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FORSCHUNG/376: Water and Earth System Science - Führende Wasserforscher verbinden sich (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Juni 2011: In Sachen Wasser

Führende Wasserforscher verbinden sich


Was verbirgt sich hinter "WESS"?

WESS steht für Water and Earth System Science. Es ist eine strategische Allianz der drei Baden-Württembergischen Universitäten Tübingen, Stuttgart und Hohenheim mit dem UFZ zum Thema Wasser. Darüber hinaus pflegt die Allianz enge Verbindungen zu internationalen Wasserzentren, unter anderem dem Department of Earth Sciences der University of Waterloo, Kanada, und dem Catalan Institute for Water Research (ICRA), Gerona, Spanien. Der inhaltliche Focus liegt auf den Auswirkungen sich verändernder Umweltbedingungen auf den Wasserkreislauf und auf die Stoffflüsse in Wasser, Boden und Atmosphäre.

Welche Kompetenzen bringen die einzelnen Partner ein?

Alle vier Partner haben europaweit führende Wasserforschungsgruppen. Deren Kernkompetenzen liegen in unterschiedlichen Themenbereichen und die verbinden sich innerhalb der Allianz arbeitsteilig über mehrere Jahre. So bringt das Zentrum für Angewandte Geowissenschaften (ZAG) der Universität Tübingen seine Expertise aus den Bereichen Hydrogeologie, Geochemie und Schadstoffforschung ein. Die Stuttgarter Kollegen konzentrieren sich eher auf Umweltanalytik und Modellierung. Die Wissenschaftler aus Hohenheim steuern ihr Know how aus den Bereichen Bodenforschung, Wetter- und Klimaforschung sowie Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Landoberfläche bei. Und das UFZ bringt seine Stärken auf den Gebieten der Erkundung, des Monitorings, der Modellierung und Visualisierung von Prozessen in aquatischen Ökosystemen sowie des Integrierten Wasserressourcenmanagements (IWRM) ein. Wir ergänzen uns aber nicht nur fachlich, sondern auch in unseren Strukturen. So hat das UFZ als Helmholtz-Zentrum Zugang zu Methoden und Infrastrukreichen tur, die wir als Universitäten nicht vorhalten können. Und wir haben dadurch, dass wir ausbilden, den Zugang zu exzellenten jungen Wissenschaftlern.

Wie wird WESS finanziert?

Die Finanzierung, das sind bis 2013 3,6 Millionen Euro, kommt über das UFZ zu 50 Prozent vom Bund. Die anderen 50 Prozent steuert das Land Baden-Württemberg bei.

In welche Projekte fließt das Geld?

Wir nehmen derzeit vier unterschiedlich geprägte Flusseinzugsgebiete in Deutschland unter die Lupe, die sich in Klima und Landnutzung unterscheiden. In Mitteldeutschland untersuchen wir Wasserflüsse und physikalische Parameter im Einzugsgebiet der Bode, einem der großen Forschungsobservatorien des UFZ. In Süddeutschland schauen wir uns die Stoffflüsse in drei Nebenflüssen des Neckars an: dem Goldersbach, nahezu vollständig in einem Naturpark gelegen, der Ammer, die ein landwirtschaftlich sehr intensiv genutztes Gebiet durchfließt, und der Körsch, in welche die Überläufe vieler Kläranlagen der großen Gemeinden auf der Filderebene im Stuttgarter Raum münden.

Was heißt "anschauen"?

In den süddeutschen Untersuchungsgebieten haben wir bislang 25 Messstationen installiert, an denen einmal pro Monat Proben genommen und auf zirka 120 Parameter untersucht werden. Neben gängigen Parametern wie pH-Wert, Leitfähigkeit oder Temperatur zählt dazu eine große Palette an anthropogenen Schadstoffen. Dazu gehören Chemikalien, die aus der Landwirtschaft kommen, Substanzen, die durch die Haushalte abgegeben werden, und schließlich Stoffe, die von der Industrie emittiert werden. Diese aktuellen Messwerte ergänzen wir durch Datenreihen, die weit in die Vergangenheit reichen. Dabei sind wir sehr auf die Mitarbeit der lokalen Wasserversorger angewiesen. Doch in der Regel klappt das gut, denn auch sie haben ein großes Interesse an unseren Ergebnissen. Das wird zum Beispiel deutlich am Problem steigender Nitrat- oder Pestizid-gehalte im Grundwasser, die in vielen Regionen zu beobachten sind und zur Herausforderung für die Trinkwasserversorgung werden. Immerhin greift man in Deutschland beim Trinkwasser zu fast 75 Prozent auf Grundwasservorräte zurück. Wie werden sich die Nitratgehalte weiterentwickeln? Wie würde sich eine Umstellung der Landwirtschaft auswirken? Wie rasch würde das System reagieren? Ähnliche Fragen stellen sich für den gesamten chemischen Fußabdruck, den der Mensch hinterlässt. Wie paust sich dieser in das Grundwasser und damit in das Trinkwasser durch? Wie lange werden unsere Nachfahren damit zu kämpfen haben? Ich kann Ihnen versichern, dass viele vom Menschen in die Umwelt entlassene Stoffe dort über viele Generationen nachweisbar bleiben!

Und mit den vielen gesammelten Daten füttern Sie Ihre Modelle...

