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DEBATTE/019: Treibt die Nitratdüngung die Wassergebühren tatsächlich nach oben? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1114, vom 24. Aug. 2017, 36. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Treibt die Nitratdüngung die Wassergebühren tatsächlich nach oben?


Bereits vor einigen Monaten hatte der Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit einem Gutachten für Aufsehen gesorgt: Die düngebedingte Nitratbelastung des Grundwassers könne die Wasserrechnung deutlich nach oben treiben. Das Zumischen von nitratarmen Wasser, das Erschließen tieferer Grundwasserhorizonte und der Bau von Denitrifikationsanlagen seien nicht zum Nulltarif zu bekommen, so der BDEW. Jetzt hat auch das Umweltbundesamt (UBA) eine Studie vorgestellt, die zum gleichen Ergebnis wie die BDEW-Prognosen kommt. Die Nitratbelastung des Grundwassers könne "in einigen Regionen dazu führen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher über 60 Prozent mehr für ihr Trinkwasser zahlen müssten". Das Nitratproblem könnte für eine Familie die Wassergebühr "bis zu" einem dreistelligen Betrag im Jahr erhöhen. Die UBA-Studie hat ein noch größeres Medienecho bewirkt als die vorausgegangene BDEW-Studie. Bei den Bauern und ihren Verbänden ist die UBA-Studie erwartungsgemäß auf wütenden Protest gestoßen. Erstaunlicherweise sieht man aber auch in Kreisen des Berliner Wassertisches die UBA-Studie kritisch. Der beim Berliner Wassertisch mitarbeitende Agrarökonom, Dr. Hermann Wollmer, wirft dem UBA eine falsche Schwerpunktsetzung vor. Es gehe nicht an, die Landwirtschaft pauschal einer zu hohen Düngung zu beschuldigen. In der UBA-Studie würden zu wenig die politisch gesetzten Rahmenbedingungen in der Landwirtschaftspolitik problematisiert. Darüber hinaus hat Wollner die Kostenannahmen in der UBA-Studie massiv in Frage gestellt. Unzulässigerweise würden spezielle Kostenbeispiele aus Nordwestdeutschland auf ganz Deutschland hochgerechnet. Ferner würde das UBA auch von unzutreffenden hydrogeologischen Grundlagen ausgehen. Dass sich die Umweltverbände die BDEW-Positionierung und die UBA-Studie zu eigen machen würden, sei befremdlich. Wer an den meinungsstarken Stellungnahmen von Herrn Dr. Wollner interessiert ist und mit dem UBA-Kritiker korrespondieren will, kann sich wenden an:

Dr. agr. Hermann Wollner
ehewol[at]arcor.de

Rettet uns das zweite Grundwasserstockwerk vor der
Nitratschwemme?

Zu seiner Kritik haben wir Herrn Wollner u.a. folgendes geantwortet:

Die Folgekosten einer überhöhten N-Düngung mit Mineral- und Wirtschaftsdüngern muss man sicher einzelfallspezifisch beurteilen. So gibt es in den süddeutschen Karstregionen nicht die von Ihnen erwähnte Trennung zwischen dem oberflächennahen Grundwasseraquifer und einem davon hydraulisch getrennten tieferliegenden Aquifer. Was "oben" als Nitrat rein kommt, landet praktisch sofort in den für die Trinkwassergewinnung genutzten Grundwasservorkommen und Quellen.

Der Untergrund des Oberrheingrabens, einem der größten Grundwasservorkommen in Mitteleuropa, besteht aus einem bis zu mehreren 100 m mächtigen Schotterkörper. Der Schotterkörper ist zwar von unzähligen Lehmlinsen durchsetzt. Diese ändern aber nichts daran, dass Schad- und Nährstoffe über kurz oder lang auch in den tieferen Grundwasserschichten landen. Ähnlich ist es in der Schotterzone im Großraum München.

Dort wo es eine Sperrschicht zwischen dem oberen und mittleren Grundwasserleiter gibt, sind oftmals "hydrogeologische Fenster" in der Sperrschicht vorhanden, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich das stark nitrathaltige Grundwasser aus dem ersten Stockwerk auch im zweiten Stockwerk findet. Der UBA-Studie vor allem anzukreiden, dass sie zu wenig zwischen einem oberen und einem mittleren Grundwasserstockwerk differenziert, erscheint uns damit wenig zielführend.

