivin wäre zwar vorhanden, die muß nicht neu erfunden werden. Der Abbau kann geschafft werden, der Transport ist auch möglich. Das ist nicht schwer. Aber wenn man dann die ungeheuren Mengen an Gesteinsmaterial sieht, die dafür benötigt werden, die bergbaulich gefördert werden müßten ...

SB: ... was zu dem bereits bestehenden Kohleabbau noch weitere CO2-Emissionen für die Atmosphäre bedeuten würde.

FM: Nein, ich gehe auf jeden Fall davon aus, daß auch der Ausstoß von Treibhausgasen parallel dazu gesenkt würde. Die Reduktion der Treibhausgase wäre die Grundlage des Gesamtpakets aller weiteren Maßnahmen.

SB: Würde nicht auch die Sequestrierung von einer Gigatonne bereits als Ermutigung ausreichen, um nichts zu ändern und weiterzumachen wie gehabt?

FM: Sicher, daß ist einer der ganz großen Kritikpunkte daran. Jede technische Möglichkeit, den "Dreck, den man gemacht hat, wieder fortzuräumen", könnte dazu mißbraucht werden, daß man sagt: "Okay, dann verhalten wir uns so wie immer."

Ich habe heute zufällig eine Session besucht, in der über die Ethik des CO2-Entfernens diskutiert wurde. Das schien mir zunächst ein wenig seltsam, war aber sehr interessant. Wenn man sich die Methoden des Solar-Radiation-Management, also das Impfen der Atmosphäre mit Schwefelsäureaerosolen, ansieht, dann hat man intuitiv ein ethisches Unbehagen dazu, das auch begründet zu sein scheint. CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, scheint zunächst eine sinnvolle Lösung. Da sagt man doch: Hallo, das ist prima, wir kehren den Spieß einfach um, und machen die Sauerei, die wir angestellt haben wieder weg. Aber Tim Kruger von der Oxford Universität stellte die Frage, dürfen wir das überhaupt? Das heißt, wenn man in einem großen Maßstab beginnt, CO2 zu entfernen, also "zunächst einen Schaden in Kauf zu nehmen, um ihn dann wieder zu beseitigen", wie er es nannte, wäre das dann in Ordnung? Oder könnte man damit weiteren Schaden anrichten? Wenn man nur die Sauerei aufräumt, sollte eigentlich keiner etwas dagegen haben, selbst wenn man ein bißchen mehr Sauerei aufräumt als nötig wäre. Zu fragen, darf der Mensch das überhaupt, ist eine recht interessante Sicht auf die Dinge, die mich nachdenklich macht.

Also wenn es nach mir ginge, ich würde sofort aufhören, fossile Brennstoffe zu benutzen. Aber wenn man überlegt, was wir alles dem Öl zu verdanken haben, was wir jeden Tag selbstverständlich in Anspruch nehmen. Und stellen Sie sich dann einmal eine Welt ohne das alles vor. Ich möchte nicht mit dem Finger auf andere zeigen, wenn wir selbst nicht in der Lage sind, hieran etwas wesentlich zu ändern. Wie können wir das, was wir selbst nicht schaffen, also plötzlich von sieben Milliarden Mitmenschen verlangen? Und zwar von allen und sofort? Deshalb verstehe ich, warum es so schwierig ist, diesen dicken Öltanker in eine andere Richtung zu manövrieren. Das schaffen wir nur ganz, ganz langsam.

Dr. Francesc Montserrat - Foto: © 2014 by Schattenblick

Darf der Mensch seinen 'Dreck' auf diese Weise überhaupt wieder aus der Atmosphäre schaffen, ist eine interessante Frage.
Foto: © 2014 by Schattenblick

SB: Wir sollten aber schneller sein, damit uns nicht das gleiche passiert, an dem vielleicht einmal der Mars erkrankt war: Ozeanschwund.

FM: [lacht] Tatsächlich ist es so, daß einige Forscher auch Olivin in Marsgestein gefunden haben, und weil man sehen konnte, daß es verwittert, also gelöst worden war, hatten sie damit tatsächlich einen Hinweis darauf, daß es auf dem Mars Wasser gegeben haben muß. Denn man braucht Wasser, um Olivin zu verwittern. Es ist also tatsächlich etwas dran, am Ozeanschwund.

