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FORSCHUNG/370: Interview - Urbane Wassersysteme flexibel planen (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter April 2011

Urbane Wassersysteme flexibel planen


Was ist urbanes Wasser?

Das kann man aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Urbanes Wasser schließt alle natürlichen Wasserflüsse und -kompartimente wie Regenwasser, Grundwasser, Fließgewässer und Standgewässer ein. Dazu kommen die technischen Systeme für die Wasserver- und Abwasserentsorgung in einer Stadt. Systemisch betrachtet gehören sowohl der Wasserkreislauf als auch der Stoffkreislauf bzw. deren Interaktionen dazu. Diese weisen in städtischen Gebieten einige Besonderheiten auf, denken Sie nur an den schnellen Niederschlagabfluss, hervorgerufen durch die starke Versiegelung.

Von 1991 bis heute wurde die Abwasserwirtschaft in den Neuen Bundesländern (NBL) nahezu komplett modernisiert. Welche Lehren sind daraus zu ziehen, auch im Hinblick auf die Übertragbarkeit in andere Länder?

Vorab: Dieser Umbau ist eine Erfolgsgeschichte, das zeigen Trinkwasser- und und Abwasserqualität sowie der chemische Zustand unserer Fließgewässer. Schiefgelaufen ist die Dimensionierung der Anlagen, die vielerorts im Zuge der euphorischen Stimmung nach der Wende viel zu groß gebaut wurden. In erster Linie ist das eine unnötige finanzielle Belastung für die Kommunen und den Bürger. Es ist kein Problem für den Gewässerschutz. Denn die Technik, die verbaut wurde, ist gut und innovativ. Mehrere Lehren kann man aus dieser Geschichte ziehen: 1. Die Planung muss sich an realistischen Zahlen bezüglich der demografischen Entwicklung orientieren. Das ist in Situationen des Umbruchs, wie wir sie in vielen Regionen der Welt vorfinden, trotz der gemachten Erfahrungen in den NBL nach wie vor schwierig. 2. Neue wasserwirtschaftliche Anlagen sollten flexibler als bislang geplant werden, beispielsweise in mehreren Ausbaustufen oder einer Kombination aus zentralem und dezentralem Ansatz. Mit Blick auf die Megacities in Entwicklungsländern sind solche semizentralen/semidezentralen Anlagen auf jeden Fall eine sinnvolle Alternative. Ergänzen möchte ich den Aspekt der Wertstoffrückgewinnung, vor allem im Hinblick auf Phosphor, eine nicht erneuerbare geogene Ressource. So wie wir die Wassersysteme derzeit betreiben, geht er zum großen Teil verloren. Das ist perspektivisch nicht zu verantworten. Schließlich sollten 3. die lokalen Voraussetzungen der Fließgewässer, dazu gehören der chemische und der morphologische Zustand sowie die Selbstreinigungskapazität, ausreichend berücksichtigt werden.

Sie planen gemeinsam mit dem UFZ ein "Urbanes Observatorium" in Dresden. Was verbirgt sich dahinter?

Um zu begreifen, wie die Wasser- und Stoffflüsse im Zusammenspiel der einzelnen Wasserkompartimente in Landschaften funktionieren, müssen wir viel mehr als bislang die urbanen Räume in unsere Betrachtungen einbeziehen. Außerdem sind wir ständig auf der Suche nach räumlich und zeitlich hoch aufgelösten sowie langfristig erhobenen Daten zur Validierung unserer numerischen Modelle. Da genau setzt die Idee des Observatoriums an: Wir rüsten ein Teileinzugsgebiet Dresdens, wahrscheinlich ein 144 Hektar großes Teileinzugsgebiet am Lockwitzbach im Südosten Dresdens, umfassend mit Messtechnik aus und dokumen tieren sehr genau und über einen langen Zeitraum Niederschlagabflussprozesse und Stoffflüsse. In einem ersten Schritt sind fünf Messstationen mit online-Sonden geplant, die kontinuierlich Daten zu pH-Wert, Leitfähigkeit, Sauerstoff und Temperatur, aber auch zu Konzentrationen einzelner Stoffe im Abwasser liefern. Zusätzlich werden Geräte installiert, die in bestimmten Abständen Proben zur spezielleren Analyse im Labor entnehmen können. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre ein Beobachtungszeitraum von etwa zehn Jahren sinnvoll. Ob das klappt, hängt auch davon ab, ob wir es schaffen, Partner aus weiteren Fachgebieten, etwa der Meteorologie, der Limnologie, der Grundwasserwirtschaft oder der Hydrogeologie, in das Kernprojekt einzubinden.

Zu Ihren Aufgaben gehört neben der Forschung auch die Lehre. Wie sollte der Ingenieur der Zukunft aussehen?

Zentral für mich ist seine Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit. Außerdem wird es nicht mehr genügen, bestimmte Richtlinien perfekt anzuwenden. Mindestens genau so wichtig ist es, immer nach neuen effizienten Lösungen Ausschau zu halten. Ich bemühe mich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen sehr, diese Anforderungen in unsere Lehre einfließen zu lassen. Dazu haben wir an der TU Dresden im deutschen Vergleich sehr gute Voraussetzungen, denn nur hier gibt es eine Fachrichtung Hydrowissenschaften, die alle Disziplinen, die sich mit Wasser beschäftigen, in einer Struktureinheit zusammenschließt. Ich finde, dass sich das sehr positiv auf die Qualität unserer Absolventen auswirkt. Das lässt sich auch daran messen, dass sie - auch über Deutschland hinaus - gern eingestellt werden.

Das Interview führte: Susanne Hufe


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Der gebürtige Schweizer Prof. Dr. Peter Krebs leitet seit 1998 das Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft an der Technischen Universität Dresden. Er ist Sprecher der Fachrichtung Hydrowissenschaften an der TU und koordiniert gemeinsam mit UFZ-Professor Dietrich Borchardt die Forschungsinitiative IWAS (Internationale WasserforschungsAllianz Sachsen). Im Februar 2011 wurde Peter Krebs zum Vorsitzenden der DFG-Senatskommission für Wasserforschung (KOWA) berufen.


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Quelle:
UFZ-Newsletter April 2011, s. 4
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2011