Eine zu geringe Berücksichtigung der Denitrifikationsvorgänge auf der Sickerstrecke und im Grundwasserleiter sollte man ebenfalls differenziert sehen. In einigen Grundwasserleitern steht zu befürchten, dass die Denitrifikation zusammenbricht, wenn die Denitrifikanten aufgrund ständigen Nitratnachschubs alle verfügbaren Kohlenstoffpartikel "wegoxidiert" haben (s. RUNDBR. 651/3, 557/1). Dann muss ein "Nitratsprung" befürchtet werden. Das kann bei einigen Grundwasserleitern in zehn Jahren der Fall sein - bei vielen anderen Grundwasserleitern vielleicht erst in 100 Jahren. Aus Vorsorgegründen erscheint es uns gleichwohl angebracht, auch in den Grundwasserleitern mit noch großem Denitrifikationspotenzial die Stickstoffdüngung zu reduzieren. Den unserer Ansicht nach entscheidenden Punkt sprechen Sie in Ihren Ausführungen mit folgender Passage an:
"Die crux der agroindustriellen Landwirtschaft ist doch, dass dem nationale Grenzen überschreitendem 'Gülletourismus' ein globaler 'Futtertourismus' vorhergeht. Wenn die großen Agrarbetriebe mit ihren 'Massentierställen' nur so viel Tiere halten dürften, wie sie mit wirtschaftseigenem Futter ernähren könnten, wäre ein Besatz von 2,5 GV/ha LN gar nicht erreichbar. "

Darauf sollte unseres Erachtens die Nitrat-Debatte noch viel mehr zugespitzt werden! Und das nicht nur wegen des Grundwasserschutzes und einer sicheren Trinkwasserversorgung, sondern auch wegen der Kollateralschäden in den außereuropäischen Soja-Anbauregionen (Regenwaldvernichtung usw.) und des Meeresschutzes. Letzterer deshalb, weil auch 37,5 mg/l Nitrat im Grundwasser zu viel sein können, um die Eutrophierung der Randzonen von Nordsee, Ostsee und Schwarzem Meer (Donau!) dauerhaft unterbinden zu können (s. 1069/4). Deshalb freuen wir uns seitens der Umweltschutzverbände, dass sich die BDEW-Führung seit Herbst letzten Jahres explizit zum biologischen Landbau bekennt. Das Bekenntnis der BDEW-Oberen zum kontrolliert biologischen Landbau ist leider noch nicht so richtig zu den Mitgliedsunternehmen des BDEW durchgesickert. Die tun sich nach wie vor sehr schwer damit, gezielt den Biolandbau in ihren Einzugsgebieten zu fördern (von löblichen Ausnahmen abgesehen).

Was kostet ein Wasserwerk?

Dr. Wollner greift in seinen Stellungnahmen auch die von den UBA-Autoren verwendeten Kostenannahmen für den Bau von Wasserwerken im allgemeinen und von Denitrifikationsanlagen im besonderen an. Dazu haben wir folgendes angemerkt:

Im Übrigen geht es ja nicht nur um die Kosten des Baus von Wasserwerken, Denitrifikationsanlagen oder dem Bezug von nitratarmen Fernwasser. Auch die Kosten für die Kooperationsmaßnahmen mit der Landwirtschaft müssen in den Wassergebühren berücksichtigt werden. Da die staatliche Beratung zunehmend ausgedünnt worden ist, müssen vielerorts die Wasserversorger selbst in die Bresche springen, um Nmin -Untersuchungen zu finanzieren und die Bauern zu beraten. badenova, einer der südbadische Energie- und Wasserversorger, hat hierfür über die letzten Jahre viele 100.000 Euro investiert. Dazu kommen noch die Kosten für die Erstellung von Grundwassersimulationsmodellen, um zu erurieren, wie sich die Nitratzungen auf die Wasserwerke zubewegen. Teilweise werden derartige Maßnahmen in den Nitratsanierungsgebieten auch aus den länderspezifischen Wasserentnahmeabgaben ("Wasser-Cent") finanziert. Dann zahlt es aber letztlich auch der Endkunde über seine Wassergebühr.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1114
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2017

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