SB: Vielen Dank für das Gespräch.


Anmerkungen:


[1] CO2 ist das Anhydrid der Kohlensäure H2CO3, die sich, genauer gesagt, dann bildet, wenn Wasser (H2O) und CO2 zusammenkommen, sich also CO2 in Regen- oder Bodenwasser auflöst. Die Säure löst das Felsgestein (Silikatgestein wie Basalt oder Olivin) an, wobei, Kieselsäure entsteht, während der Stein durch Aufnahme des CO2 in feste Carbonate oder lösliche Bicarbonate, auch Hydrogencarbonate genannt, verwittert. Durch die Auflösung wird das CO2 also gewissermaßen sequestriert (verbraucht und gebunden) und kann dann über den Wasserkreislauf ins Meer gelangen und dort im Sediment abgelagert werden.

Schätzungen im aktuellen IPCC-Weltklimabericht gehen davon aus, daß mit dieser Methode jährlich etwa eine Gigatonne Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden werden kann. Dabei ist die gesteigerte Aufnahme von Kohlenstoff durch Pflanzen durch einen Düngereffekt noch nicht berücksichtigt.

[2] Francesc Montserrat hielt den Vortrag "Enhanced Olivine Weathering in Coastal Environments: Proxies, Processes and Potentials" [Turboverwitterung von Olivin im Küstenbereich: Modellberechnungen, Prozesse und Potentiale]

[3] "Olivine in constructed ecosystems: a new way to combat CO2 rising and restore aquatic systems?" [Olivin in konstruierten Ökosystemen: ein neuer Weg, den Anstieg von CO2 zu bekämpfen und gleichzeitig Wassersysteme zu regenerieren] Dr. Arie Vonk (Universität Amsterdam)

[4] Francesc Montserrat gab dazu auch einen detaillierteren Einblick in den Verwitterungsprozeß wie folgt: Die chemische Silikat-Carbonat-Verwitterung findet auf der Oberfläche der Olivinpartikel statt, indem die Protonen der Kohlensäure mit den Magnesiumsilikatmolekülen reagieren, wobei ein Austausch von Ionen stattfindet. In dem vorherrschenden, wenig sauren Milieu, das heißt, im neutralen pH-Bereich um den pH 7, gehen bekanntlich vorzugsweise Kationen in Lösung. Das heißt, Magnesium(2+)ionen oder Calcium(2+)Ionen treten in einer höheren Konzentration aus dem Mineral aus, als negativ geladene Silikationen. Und zurück bleibt ein angereicherter Restbestand an Silikationen auf der Partikeloberfläche, der eine immer dickere Schicht bildet. Diese läßt sich dann immer schwerer durchdringen, so daß der Fortschritt der Verwitterungsvorgänge allmählich ausgebremst wird.

Wenn die Silikatschicht aber mit einer stärkeren Säurekonzentration im Magen des Wurms konfrontiert wird, der ein mit dem menschlichen Magen vergleichbares zwischen pH 5 und pH 5,5 rangierendes pH-Milieu hat, wobei der pH-Wert im Verdauungstrakt in Richtung Darmausgang bis zu einem pH 7-Wert immer weiter ansteigt, dann könnte durch die Wurmverdauung die Silikatschicht einfach aufgelöst und ein sauberer Olivinpartikel ausgeschieden werden.

Dazu muß man wissen, daß der pH-Wert ein negativ dekadischer Logarithmus ist, so daß das Magenmilieu zwar nur ein bis drei Einheiten unter dem pH-Wert des Meerwassers liegt, "ein bis drei" bedeutet aber, es ist zehnmal bis 1000mal so sauer.

[5] "Beneficial and Harmful Side Effects of Element Release from Enhanced Weathering - A Global Perspective" [Vorteilhafte wie negative Nebenwirkungen durch die Freisetzung von Elementen bei der Turboverwitterung - aus globaler Sicht] von Dr. Thorben Amann (Universität Hamburg).

