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EUROPA/114: Europäisches Parlament gegen Ausschreibung von Wasser-Konzessionen (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 950 vom 26. Juli 2010 - 29. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

EP: Gegen die Ausschreibung von Wasser-Konzessionen


Normalerweise vergeben größere Kommunen die Konzessionen zur Wasserversorgung an ihre Stadtwerke. Der EU-Kommission ist dieser "Automatismus" seit Jahren ein Dorn im Auge. Der Privilegierung der Stadtwerke müsse ein Ende bereitet werden. Wenn befristete Wasserversorgungs-Konzessionen auslaufen, müsse jedes Unternehmen das Recht haben, sich um die Konzession zu bemühen. Am 18. Mai 2010 hat das EU-Parlament dieses Ansinnen der Kommission mit großer Mehrheit abgelehnt. Abgestimmt wurde über den "Rühle-Bericht", der sich gegen eine EU-weite Ausschreibungsverpflichtung für Wasserversorgungs-Konzessionen gewandt hatte.

Benannt war das Papier nach der grünen EU-Parlamentsabgeordneten HEIDE RÜHLE. Die grüne EU-Parlamentarierin war Berichterstatterin im Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments. Auf der Mitgliederversammlung der weiter oben erwähnten Allianz öffentliche Wasserwirtschaft (AöW) hatte Heide Rühle ihren Bericht vorgestellt und hervorgehoben, dass die "Schubladenpläne" der Kommission trotz der ablehnenden Haltung des EU-Parlaments weiterhin darauf hinauslaufen würden, Dienstleistungskonzessionen wie normale Vergaben zu regeln, mithin einer EU-weiten Ausschreibungsverpflichtung zu unterwerfen. Auf der AöW-Mitgliederversammlung erklärte HEIDE RÜHLE aber auch, dass ihr Bericht als eine "starke Selbstkritik am europäischen Gesetzgeber" zu verstehen sei: Die zahlreichen Richtlinien zu Vergabeverfahren würden mittlerweile unübersehbare Disharmonien aufweisen. Und die unterschiedliche nationale Umsetzung dieser Richtlinien habe "zu einer weiteren Fragmentierung" geführt. Das Vergabe- und Ausschreibungswesen sei inzwischen "von ganz viel soft log über interpretierende Mitteilungen der EU-Kommission geprägt". In ihrem Bericht würde die Kommission aufgefordert, die aus diesem Chaos resultierenden Fehlleistungen zu korrigieren. Zudem kritisierte die EU- Parlamentarierin die mangelnde Transparenz in der Kommission: "Niemand weiß, wer die Fäden führt - es gibt keine klare Koordination." An die Mitglieder der AöW wandte sich Rühle mit dem Appell: "Wenden Sie sich an das Parlament - vor allem nach dem Lissabon-Vertrag - und nicht nur an die Bundesregierung, die nicht in jedem Fall die richtigen Fragen und Antworten in Beschwerdeverfahren stellt."

In die von der Bundesregierung offen gelassenen Erklärungslücken könne dann die Kommission "reinstoßen". Viele Mitglieder des EU-Parlaments hätten einen besseren Zugang zu den zuständigen EU-Kommissaren als die Bundesregierung. Über diesen Weg könne im Vorfeld von kritischen Entscheidungen einiges abgebogen werden, zeigte sich HEIDE RÜHLE überzeugt.


Blindwütige Attacke der EU-Kommission gegen den Lippeverband

Aus der Zeitung musste der Lippeverband Anfang Juni 2010 erfahren, dass die EU-Kommission den Verband vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gezerrt hat. Der Verband hatte die Abwasserentsorgung in Hamm übernommen. Aufgrund einer Beschwerde des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) [also im Wesentlichen von REMONDIS], vertritt die EU-Kommission die Auffassung, dass dieser Übernahme eine EU-weite Ausschreibung hätte vorangehen müssen. Die kühne Argumentation der Kommission: Beim Lippeverband würde es sich um ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen handeln - dies deshalb, weil im Lippeverband auch gewerbliche Unternehmen Mitglied seien. Dabei verkennt die Kommission allerdings, dass es sich um Zwangsmitglieder handelt, die aus ihrer Mitgliedschaft im Lippeverband keinerlei finanziellen Gewinn ziehen können. Die besondere Struktur der sonderrechtlichen Wasserverbände in NRW mit kommunalen und gewerblichen Mitgliedern war offenbar in Brüssel nicht zu vermitteln - wohl vor allem auch deswegen, weil die EU-Kommission alle Versuche des Lippeverbandes zu erläuternden Gesprächen abgelehnt hatte. Ein Insider: Als Angeklagter befinde man sich gegenüber der EU-Kommission "im Bermuda-Dreieck": Die Kommission kommuniziere nicht mit den von ihr verklagten Gemeinden und Verbänden. Weil die Kommission dem Lippeverband den Charakter einer public-privat-partnership unterstellt, wäre der Aufgabenübergang von einer kommunalen Abwasserbeseitigung in eine verbandliche Abwasserbeseitigung kein Akt der interkommunalen Zusammenarbeit. Entsprechend der Beschwerde des BDE müsste jedes konkurrierende Unternehmen die Möglichkeit erhalten, sich um den Erwerb der Abwasserbeseitigung in Hamm zu bewerben.


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 950/2010
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2010