Genau. Solche über einen langen Zeitraum ermittelten hoch aufgelösten Daten sind die Voraussetzung für Modelle, die uns in die Lage versetzen, Zukunftsszenarien für die Wasserqualität zu entwickeln. In einem iterativen Prozess entstehen erstmalig Modelle, die ganze Wassereinzugsgebiete im Blick haben. Derzeit arbeiten wir noch mit verschiedenen Modellhierarchien und konzentrieren uns auf einzelne Fragestellungen. Denn die verfügbaren Modelle sind einfach noch nicht in der Lage, sämtliche Stoffreaktionen auf großen Skalen zu rechnen. Doch die Rechentechnik entwickelt sich rasant und damit auch unsere Möglichkeiten.

Das Interview führte Susanne Hufe


Prof. Dr. Peter Grathwohl studierte bis 1985 Geologie an der Universität in Tübingen und promovierte dort 1988 zu chlorierten Kohlenwasserstoffen in der ungesättigten Bodenzone.
Nach einem Postdoc-Aufenthalt 1989/1990 an der Stanfort University (USA ) kehrte er an die Universität Tübingen zurück, wo er seitdem wissenschaftlich tätig ist - seit 1996 als Professor für Hydrogeochemie und seit 2010 als stellvertretender Dekan der fusionierten mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät. Prof. Grathwohl ist Mitglied der UBA-Kommission Bodenschutz und leitet innerhalb der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften die Arbeitsgruppe "Wasserbeschaffenheit" im Projekt "Georessource Wasser"

Raute

Kurzinformationen - S. 28

Water Science Alliance

Die Water Science Alliance ist ein Instrument zur Bündelung und Stärkung der deutschen Wasserforschung. Um die großen Herausforderungen im Wasserbereich zu bewältigen, ist ein ganzheitlicher Forschungsansatz notwendig, der die verschiedenen Natur- und sozialökonomischen Wissenschaften integriert und dessen Lösungsstrategien über den Wassersektor hinausgehen.

Die sechs bisher ausgewiesenen Forschungsbereiche der Water Science Alliance (White Paper) sind:
1. Einfluss des Globalen Wandels auf die Wasserressourcen (Szenarienentwicklung)
2. Innovationen für ein nachhaltiges Wasserressourcen-Management
3. Quantifizierung von Wasser- und Stoffkreisläufen auf der regionalen Skala: Schutz von Umwelt und Gesundheit
4. Integrierte Observations- und Explorationskonzepte
5. Entwicklung komplexer Systemmodelle und Datenintegration
6. Komplexes Wassermanagement im Circum-Mediterranen Raum

Die Water Science Alliance wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt. Das UFZ hat 2009 vom Helmholtz-Senat das Mandat erhalten, die Water Science Alliance zu entwickeln.


Water Research Horizon Conference

Im Rahmen der Water Science Alliance findet jedes Jahr eine Water Research Horizon Conference statt. Mit der zweiten Veranstaltung am 8./9. (außeruniversitär) Juni 2011 in Berlin zum Thema "New Concepts in Model Development and Data Integration for Understanding Water, Matter and Energy Fluxes at Management Scale" sollen die Diskussionen zu zwei der sechs Themenbereiche des White Paper konkretisiert und erste Projekte und Projektanträge initiiert werden. Das BMBF stellt seinen neuen Förderschwerpunkt "Nachhaltiges Wassermanagement" vor.

Kontakt: Elisabeth Helen Krüger, elisabeth.krueger[at]ufz.de, www.watersciencealliance.de


IWAS und WESS

Zwei wichtige Bausteine der Water Science Alliance sind die Internationale Wasserforschungsallianz Sachsen (IWAS) und die Water and Earth System Science (WESS).

In IWAS entwickeln Wissenschaftler des UFZ und der Technischen Universität Dresden sowie Praxispartner wie die Stadtentwässerung Dresden GmbH/Gelsenwasser AG angepasste Systemlösungen für die jeweiligen Wasserprobleme in verschiedenen Regionen der Erde (Osteuropa/Ukraine, Zentralasien/Mongolei, Mittlerer Osten/Saudi Arabien und Oman, Südostasien/Vietnam sowie Lateinamerika/Brasilien). IWAS wird durch das BMBF im Rahmen des Programms "Spitzenforschung und Innovation in den Neuen Ländern" gefördert.

Kontakt: Prof. Dr. Dietrich Borchardt, Dept. Aquatische Ökosystemanalyse, dietrich.borchardt[at]ufz.de; Prof. Dr. Peter Krebs, Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft, TU Dresden, peter.krebs[at]tu-dresden.de, www.iwas-sachsen.ufz.de

In WESS, einer Kooperation mit den Universitäten Tübingen, Stuttgart und Hohenheim, werden die Auswirkungen sich verändernder Umweltbedingungen auf den Wasserkreislauf und Stoffflüsse in Wasser, Boden und Atmosphäre untersucht (siehe S. 12).

Kontakt: Dr. Hermann Rügner (WESS-Koordinator), Universität Tübingen, h.ruegner[at]uni-tuebingen.de, www.wess.info


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Wasserforschung in Deutschland - Einrichtungen
Stand November 2010
Universität
Fachhochschule
Forschungseinrichtung (außeruniversitär)
Bundesbehörde
Landesbehörde


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Quelle:
UFZ-Spezial Juni 2011: In Sachen Wasser, S. 12 und S. 28
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Tel.: 0341/235-1269, Fax: 0341/235-1468
E-mail: info@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2011