[6] Darüber hinaus hatte Dr. Amann Schwermetalle wie Blei, Mangan, Magnesium, Eisen, Kobalt und Kupfer erwähnt.

[7] Dr. Nils Moosdorf (University of Hamburg / ZMT Bremen) hielt den Vortrag "A Carbon Dioxide Budget of Terrestrial Enhanced Weathering".

[8] Diatomeen = Kieselalgen. Ihren deutschen Trivialnamen verdanken die Kieselalgen der Zellenhülle (Frustel), die überwiegend aus Siliziumdioxid (Summenformel: SiO2) besteht, dem Anhydrid der Kieselsäure (vereinfachte Summenformel: SiO2 x n H2O). Die Kieselsäure wird jedoch im deutschen Sprachraum oft fälschlich mit ihrem Anhydrid gleichgesetzt. Das Siliziumdioxid gewinnt der Organismus aus der Monokieselsäure Si(OH)4.


Zur "Climate Engineering Conference 2014" sind bisher in dem Pool
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folgende Berichte und Interviews unter dem kategorischen Titel "Klimarunde, Fragestunde" erschienen:

BERICHT/088: Klimarunde, Fragestunde - für und wider und voran ... (SB)
Ein Einführungsbericht
BERICHT/090: Klimarunde, Fragestunde - Techniker des Gegenfeuers ... (SB)
Langwellenrückstrahlungsverstärkungstürme, Größe XXXL

INTERVIEW/149: Klimarunde, Fragestunde - Hört den Wind ...    Pene Lefale im Gespräch (SB)
INTERVIEW/150: Klimarunde, Fragestunde - defensiv zur Sicherheit ...    Prof. Jürgen Scheffran im Gespräch (SB)
INTERVIEW/151: Klimarunde, Fragestunde - Folgen kaum absehbar ...    Prof. Mark Lawrence im Gespräch (SB)
INTERVIEW/152: Klimarunde, Fragestunde - geteilte Not, dieselbe Not ...    Dr. Thomas Bruhn im Gespräch (SB)
INTERVIEW/153: Klimarunde, Fragestunde - Fortschritt in falscher Hand ...    Prof. Clive Hamilton im Gespräch (SB)
INTERVIEW/154: Klimarunde, Fragestunde - Erstickt nicht den Atem der Natur ...    Viliamu Iese im Gespräch (SB)
INTERVIEW/155: Klimarunde, Fragestunde - schlußendlich nach der Decke strecken ...    im Gespräch mit fünf Klimawandelexperten, - besorgten und -betroffenen der CEC'14 Tagung (SB)
INTERVIEW/156: Klimarunde, Fragestunde - Die guten ins Töpfchen ...    Prof. Steve Rayner im Gespräch (SB)
INTERVIEW/158: Klimarunde, Fragestunde - Zeit für neue Kalküle ...    Dr. Rachel Smolker im Gespräch (SB)
INTERVIEW/159: Klimarunde, Fragestunde - Am Rande der Wissenschaften ...    Dr. Cush Ngonzo Luwesi im Gespräch (SB)
INTERVIEW/160: Klimarunde, Fragestunde - Ohren für die anderen ...    Dr. Bronislaw Szerszynski im Gespräch (SB)
INTERVIEW/161: Klimarunde, Fragestunde - für Aktivisten und Kritiker offen ...    Stefan Schäfer im Gespräch (SB)
INTERVIEW/163: Klimarunde, Fragestunde - Gesprächstoleranz über die Maßen ...    Ian Simpson im Gespräch (SB)
INTERVIEW/164: Klimarunde, Fragestunde - Gegen den Strom ...    Dr. Elizabeth Bravo im Gespräch (SB)
INTERVIEW/165: Klimarunde, Fragestunde - Hoffnung im Verborgenen ...    Prof. James R. Fleming im Gespräch (SB)
INTERVIEW/166: Klimarunde, Fragestunde - Machbarkeit und Kompromiß ...    Matthias Honegger im Gespräch (SB)

2. Oktober 2014