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FORSCHUNG/378: Wasserbilanzen präzise ermitteln (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Juni 2011: In Sachen Wasser

Wasserbilanzen präzise ermitteln

von Benjamin Haerdle


Wasser ist ein höchst kostbares Gut. Das gilt besonders in sehr ariden Regionen der Welt wie in Saudi-Arabien, wo das wertvolle Nass als Trink- und Brauchwasser für die Landwirtschaft dringend benötigt wird. Weil es dort selten regnet, ist das Land stark von dem Wasser abhängig, das die Brunnen zu Tage fördern. Die Konsequenz: "Für aride Gebiete ist es entscheidend, genau zu wissen, wie viel Grundwasser vorhanden ist und wie viel jedes Jahr neu gebildet wird", sagt Dr. Christian Siebert. Der Hydrogeologe vom UFZ erforscht seit neun Jahren Wasserbilanzen - nicht nur in Saudi-Arabien, sondern auch in anderen Gebieten im Mittleren Osten wie in Jordanien und Israel. Das von Siebert geleitete Saudi-Arabien-Projekt zählt zur Internationalen Wasserforschungsallianz Sachsen (IWAS). Ein Verbundprojekt, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird und in fünf hydrologisch sensiblen Gebieten der Erde Lösungen erarbeitet, wie man Wasservorräte nachhaltig managen kann (siehe S. 28).

Stellenweise weniger als 100 Millimeter falen auf der Arabischen Halbinsel pro Qual dratmeter im Jahr. Zum Vergleich: Selbst in sehr trockenen Gebieten in Deutschland wie dem Thüringer Becken regnet es sechsmal mehr. Deshalb mag es erstaunen, dass sich in so trockenen Regionen überhaupt Grundwasser bilden kann, zumal die meisten Niederschläge bei den hohen Tagestemperaturen von bis zu 60 Grad Celsius umgehend verdunsten sollten. Nur wenige Millimeter können ins Erdreich versickern. "Das hört sich sehr wenig an", sagt Siebert, "bezogen auf eine Fläche von mehr als zwei Millionen Quadratkilometern kommt aber eine erstaunliche Menge zusammen". Und weil auf dem Quadratmeter jeder Millimeter Niederschlag zählt, müssen die Wasserbilanzen präzise ermittelt werden. "Es kommt quasi auf die Zahl hinterm Komma an", sagt Siebert.

Dass im Untergrund der Arabischen Halbinsel Grundwasserressourcen in dem Mega-Aquifer liegen, weiß die Forschung schon seit längerem. Dieser Grundwasserleiter erstreckt sich über die gesamte Halbinsel und ist stellenweise bis zu 2.000 Meter mächtig. Bekannt ist auch, dass die Grundwasservorräte drastisch sinken, weil die Brunnen sehr viel Wasser für die Landwirtschaft fördern. Unbekannt ist aber, ob sich in der Tiefe tatsächlich neues Grundwasser bildet. Dieses Rätsel wollen die UFZ-Wissenschaftler lösen. Ein diffiziles Unterfangen, denn in einer so feinen Auflösung hatten Forscher in Saudi-Arabien diesen Ansatz bislang nicht versucht.

Siebert und sein Team sind deshalb auf der Suche nach dem "Point of no return". Das ist der Punkt im Boden, bei dem die nach einem Regenschauer in den Sandboden versickerte Feuchtigkeit nicht mehr verdunstet, sondern tiefer wandert und damit irgendwann zum Grundwasser stößt. Denn die hohen Temperaturen sorgen nicht nur dafür, dass das meiste Wasser rasch an der Oberfläche verdunstet, sondern auch, dass dem Boden Feuchtigkeit entzogen wird - unklar ist, bis in welche Tiefe.

Den "Point of no return", dessen Existenz unter Wissenschaftlern freilich umstritten ist, versucht das Team in einem Freilandversuch zu ermitteln. Auf einer 200 Quadratmeter großen Versuchsfläche auf der Arabischen Halbinsel lassen die Forscher Areale mit Niederschlägen künstlich beregnen. So wollen sie herausfinden, wie sich die Bodenfeuchtigkeit in zunehmender Tiefe verändert, woraus dann der kritische Punkt abgeleitet werden soll. Wenn das gelingt, hoffen die Wissenschaftler in Abhängigkeit der Beschaffenheit des Bodens und der klimatischen Bedingungen sagen zu können, wie viel Grundwasser sich nach einer bestimmten Niederschlagsmenge neu bildet. Erste Indizien scheinen die Neubildung zu bestätigen: Bei Probebohrungen unter Sanddünen fanden die UFZ-Forscher bis in 15 Meter Tiefe gut durchfeuchtete Bodenschichten vor.

In zwei Jahren wollen die Hydrogeologen Ergebnisse vorlegen. Repräsentativ für ganz Saudi-Arabien werden sie nicht sein - dafür ist die Morphologie des Landes zu unterschiedlich - jedoch typisch für Sandmeere und damit wesentlich präziser als die empirischen Formeln, mit denen bisher gearbeitet wird. Damit können die Wissenschaftler den Wasserkreislauf in Saudi-Arabien in einem Computerprogramm modellieren. Helfen kann das lokalen Entscheidungsträgern. "So lässt sich simulieren, was mit Grundwasservorräten passiert, wenn die Brunnenfelder höhere Wassermengen für die Landwirtschaft fördern oder der geringe Niederschlag noch seltener wird", sagt Siebert. Wasser könne und müsse intelligenter und nachhaltiger genutzt werden.


UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Christian Siebert
Dept. Catchment Hydrology

e-mail: christian.siebert[at]ufz.de
mehr Informationen: www.iwas-sachsen.ufz.de


Mit Geotechnik in der Wüste Saudi Arabiens. Bei Probebohrungen unter Sanddünen fanden UFZ-Forscher bis in 15 Meter Tiefe gut durchfeuchtete Bodenschichten vor. (Foto: Tino Rödiger, UFZ)



Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

(*) Artikel S. 28 siehe www.schattenblick.de → Infopool → Umwelt → Wasser →
FORSCHUNG/376: Water and Earth System Science - Führende Wasserforscher verbinden sich (UFZ-Spezial)


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Quelle:
UFZ-Spezial Juni 2011: In Sachen Wasser, S. 22
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2011